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Helen Hickmann / Lydia Malin / Paula Risius IW-Kurzbericht Nr. 74 11. September 2022 Wider den Trend: In diesen Berufen steigt die Ausbildungsplatznachfrage seit Jahren kontinuierlich

Heute münden deutlich weniger Jugendliche nach der Schule in eine duale Berufsausbildung ein als noch vor fünf oder zehn Jahren. Trotz dieses allgemeinen Trends gibt es Berufe, in denen die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen seit mehreren Jahren kontinuierlich steigt. Viele von ihnen bieten gute Beschäftigungsperspektiven und eine sinnstiftende Tätigkeit.

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In diesen Berufen steigt die Ausbildungsplatznachfrage seit Jahren kontinuierlich
Helen Hickmann / Lydia Malin / Paula Risius IW-Kurzbericht Nr. 74 11. September 2022

Wider den Trend: In diesen Berufen steigt die Ausbildungsplatznachfrage seit Jahren kontinuierlich

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Heute münden deutlich weniger Jugendliche nach der Schule in eine duale Berufsausbildung ein als noch vor fünf oder zehn Jahren. Trotz dieses allgemeinen Trends gibt es Berufe, in denen die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen seit mehreren Jahren kontinuierlich steigt. Viele von ihnen bieten gute Beschäftigungsperspektiven und eine sinnstiftende Tätigkeit.

Die Ausbildungsnachfrage setzt sich zusammen aus den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen sowie den unvermittelten Bewerberinnen und Bewerbern. Letztere sind zum einen Ausbildungsplatzsuchende, die bis zum Stichtag 30.09. des jeweiligen Jahres weder in eine Berufsausbildung noch in eine Alternative eingemündet sind, zum anderen aber auch Jugendliche, die zwar ihren Vermittlungswunsch aufrechterhalten, aber zwischenzeitlich eine Alternative (z. B. weiterer Schulbesuch, berufsvorbereitende Maßnahme) begonnen haben oder von der Berufsberatung – zuständigkeitshalber – zur Arbeitsvermittlung verwiesen wurden, selbst wenn sie dort arbeitslos gemeldet sind (BIBB, 2022).

In den letzten zehn Jahren ist die Nachfrage nach dualen Ausbildungsplätzen in der Tendenz deutlich gesunken. Lag sie im Jahr 2011 insgesamt noch bei knapp 642.000, waren es 2016 nur noch gut 600.000 und – bedingt durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie – 2021 nur noch knapp 541.000. Dieser Bewerbendenzahl standen 2011 noch knapp 600.000 und 2021 gut 536.000 Ausbildungsplätze gegenüber. Somit ist die Nachfrage der jungen Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen, im betrachteten Zeitraum deutlich stärker zurückgegangen als das Ausbildungsplatzangebot (vgl. BMBF, 2022).

Aus Sicht der Unternehmen bedeutet dies größere Herausforderungen bei der Besetzung von Ausbildungsstellen, insbesondere da von insgesamt knapp 68.000 unvermittelten Bewerberinnen und Bewerbern gut 43.000 zwischenzeitlich eine Alternative gefunden haben. Dies spiegelt sich auch in der gesunkenen Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge sowie der steigenden Zahl unbesetzter Ausbildungsstellen (Schuß et al., 2021).

Zu den Ursachen für diese Entwicklung zählen zum einen die seit 2016 demografiebedingt sinkenden Schulabgängerzahlen. Zum anderen verlassen heute deutlich mehr Jugendliche die allgemeinbildenden Schulen mit einer Hochschulzugangsberechtigung. Hierdurch stieg die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger zunächst, bevor sie auf hohem Niveau stagnierte, während die Ausbildungsplatznachfrage tendenziell weiter zurückging, auch wenn immer mehr Abiturientinnen und Abiturienten in eine Ausbildung starten. Zulauf hatten auch die vollzeitschulischen Bildungsangebote, etwa an Schulen des Gesundheitswesens oder im Bereich der Erziehung, die nicht in der Ausbildungsmarktstatistik auftauchen. Hier werden beispielsweise Pflegefachpersonen und medizintechnische Assistenzkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher ausgebildet.

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Steigende Nachfrage wider den Trend

Trotz dieses allgemeinen Trends gibt es neun Berufe, die seit dem Basisjahr 2016 eine kontinuierlich steigende Ausbildungsplatznachfrage verzeichnen. Sie sind hauptsächlich in Handwerk und Bau angesiedelt und schon seit langem von starken Fachkräfteengpässen betroffen (Hickmann/Koneberg, 2022). Alle neun hier dargestellten Berufe verzeichneten seit dem Basisjahr 2016 bis 2021 einen stetigen Anstieg in der Ausbildungsplatznachfrage (mit Ausnahme von zwei Berufen, die Corona-bedingt im Jahr 2020 einen Rückgang zu verzeichnen hatten). Lediglich im Tiefbau (-1,0 Prozent) und in der Bauelektrik (-4,0 Prozent) gab es im Corona-Jahr 2020 einen vorübergehenden Nachfragerückgang, der aber bereits im Jahr 2021 wieder mehr als ausgeglichen ist. Wird die jährliche Entwicklung nicht berücksichtigt, sondern nur das Jahr 2016 mit dem Jahr 2021 verglichen, gibt es insgesamt 77 Berufe, in denen die Ausbildungsplatznachfrage gestiegen ist und 169, in denen die Ausbildungsplatznachfrage sank. In vier Berufen entspricht die Ausbildungsplatznachfrage in 2021 exakt der in 2016.

Im Hinblick auf die prozentuale Steigerung der Ausbildungsnachfrage im Vergleich zum Basisjahr 2016 zeigt sich der größte Anstieg bei den Führerinnen und Führern von Erdbewegungs- und verwandten Maschinen. Dieser starke prozentuale Effekt hängt jedoch auch damit zusammen, dass es sich hier um den Beruf der Liste handelt mit der in absoluten Zahlen geringsten Nachfrage, wo kleinere absolute Veränderungen bereits größere prozentuale Anstiege zur Folge haben.

Es fällt auf, dass die hier genannten Berufe alle relevant für die Bewältigung der aktuell drängenden Fragen sind. So werden beispielsweise für die Erreichung der Klimaziele Dachdeckerinnen und Dachdecker für die Montage von Solarpaneelen benötigt, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnikfachkräfte für den Einbau von Wärmepumpen; Zweiradtechnikerinnen und -techniker werden für die Mobilitätswende gebraucht und Fachkräfte der Immobilienvermarktung und -verwaltung für die Bereitstellung von mehr Wohnraum. Und auch die weiteren Bauberufe werden für energetische Sanierungen im Bestand sowie beim Neubau klimaneutraler Gebäude benötigt.

Ursachen für die steigende Nachfrage

Die hier vorgestellten Berufe weisen gleich mehrere der folgenden attraktiven Merkmale auf, was möglicherweise dazu führt, dass sich Jugendliche häufiger als früher für diese Berufe entscheiden:

  • Mit Ausnahme der Zweiradtechnik weisen alle diese Berufe Fachkräfteengpässe auf und bieten damit ein hohes Maß an Jobsicherheit.
  • Zudem haben die Unternehmen in allen genannten Berufen ihr Ausbildungsplatzangebot in den letzten Jahren erhöht. Somit haben Ausbildungsinteressierte in diesen Berufen gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz.
  • Die Gehälter entsprechen – mit Ausnahme der Zweiradtechnik – in etwa dem Median für alle Berufe oder liegen darüber.
  • Die genannten Berufe haben sich insofern als krisenfest erwiesen, als in der Corona-Pandemie kein nennenswerter Einbruch bei der Beschäftigung stattgefunden hat.
  • Viele der hier genannten Berufe erfahren, nicht zuletzt durch ihre Relevanz für die drängenden gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimawende, Mobilitätswende und Wohnungsbau zurzeit eine Aufwertung. Dies könnte damit einhergehen, dass sie als sinnstiftend erachtet werden, was gerade für die Generation Z ein relevanter Faktor bei der Berufswahl sein kann.
  • Durch ihre gesellschaftliche Relevanz erhalten einige dieser Berufe aktuell eine verstärkte mediale Präsenz. Jugendliche lassen sich im Zuge ihres Berufswahlprozesses auch durch diese medialen Einblicke in Berufe und Fächer leiten (Keuneke et al., 2010; Weyer et al., 2016). Somit kann auch die Präsenz von Handwerkerinnen und Handwerkern in den sozialen Netzwerken, die Einsicht in ihren Berufsalltag geben und dabei über die Sinnstiftung ihres Berufs berichten, zur Berufsorientierung dienen.
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