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Galina Kolev IW-Kurzbericht Nr. 107 30. Oktober 2020 US-Leistungsbilanz: Eine Zwischenbilanz vor der Wahl

Trotz des protektionistischen Kurses ist das Leistungsbilanzdefizit der USA zwischen 2016 und 2019 um 21,6 Prozent gestiegen. Die Entwicklungen folgen der ökonomischen Theorie: In einer globalisierten Welt ist es bei einem expansiven fiskalpolitischen Kurs wie in den letzten Jahren und mit der wichtigsten Reservewährung der Welt kaum denkbar, dass der Wunsch des amtierenden Präsidenten Donald Trump nach einer ausgeglichenen Leistungsbilanz in Erfüllung geht.

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Eine Zwischenbilanz vor der Wahl
Galina Kolev IW-Kurzbericht Nr. 107 30. Oktober 2020

US-Leistungsbilanz: Eine Zwischenbilanz vor der Wahl

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Trotz des protektionistischen Kurses ist das Leistungsbilanzdefizit der USA zwischen 2016 und 2019 um 21,6 Prozent gestiegen. Die Entwicklungen folgen der ökonomischen Theorie: In einer globalisierten Welt ist es bei einem expansiven fiskalpolitischen Kurs wie in den letzten Jahren und mit der wichtigsten Reservewährung der Welt kaum denkbar, dass der Wunsch des amtierenden Präsidenten Donald Trump nach einer ausgeglichenen Leistungsbilanz in Erfüllung geht.

Kurz vor der Präsidentschaftswahl gibt es erstaunlich wenig Äußerungen des US-Präsidenten zu dem Thema internationaler Handel. Es ist ihm nämlich nicht gelungen, das Leistungsbilanzdefizit zu senken. Im Gegenteil: Das Defizit stieg zwischen 2016 und 2019 um 21,6 Prozent an, getrieben unter anderem von einem Anstieg des Handelsbilanzdefizits um 15,3 Prozent auf 864,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019.

Selbst gegenüber China ist das Leistungsbilanzdefizit in der Gesamtbetrachtung des Zeitraums 2016 bis 2019 gestiegen. Der starke Anstieg in den ersten zwei Jahren konnte durch den Rückgang im Zuge des Handelskonflikts im Jahr 2019 um 70,9 Milliarden US-Dollar nicht mehr wettgemacht werden. Denn gleichzeitig erhöhte sich 2019 das Defizit gegenüber Mexiko um 27,6 Milliarden US-Dollar, in der Gesamtbetrachtung 2016 bis 2019 belief sich der Anstieg sogar auf 41,8 Milliarden US-Dollar (Abbildung). Und auch die Defizite gegenüber Japan, Taiwan und Korea stiegen 2019 um 6,8 Milliarden US-Dollar, 8,5 Milliarden US-Dollar und 4,2 Milliarden US-Dollar entsprechend an. Zudem verringerte sich der Überschuss gegenüber Kanada um 13,9 Milliarden US-Dollar und der Überschuss gegenüber Singapur und Hongkong sank entsprechend um 6,0 Milliarden US-Dollar und 5,4 Milliarden US-Dollar. Zusammengerechnet ergeben allein diese Veränderungen einen Anstieg des US-Leistungsbilanzdefizits im Jahr 2019 von 72,4 Milliarden US-Dollar, der den Rückgang gegenüber China übersteigt. Dass das gesamtwirtschaftliche US-Leistungsbilanzdefizit nicht noch weiter gestiegen ist, lag vor allem an dem vergleichsweise niedrigen Ölpreis und der Ausweitung der heimischen Ölproduktion im Jahr 2019 (Kolev, 2020).

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Ökonomisch betrachtet sind die Entwicklungen plausibel. Zum einen ist es in einer globalisierten Welt möglich, den Handel umzulenken und die durch Zölle verteuerten Produkte aus China durch Importe aus anderen Ländern zu ersetzen – wie die Entwicklungen im Jahr 2019 zeigen. Zum anderen ist der Saldo in der Leistungsbilanz eine makroökonomische Größe, die nur in einem Gesamtkontext interpretiert werden kann. Direktinvestitionen, Wertpapierkäufe und auch Käufe von Staatsanleihen eines Landes bieten einer Volkswirtschaft Finanzierungsquellen an, die die Ausgaben über das Gesamteinkommen hinaus erhöhen. Dem Nettokapitalimport steht somit ein Leistungsbilanzdefizit gegenüber. In den letzten Jahren hat die US-Adminis­tration immer wieder auf Steuervergünstigungen und Staatsausgabensteigerungen zurückgegriffen, was einem Rückgang der Kapitalimporte und somit des Leistungsbilanzdefizits im Weg steht. In der Folge wuchs die Staatsverschuldung zwischen dem vierten Quartal 2016 und dem vierten Quartal 2019 absolut betrachtet um 3,2 Billionen US-Dollar (FRED, 2020). Und auch die US-Staatsanleihen, die von ausländischen Wirtschaftssubjekten gehalten werden, sind in diesem Zeitraum um 14,0 Prozent oder 837,9 Milliarden US-Dollar auf 6,8 Billionen US-Dollar Ende 2019 gestiegen (FRED, 2020).

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Sicherlich wird US-Präsident Donald Trump in der aktuellen Wahlkampfdebatte nicht mehr versprechen, das Defizit in der Handels- oder der Leistungsbilanz abzubauen. Denn es ist eine Vielzahl an makroökonomischen Faktoren, die hier eine Rolle spielen. Solange die USA ihren expansiven fiskalpolitischen Kurs verfolgen und zudem noch die wichtigste Reservewährung der Welt stellen, ist es kaum denkbar, eine ausgeglichene Leistungsbilanz zu erreichen.

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