Vorteile digitaler und analoger Geschäftsmodelle
Die in der JUNIOR-Befragung erfassten Schülerinnen und Schüler konnten zudem explizit in Freitextantworten die aus ihrer Sicht entscheidenden Vorteile von digitalen und analogen Geschäftsideen angeben. Die Antworten wurden nach Oberbegriffen gruppiert und analysiert. Die Befürworterinnen und Befürworter von digitalen Geschäftsideen nennen als Hauptvorteil eine erhöhte Reichweite, die sich beispielsweise über geografische Grenzen hinweg erstreckt (454 Nennungen). Mithilfe des Internets können digitale Produkte oder Dienstleistungen theoretisch global vertrieben werden (OECD, 2015, 87). Dies birgt das Potenzial einer hohen Skalierbarkeit und damit verbundenen Kostenvorteilen (61). Außerdem seien digitale Geschäftsideen aufgrund ihrer Zukunftsfähigkeit (135) und ihrer Benutzerfreundlichkeit (107) vorteilhaft.
Interessanterweise liegt auch für analoge Geschäftsideen der Hauptvorteil in einer erhöhten Reichweite (39). Hierbei handelt es sich aber weniger um die geografische Reichweite, sondern vielmehr um eine breitere Erreichbarkeit der Gesellschaft. Die Befragten geben in den Freitextantworten an, dass gewisse Altersgruppen in der Gesellschaft derzeit nur mithilfe analoger Geschäftsmodelle erreicht werden können. Dazu zählen beispielweise ältere Personen, die nicht oder nur selten das Internet nutzen und deshalb mithilfe digitaler Geschäftsmodelle gar nicht angesprochen werden können.
2019 nutzten nur 58 Prozent der über 70-jährigen Personen das Internet mindestens selten, gefolgt von 85 Prozent der 60- bis 69-järigen. Im Vergleich dazu: In der Altersgruppe von 14 bis 29 Jahren sind es 100 Prozent (ARD/ZDF, 2020). Werden die Anteile der Nicht-Nutzenden nach Altersgruppe mit den entsprechenden Einwohnerzahlen kombiniert (Destatis, 2020), zeigt sich, dass in Deutschland rund 8,1 Millionen Personen über 14 Jahren nicht über digitale Geschäftsmodelle erreicht werden können. Das entspricht 11,19 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren.
Reichweite verändert sich
Die Reichweite verschiedener Geschäftsmodelle ist jedoch nicht statisch, sondern es gibt Veränderungen im Zeitablauf: Da jüngere Personen das Internet intensiv nutzen, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis digitale Geschäftsmodelle alle Altersgruppen in der Gesellschaft erreichen. Damit entfällt der Reichweitenvorteil der analogen Alternative. Aus Sicht der befragten Schülerinnen und Schüler liegt der Hauptvorteil von analogen Geschäftsideen damit nicht in einer solchen charakteristischen Eigenschaft dieser Geschäftsmodelle, die im Vergleich zum digitalen Pendant besser ausgeprägt ist oder effizienter umgesetzt wird. Vielmehr sind es die aktuellen Rahmenbedingungen, gewisse Altersgruppen nur oder hauptsächlich über analoge Kanäle erreichen zu können, die hier den Ausschlag geben.
Digitale Geschäftsmodelle bieten Konsumenten umfassende Auswahl und somit ein breites Angebot, denn diese können so auch Produkte von Anbietern jenseits ihres direkten geografischen Umfelds erwerben. Aus Anbieterperspektive birgt der größere Zielmarkt jedoch auch eine Herausforderung: Die potenziell große Nachfrage bedeutet für den einzelnen digitalen Anbieter im Umkehrschluss, dass auch die Anzahl konkurrierender digitaler Anbieter gleichermaßen groß sein kann. Diese drohende hohe Wettbewerbsintensität kann die Anreize zum Markteintritt oder zur Unternehmensgründung schmälern. Als Gründungshemmnis geben digitale Gründer deshalb eher einen fehlenden Kundenzugang (vier von zehn digitale Gründer) als nicht-digitale Gründer (zwei von zehn) an (KfW Research, 2017, 3). Konsumenten profitieren hingegen von einer erhöhten Wettbewerbsintensität durch qualitativ hochwertigere und innovativere Produkten sowie niedrigere Preise.
Analoge Anbieter, die im Wettbewerb mit einer wachsenden Anzahl an Anbietern mit digitalen Geschäftsmodellen stehen, können ihre vergleichsweise geringere geografische Reichweite als Wettbewerbsnachteil empfinden. Dies galt vor allem während des Lockdowns in der Corona-Pandemie, währenddessen Anbieter vor Ort ihre Geschäfte oftmals nicht öffnen duften. Um nicht an Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen, hat sich gerade in dieser Zeit herausgestellt, dass eine stärkere oder zusätzliche digitale Ausrichtung des Geschäftsmodells vorteilhaft sein kann. Dies gilt nicht nur für die Ausnahmesituation der Pandemie, sondern angesichts der zunehmenden Internetnutzung jüngerer Jahrgänge auch generell. Dies sehen auch die befragten Schülerinnen und Schüler so: Sie schreiben der Mischung aus beiden Varianten das höchste Erfolgspotenzial zu.