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Tobias Hentze / Markos Jung IW-Kurzbericht Nr. 45 30. Juli 2018 Kapitalflüsse in die USA entlarven Steueroasen

Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der Steuerreform in den USA sind erste Auswirkungen in den Statistiken zu beobachten – auch auf Europa. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2018 transferierten US-Konzerne fast 300 Milliarden US-Dollar vom Ausland zurück in die USA. Vorne mit dabei sind die Niederlande und die Schweiz, wo der US-Bestand an Direktinvestitionen um 8 Prozent beziehungsweise 6 Prozent sank. Aus Deutschland ist dagegen bisher kein nennenswerter Kapitalabfluss festzustellen.

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Kapitalflüsse in die USA entlarven Steueroasen
Tobias Hentze / Markos Jung IW-Kurzbericht Nr. 45 30. Juli 2018

Kapitalflüsse in die USA entlarven Steueroasen

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der Steuerreform in den USA sind erste Auswirkungen in den Statistiken zu beobachten – auch auf Europa. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2018 transferierten US-Konzerne fast 300 Milliarden US-Dollar vom Ausland zurück in die USA. Vorne mit dabei sind die Niederlande und die Schweiz, wo der US-Bestand an Direktinvestitionen um 8 Prozent beziehungsweise 6 Prozent sank. Aus Deutschland ist dagegen bisher kein nennenswerter Kapitalabfluss festzustellen.

Die US-Steuerreform zeigt erste Wirkungen. Im ersten Quartal 2018 flossen Dividenden und Entnahmen in Höhe von 287,7 Milliarden US-Dollar in die Vereinigten Staaten – das war 14-mal so viel wie im Durchschnitt der ersten Quartale in den Jahren 2015 bis 2017 und fast doppelt so viel wie im gesamten vergangenen Jahr (155 Milliarden US-Dollar) (Bureau of Economic Analysis, 2018a). In der Folge reduzierte sich laut Kapitalbilanz der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen (FDI) um rund 149 Milliarden US-Dollar. Bei den Dividenden handelt es sich um zuvor im Ausland erwirtschaftete und reinvestierte Gewinne, die statistisch als FDI gezählt werden. In den vergangenen drei Jahren waren die FDI um durchschnittlich rund 100 Milliarden US-Dollar gewachsen. Ein Rückgang der Direktinvestitionsbestände war zuletzt im zweiten Halbjahr 2005 als Folge kurzfristiger Steuererleichterungen für repatriierte Gewinne im Rahmen des American Jobs Creation Act zu verzeichnen (Bureau of Economic Analysis, 2018b).

Auch heute ist der Zusammenhang mit der zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen US-Steuerreform, nach der die Steuersätze drastisch reduziert wurden, augenscheinlich. Während die Steuerbelastung der repatriierten Gewinne vor der Reform bei 35 Prozent lag, werden jetzt einmalig 15,5 Prozent auf die gesamten Bargeldbestände und 8 Prozent auf alle anderen im Ausland akkumulierten Einkünfte fällig (EY, 2018). Die Repatriierung selbst bleibt steuerfrei, es gibt folglich keinen steuerlichen Anreiz mehr, die Gewinne im Ausland zu belassen. In der Vergangenheit hatten US-Unternehmen erwirtschaftete Gewinne ihrer Tochtergesellschaften im Ausland belassen, um einer Besteuerung in den USA zu entgehen. So haben US-Unternehmen seit 1982 4,2 Billionen US-Dollar im Ausland einbehalten, was 72 Prozent der seitdem angefallenen US-Auslandsinvestitionen ausmacht. Dieses Motiv hat sich nun durch die Steuerreform deutlich relativiert. Zweifelsfrei zeigt sich in diesen Zahlen, wie mobil der Faktor Kapital ist und wie steuerliche Anreize zu Verhaltensanpassungen und Ausweichreaktionen führen können.

Anders als bei reinen Portfolioinvestitionen ist das Ziel einer Direktinvestition, die Kontrolle über das Investitionsobjekt zu erlangen oder zu behalten (OECD, 2008). Zum Teil wird das Geld jedoch nicht für Sachinvestitionen verwendet. Denn unter den Begriff Direktinvestition fallen nicht nur Investitionen in den Bau neuer Anlagen oder Fabriken, sondern ebenso Kapital, das in Holdinggesellschaften angelegt ist. Rund die Hälfte aller US-FDI ist in Holdinggesellschaften investiert, die das Kapital verwalten und weiterinvestieren sollen. Davon entfallen rund 54 Prozent auf die Niederlande, Luxemburg und die Bermudainseln – Deutschlands Anteil liegt lediglich bei knapp 2 Prozent (Bureau of Economic Analysis, 2018c). Vor diesem Hintergrund wird klar, dass nicht jede Direktinvestition zu realen ökonomischen Aktivitäten führt, weshalb Interpretationen von aggregierten Direktinvestitionsdaten hinsichtlich realer Effekte schwierig sind.

Geparkte Gewinne fließen aus Steueroasen zurück in die USA

Auffällig bei einer Auswertung der gesamten Netto-Direktinvestitionsströme aus den USA, also dem Saldo aus ausgehenden Kapitalströmen und der Reduzierung von Investitionsbeständen, ist, dass das Gros des Geldes aus nur wenigen Ländern stammt. Neben den Bermudainseln gehören auch die Niederlande und die Schweiz dazu (Abbildung). Rund 28 Prozent des US-FDI-Bestandes auf den Bermudainseln wurden im 1. Quartal 2018 abgezogen, aus den Niederlanden waren es 8 Prozent und aus der Schweiz 6 Prozent. Zudem stagnieren die US-FDI in Irland – in den Vorjahresquartalen floss dagegen stets deutlich mehr Kapital von den USA nach Irland als von dort abgezogen wurde.

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Aufgrund der Mobilität des Kapitals liegt der Schluss nahe, dass US-Unternehmen das Geld in diesen Ländern bisher nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen geparkt hatten. Aus europäischer Sicht sind die Niederlande, die Schweiz und Irland klassische Standorte für Holdingstrukturen von Konzernen. Dagegen kam es bisher aus Deutschland nicht zu einem übermäßigen Kapitalabfluss bei US-Tochtergesellschaften. Durch die US-Steuerreform wird implizit offengelegt, welche Länder für US-Konzerne bisher als Steueroasen fungiert haben. Deutschland gehört offenbar nicht dazu. Bemerkenswert ist zudem, dass bisher aus Luxemburg keine Nettokapitalabflüsse zu verzeichnen sind, obwohl das Land als Holdingstandort gilt.

Investitionswirkung der Steuerreform fraglich

Der Kapitalabzug durch Umwidmung reinvestierter Gewinne in Dividenden geht allerdings nicht zwingend einher mit der Verlagerung ökonomischer Aktivität oder Wertschöpfung in die USA. Dafür spricht auch, dass gleichzeitig die US-Auslandsinvestitionen in Aktien und Investmentfonds, also Wertpapiere ohne ökonomische Kontrolle über das Investitionsobjekt, sprunghaft angestiegen sind: Im ersten Quartal 2018 flossen rund 242,5 Milliarden US-Dollar ins Ausland – der höchste Wert der letzten 20 Jahre (Bureau of Economic Analysis, 2018d). Das Wachstum inländischer Realinvestitionen in den USA ist dagegen gegenüber der Zeit vor der Steuerreform eher konstant geblieben. Dies legt den Schluss nahe, dass ein Großteil der repatriierten Gewinne unmittelbar zur Kapitalanlage im Ausland verwendet wird, ohne dass dies nachhaltige Rückwirkungen auf die Realwirtschaft hätte. Es findet also eine Umfirmierung des Kapitals von FDI zu Portfolioinvestitionen statt.

Während US-Unternehmen im Zuge der Steuerreform also Kapital repatriieren, ohne es zunächst in ökonomische Aktivitäten in Form von Realinvestitionen umzuleiten, stellt sich die Frage, wie ausländische Unternehmen auf die US-Steuerreform reagieren. Aus deutscher Sicht ist auffällig, dass der Nettowert der in die USA fließenden FDI in den ersten drei Monaten des Jahres 2018 mit 11,2 Milliarden Euro so hoch war wie zuletzt vor mehr als zehn Jahren. Allerdings ist der Niveauunterschied längst nicht so beachtlich wie auf amerikanischer Seite. Im Vorjahresquartal betrug der Nettowert 2,5 Milliarden Euro weniger. Höhere reinvestierte Gewinne sind dafür mit 1,2 Milliarden Euro nur zu einem eher kleinen Teil verantwortlich (Deutsche Bundesbank, 2018).

Für eine fundierte Einschätzung der Reaktionen der Unternehmen auf die US-Steuerreform bleiben die nächsten Monate abzuwarten. Sollten die Trends – Kapitalabzug von US-Unternehmen aus Steueroasen und höhere deutsche Direktinvestitionen in den USA – anhalten, würde die US-Steuerreform tatsächlich für grundlegende Veränderungen der internationalen Kapitalströme sorgen, die auch Effekte auf die Realwirtschaft haben könnten. Das ist aber längst noch nicht ausgemacht.

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