Die Coronapandemie, die Energiepreisekrise und die damit einhergehenden hohen Inflationsraten haben ihre Spuren hinterlassen. Die bis zu Beginn des Jahres 2023 sinkenden Reallöhne haben einen Teil der Reallohnzuwächse der Vorjahre aufgezehrt: Im Jahresdurchschnitt 2023 lag der Reallohnindex auf dem Niveau von 2015.
IW-Verteilungsreport 2024: Aktuelle Trends und Herausforderungen für die Verteilungspolitik
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die Coronapandemie, die Energiepreisekrise und die damit einhergehenden hohen Inflationsraten haben ihre Spuren hinterlassen. Die bis zu Beginn des Jahres 2023 sinkenden Reallöhne haben einen Teil der Reallohnzuwächse der Vorjahre aufgezehrt: Im Jahresdurchschnitt 2023 lag der Reallohnindex auf dem Niveau von 2015.
Einkommensbetrachtungen auf Basis von Haushaltsbefragungsdaten deuten darauf hin, dass auch bei einem Blick auf die verfügbaren Einkommen die Auswirkungen der hohen Inflationsraten nicht gänzlich ausgeglichen wurden. Während sich in den 2010er Jahren vor der Coronapandemie merkliche Steigerungen bei den realen Nettoäquivalenzeinkommen gezeigt haben, sind sie in den letzten Jahren leicht rückläufig. Nach Maßgabe der Befragung „Leben in Europa“ (EU-SILC) sank das reale Medianeinkommen zwischen 2020 und 2022 um 4,4, Prozent, im Mikrozensus reduzierte es sich zwischen 2021 und 2023 um 3,6 Prozent.
Wenngleich der Staat durch erhöhte Transferleistungen und umfangreiche Entlastungspakte die finanziellen Belastungen der Haushalte merklich abgefedert hat, zeigen sich die Krisenauswirkungen auch in der Wahrnehmung der Haushalte. Während in einer Befragung im Sommer 2020 noch über die Hälfte der Befragten angaben, dass sie sehr gut oder gut mit ihrem Haushaltseinkommen zurechtkommen, gaben dies in vergleichbaren Befragungen in den Jahren 2023 sowie 2024 nur noch knapp 38 Prozent der Befragten an. Rund ein Viertel äußerte, dass sie relativ schlecht, schlecht oder sehr schlecht mit ihrem Einkommen zurechtkommen.
Während die Niedrigeinkommensquote im Zeitraum vor der Coronapandemie einen leicht ansteigenden Trend markiert, zeigt sich nach den Erhebungsumstellungen rund um das Jahr 2020 eher eine stabile bis leicht rückläufige Entwicklung des relativen Einkommensarmutsrisikos. Umgekehrt verhielt es sich mit Kennziffern zur materiellen Deprivation: Während materielle Entbehrungen und Teilhabeeinschränkungen in den 2010er Jahren merklich zurückgingen, zeigt sich nach der Coronapandemie ein erkennbarer Anstieg, aber immer noch auf einem geringen Niveau. Eine weitere Aufschlüsselung der Entwicklung der Niedrigeinkommensquote deutet darauf hin, dass der Anstieg des Armutsrisikos in den 2010er Jahren wesentlich mit der in den vergangenen Jahren gestiegenen (Flucht-)Migration zusammenhängt, da Geflüchtete – insbesondere in den ersten Jahren im Zielland – ein erhöhtes Armutsrisiko aufweisen. Weiterhin haben Erwerbslose, Alleinerziehende und Familien mit drei oder mehr Kindern ein deutlich erhöhtes Armutsrisiko. In geringerem Ausmaß weisen auch Alleinstehende und Kinder insgesamt ein überdurchschnittliches Armutsrisiko auf.
Während empirisch das gemessene Armutsrisiko von Kindern höher ausfällt als in der Gruppe Älterer, gilt mit Blick auf subjektive Einschätzungen in der IW-Personenbefragung 2024, dass das Ausmaß von Armut unter Rentnerinnen und Rentnern deutlich höher eingeschätzt wird. Diejenigen, die in der Sonntagsfrage eine Präferenz für das BSW und die AfD äußern, nehmen darüber hinaus Armutsrisiken deutlich stärker wahr als die Anhänger der übrigen Parteien. Besonders deutlich tritt die Wahrnehmung von Altersarmutsrisiken hervor: Während über 60 Prozent der Anhänger der AfD und des BSW vermuten, dass mindestens jeder dritte Rentner in Deutschland von Armut bedroht sei, liegt dieser Anteil bei den übrigen Parteianhängern bei unter 46 Prozent. Am geringsten liegt dieser Anteil bei Anhängern der FDP mit knapp 37 Prozent.
Ein Blick auf die Umverteilungswünsche der Befragten offenbart, dass die Wahrnehmung von hohen Armutsrisiken nicht zwangsläufig mit einem stärkeren Wunsch nach sozialem Ausgleich verbunden ist. So zeigen sich deutliche Unterschiede in den Anhängerschaften des BSW und der AfD: Während sich die Mehrheit der BSW-Anhänger eine Ausweitung der Umverteilungspolitik wünscht, paart sich unter Anhängern der AfD ein sehr pessimistischer Blick auf das Ausmaß von Armut mit einer mehrheitlichen Ablehnung bezüglich der Ausweitung von (pauschaler) staatlicher Umverteilungspolitik.
Die umfassenden Erhebungsumstellungen im Zeitraum der Coronapandemie erschweren auch die Interpretation der Entwicklung der Einkommensverteilung. Während sich zwischen 2005 und 2019 eine weitestgehende Seitwärtsbewegung bei der relativen Einkommensungleichheit zeigt, stellt sich die Datenlage ab 2020 aufgrund der methodischen Einschränkungen unklarer dar. Ergebnisse auf Basis des EU-SILC und des Mikrozensus deuten jedoch darauf hin, dass sich das Gefüge der nominalen Einkommensverteilung auch im Zuge der Corona- und Energiepreiskrise nicht substanziell verschoben hat.
Zwar ist die Erfassung von Vermögen typischerweise von größeren Unsicherheiten begleitet als die Abfrage von Einkommen. Durch den jeweils mehrjährigen Erhebungsmodus waren die verfügbaren Vermögensbefragungen jedoch weniger von Zeitreihenbrüchen betroffen. So zeigt sich auf Basis der verfügbaren Datensätze mit Informationen zu den Vermögen der privaten Haushalte, dass sich die Vermögensungleichheit in den vergangenen Jahren nicht erhöht hat, sondern die entsprechenden Kennziffern nach der Finanz- und Wirtschaftskrise eher eine leicht rückläufige Entwicklung nachzeichnen. Deutschland kennzeichnet sich durch ein hohes Ausmaß an sozialstaatlicher Absicherung, einer im europäischen Vergleich (etwas) unterdurchschnittlichen Einkommensungleichheit sowie gleichzeitig einer überdurchschnittlichen Vermögensungleichheit – mit diesem Muster ähnelt es vor allem der Gruppe der skandinavischen Staaten.
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