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Michael Voigtländer IW-Kurzbericht Nr. 4 17. Januar 2020 Entwicklung von Löhnen und Mieten - dreigeteiltes Deutschland

Die Mieten in Deutschland sind im vergangenen Jahrzehnt kräftig gestiegen, insbesondere in den Ballungsräumen. Dies weckt Befürchtungen, Wohnen werde unbezahlbar. Doch gleichzeitig erlebt Deutschland auch einen Arbeitsmarktboom. Die Arbeitslosenquote ist auf einem historischen Tiefststand und die Löhne steigen. Betrachtet man Lohn- und Mietentwicklung simultan, ist die Erschwinglichkeit des Mietens in weiten Teilen Deutschlands gestiegen.

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Entwicklung von Löhnen und Mieten - dreigeteiltes Deutschland
Michael Voigtländer IW-Kurzbericht Nr. 4 17. Januar 2020

Entwicklung von Löhnen und Mieten - dreigeteiltes Deutschland

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Mieten in Deutschland sind im vergangenen Jahrzehnt kräftig gestiegen, insbesondere in den Ballungsräumen. Dies weckt Befürchtungen, Wohnen werde unbezahlbar. Doch gleichzeitig erlebt Deutschland auch einen Arbeitsmarktboom. Die Arbeitslosenquote ist auf einem historischen Tiefststand und die Löhne steigen. Betrachtet man Lohn- und Mietentwicklung simultan, ist die Erschwinglichkeit des Mietens in weiten Teilen Deutschlands gestiegen.

Die meisten Mieter bestreiten ihren Lebensunterhalt aus dem Lohneinkommen, weshalb dieses die entscheidende Größe für die Erschwinglichkeit der Miete darstellt. Basierend auf diesem Gedanken hat das IW bereits 2018 berechnet, welche Wohnfläche ein Single-Haushalt in den 401 deutschen Kreisen und kreisfreien Städten bezahlen kann, wenn er den gleichen Anteil seines Nettolohns für die Miete ausgeben möchte (Sagner/Voigtländer, 2018). Will man nur bestimmen, ob das Wohnen zur Miete für den durchschnittlichen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten in den letzten Jahren günstiger oder teurer geworden ist, genügt ein Vergleich zwischen der Änderung der Bruttolöhne und der Nettokaltmieten. Betrachtet werden die durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelte von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, wie sie die Bundesagentur für Arbeit für alle Kreise und den Zeitraum 2014 bis 2018 zur Verfügung stellt, sowie die (hedonischen) Nettokaltmieten für den gleichen Zeitraum, die von F+B (2019) bereitgestellt werden. Vom prozentualen Wachstum der Bruttolöhne wird das prozentuale Wachstum der Nettokaltmieten abgezogen. Ein positives Resultat bedeutet, dass ein sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter in Vollzeit mit dem Medianeinkommen für die gleiche Wohnung im Jahr 2018 einen geringeren Anteil des Lohns aufwenden musste als noch 2014, ein negatives Ergebnis deutet dagegen auf eine geringere Erschwinglichkeit hin. Zu beachten ist, dass hier die Entwicklung der Neuvertragsmieten betrachtet wird. Es wird also ein Umzug im jeweiligen Betrachtungsjahr unterstellt. Aufgrund der Regulierung der Bestandsmieten steigen die Mieten für langjährige Mieter deutlich langsamer als die Wiedervertragsmieten (vgl. Kohl/Sagner/Voigtländer, 2019).

In Deutschland ist der Medianbruttolohn zwischen 2014 und 2018 um insgesamt 9,4 Prozent auf 3.312 Euro monatlich gestiegen. Im gleichen Zeitraum sind die Wiedervertragsmieten um 8,5 Prozent auf durchschnittlich 7,44 Euro gestiegen, woraus sich eine Wachstumsdifferenz von 0,9 Prozentpunkten ergibt. Insgesamt ist das Mieten im Mittel damit relativ gesehen günstiger geworden, die Erschwinglichkeit ist gestiegen. Dies gilt auch für insgesamt 269 der 401 Kreise, also für zwei Drittel der Kreise.

Hier ergibt sich eine deutliche Dreiteilung Deutschlands: Gerade in den neuen Bundesländern ist die Erschwinglichkeit deutlich gestiegen. In Jena liegt die Wachstumsdifferenz bei über 11,7 Prozentpunkten, im Landkreis Leipzig sogar bei fast 13 Prozentpunkten. Auch in Städten wie Rostock oder Gera liegt die Differenz bei über 10 Prozentpunkten. Gerade in den neuen Bundesländern sind die Bruttolöhne besonders stark gestiegen, weil auch dort Unternehmen zunehmend unter einem Fachkräftemangel leiden und bereit sind, die Arbeitnehmer mit deutlicheren Lohnzuwächsen zu halten oder anzuziehen. Gleichzeitig ist aber die Mietenentwicklung längst nicht so dynamisch wie in weiten Teilen Westdeutschlands. Eine wesentliche Ursache hierfür ist der nach wie vor große Leerstand, der erst langsam abgebaut wird. In Städten wie Jena, Rostock oder Gera wächst die Wohnungsnachfrage zwar auch, aber der noch vorhandene Leerstand mäßigt die Mietanstiege. Entsprechend ist in vielen Regionen Ostdeutschlands die Erschwinglichkeit deutlich gestiegen.

In weiten Teilen Westdeutschlands gehen Löhne und Mieten dagegen Hand in Hand. In den Kreisen Neunkirchen (Saarland), Hamm (NRW), Cochem-Zell (Rheinland-Pfalz) oder Holzminden (Niedersachsen) beträgt die Wachstumsdifferenz genau null, in vielen Kreisen sind die Bruttolöhne aber stärker gestiegen als die Mieten. Ganz anders sieht es dagegen in Teilen Baden-Württembergs und insbesondere im südlichen Bayern aus: Dort sind die Mieten deutlich schneller gestiegen als die Löhne. Besonders ungünstig ist die Entwicklung in Kempten. Dort sind die Löhne zwar um 10 Prozent gestiegen, die Mieten aber mit 33 Prozent besonders stark. Doch auch in Rosenheim (-14,5 Prozent), den Landkreisen München (-14,1 Prozent), Fürstenfeldbruck und Ebersberg (jeweils -10,6 Prozent) sind die Löhne wesentlich langsamer als die Mieten gestiegen. In diesen Kreisen ist der Wohnungsmarkt wegen fehlenden Neubaus besonders angespannt, gleichzeitig gibt es aber zahlreiche Haushalte, die aufgrund bestehender Vermögen einen höheren Anteil ihres Lohneinkommens ausgeben können.

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Doch wie sieht es in den Großstädten aus, die besonders angespannte Wohnungsmärkte aufweisen? Auch hier gibt es keine einheitliche Entwicklung (Abbildung). In Berlin und vor allem München stiegen die Mieten schneller als die Löhne. In beiden Städten hinkt der Neubau der Nachfrage hinterher, gerade im Fall von München wird auch in den Umlandgemeinden wenig gebaut. In Berlin kommt hinzu, dass das Mietpreisniveau gerade für Zuziehende immer noch günstig ist, sofern die dann in Berlin erzielten Löhne denen anderer, im Mittel höher bezahlter Regionen, entsprechen. In Stuttgart und Düsseldorf ist die Entwicklung weitestgehend im Gleichklang, in den anderen Großstädten dagegen steigen die Löhne schneller als die Mieten. Dies gilt besonders für Hamburg. In der Hansestadt stiegen die Mieten zwischen 2014 und 2018 um 3,3 Prozent, die Löhne dagegen um 8,7 Prozent. Dass die Mieten so moderat gestiegen sind, ist vor allem der Wohnungsbauoffensive zuzuschreiben. Anders als etwa München oder Berlin hat Hamburg ein Niveau bei den Baufertigstellungen erreicht, das ausreicht, um die Nachfrage zu befriedigen. Rechnerisch stand jedem Zuwanderer in Hamburg im Jahr 2018 sogar eine Neubauwohnung zur Verfügung.

Betrachtet man nur die Entwicklung zwischen 2017 und 2018, könnte sich die Lage vielerorts sogar weiter entspannen. Schließlich sind in diesem Zeitraum in über 87 Prozent der Kreise die Löhne schneller gestiegen als die Mieten. Tatsächlich zeigt vielerorts der Anstieg der Bautätigkeit Wirkung, und dort, wo zu wenig gebaut wurde, weichen die Haushalte zunehmend auf Umlandgemeinden aus. Sollte die Wirtschaft wie erwartet stagnieren (Grömling, 2019), dürfte sich auch das Lohnwachstum verlangsamen. Allerdings dürfte mit nachlassender Arbeitsmarktnachfrage auch der Zuwanderungsdruck abnehmen, und das Mietwachstum würde sich bei trüberen Wirtschaftsaussichten ebenfalls verlangsamen.

Die Daten belegen, dass eine reine Betrachtung der Miet-entwicklung zu kurz greift, um die Geschehnisse in den lokalen deutschen Wohnungsmärkten zu evaluieren. Nichtsdestotrotz gibt es Herausforderungen, die aus den Mietpreisanstiegen der letzten Jahre resultieren. Zum einen gilt es den Wohnungsbau dort zu forcieren, wo es noch akuten Mangel gibt. Hierzu bedarf es vor allem einer entschiedeneren Ausweisung von Bauland. Auf der anderen Seite müssen Haushalte gezielt unterstützt werden, die von der Lohnentwicklung abgekoppelt sind, also etwa Haushalte mit nur geringen, stagnierenden Einkommen, Arbeitslose oder zum Teil auch Rentner. Eine allgemeine Wohnungsnot, die weite Teile der Bevölkerung betrifft, ist aber nicht feststellbar – zumal, wenn man berücksichtigt, dass für Mieter, die langjährig in ihrer Wohnung leben, die Mieten noch deutlich langsamer ansteigen als im Fall eines Umzugs.

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Michael Voigtländer / Pekka Sagner: Entwicklung von Löhnen und Mieten - dreigeteiltes Deutschland

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