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Esther Chrischilles IW-Kurzbericht Nr. 26 27. Mai 2016 Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG): Ausbautempo bleibt hoch

Will ein Anlagenbetreiber, der Strom aus erneuerbaren Energien produziert, gefördert werden, muss er sich zukünftig darauf bewerben. Denn ab 2017 gibt der Gesetzgeber eine feste Menge an installierter Leistung vor, die im Jahr ans Netz gehen darf. Ziel ist es, den Ausbau insgesamt in den vorgesehenen Zielkorridoren zu halten. Kritiker sehen das Ende der Energiewende eingeläutet. Aufgrund des derzeitigen EEG-Entwurfs ist jedoch vielmehr mit einem Überschreiten des Zielkorridors zu rechnen. Weiterhin fehlt eine Beteiligung der Anlagenbetreiber am Preisrisiko.

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Ausbautempo bleibt hoch
Esther Chrischilles IW-Kurzbericht Nr. 26 27. Mai 2016

Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG): Ausbautempo bleibt hoch

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Will ein Anlagenbetreiber, der Strom aus erneuerbaren Energien produziert, gefördert werden, muss er sich zukünftig darauf bewerben. Denn ab 2017 gibt der Gesetzgeber eine feste Menge an installierter Leistung vor, die im Jahr ans Netz gehen darf. Ziel ist es, den Ausbau insgesamt in den vorgesehenen Zielkorridoren zu halten. Kritiker sehen das Ende der Energiewende eingeläutet. Aufgrund des derzeitigen EEG-Entwurfs ist jedoch vielmehr mit einem Überschreiten des Zielkorridors zu rechnen. Weiterhin fehlt eine Beteiligung der Anlagenbetreiber am Preisrisiko.

In Berlin wird um die letzten Paragrafen der Reform zum Erneuerbare-Energien-Gesetz gerungen. Im Kern der Reform steht, dass nicht mehr alle Anlagen, die Strom mittels Sonne, Wind oder auch Biomasse liefern, gefördert werden. Stattdessen werden die avisierten Mengen zukünftig ausgeschrieben: Nur noch die Produzenten, die besonders günstig liefern können, erhalten den Zuschlag. Die Idee: Förderkosten senken und Zielüberschreitungen vermeiden. Das ist angesichts der bisherigen Erfahrungen mit dem EEG auch dringend geboten. Seit 2009 haben sich die Förderkosten, die jedes Jahr auf die Stromverbraucher umgelegt werden, mehr als vervierfacht und belaufen sich in diesem Jahr auf beinahe 24 Milliarden Euro. Dazu hat auch beigetragen, dass die Dynamik des Zubaus in bestimmten Technologiesparten teilweise völlig ungesteuert erfolgte.

Beispiel Photovoltaik: In den Jahren 2010, 2011 und 2012 lag der jährliche Zubau bei weit über 7.000 Megawatt – beinahe das Vierfache des seinerzeit im Gesetz avisierten Werts. In einem langwierigen Prozess mussten die Vergütungssätze wiederkehrend angepasst werden bis in den letzten zwei Jahren wieder Zubauraten unter 2.000 MW erreicht wurden. Das ist nicht nur im Sinne der Stromverbraucher, die für die höheren Förderkosten aufkommen. Auch, damit der Netzausbau mit den erneuerbaren Energien Schritt halten kann, ist eine verlässliche Einhaltung des Zielkorridors notwendig.

Das Ziel der Bundesregierung im Energiekonzept aus dem Jahr 2010 sieht vor, dass der Anteil am Stromverbrauch, den erneuerbare Energien bis 2020 und 2030 decken sollen, auf 25 beziehungsweise 50 Prozent steigt. Mit der Reform des EEGs im Jahr 2014 wurden zudem Zwischenziele mit Ober- und Untergrenze festgelegt. Geht man von einer linearen Zielerreichung ab dem Jahr 2013 aus, ergeben sich für das Jahr 2020 Grenzen in Höhe von 32,6 beziehungsweise 37,6 Prozent. In der Begründung zum Entwurf des EEG 2014 war dieser Korridor explizit aufgeführt (Deutscher Bundestag, 2014).

Legt man jedoch die in den Entwürfen zum neuen EEG (BMWi, 2016a; 2016b, 2016c) veranschlagten Ausschreibungsmengen und darin enthaltene Annahmen zugrunde, würde der Korridor für 2020 mit 39,4 Prozent bereits deutlich überschritten. Erst für 2025 liefe der Ausbau wieder in den Zielkorridor hinein – mit 44,6 Prozent knapp unter die vorgesehene Obergrenze. Für die hier vorliegenden Rechnungen wurden im Wesentlichen die im Gesetz vorgegebenen Formeln zur Bestimmung der Strommengen aus erneuerbaren Energien bis 2025 übernommen, wo notwendig um eigene Annahmen ergänzt und außerdem eine feste Ausschreibungsmenge für Windenergie an Land – wie zuletzt diskutiert – von 2.500 MW angenommen. Die Bundesregierung hatte deshalb so viele Annahmen über den Anlagenbestand, dessen Auslastung, möglichen Rückbau und Neuanlagen in ihren Entwurf aufgenommen, da ursprünglich die Ausschreibungsmenge für Windenergie an Land eine Art Residualgröße (ermittelt durch die sog. „Weltformel“) sein sollte (BMWi, 2016b). Modifiziert man die im Gesetzentwurf veranschlagten Annahmen, wird deutlich, dass es eine Reihe von Unsicherheiten gibt, die ein weiteres Überschreiten der Korridore wahrscheinlich machen, beispielsweise bei den Annahmen zum Ausscheiden von einigen Anlagen nach einer bestimmten Betriebsdauer. Würden die Anlagen stattdessen einfach weiter betrieben, läge man im Jahr 2020 schon bei über 41 Prozent und 2025 bei rund 50 Prozent Anteil erneuerbare Energien.

Eine weitere Unsicherheit liegt in der Frage, wie sich der Zubau von Windenergie an Land in der Übergangsphase verhält. Bis 2018 können Anlagen unter bestimmten Voraussetzungen noch nach den alten Förderbedingungen gebaut und vergütet werden. Das nutzen Anlagenbetreiber erfahrungsgemäß gerne und es kommt zu sogenannten Vorzieheffekten. Die Bundesregierung geht davon aus, dass in den Jahren 2016, 2017 und 2018 rund 3.500, 2.800 und 2.200 Megawatt installiert werden. Käme es indes zu einem höheren Zubau, beispielsweise in der Größenordnung von 4.000 MW wie in 2014, hätte auch dies kurzfristig ein Überschreiten des Korridors um 3,1 Prozentpunkte zur Folge. Auch bei PV-Anlagen gelten großzügige Ausnahmeregelungen. Ausgeschrieben werden nur größere Anlagen über 1 Megawatt. Die machen aber gerade mal ein Viertel installierte PV-Leistung aus. Alle anderen Anlagen sollen auch weiterhin außerhalb von Ausschreibungen gefördert werden – mit entsprechender Unsicherheit über die tatsächlichen Zubauraten.

Eine weitere Unbekannte: Der Stromverbrauch. Würde beispielsweise das Stromeinsparziel der Bundesregierung erreicht, und bis 2020 10 Prozent weniger Strom verbraucht als noch 2008, hätte dies bis 2020 mit 42,5 Prozent eine noch deutlichere Zielüberschreitung zur Folge. Wird hingegen sukzessive eine Elektrifizierung beispielsweise des Wärme- oder Verkehrssektors erreicht, erscheint der Ausbau vergleichsweise moderat (Abschätzung des Stromverbrauchs auf Basis von IWES, 2015).

Tatsächlich liegt auch in der Art der Ausschreibungsmengen selbst eine Scheingenauigkeit: Da keine Strommenge, sondern eine bestimmte Anzahl an Megawatt ausgeschrieben wird – also eine Art Stromerzeugungspotenzial - ist die Anlagenperformance von entscheidender Bedeutung. Der Gesetzgeber schätzt, dass neue Windanlagen 2.200 Stunden im Jahr unter Volllast laufen. Aber sei es weil der Wind stärker bläst oder die Anlagen besser werden: Laufen neuere Windenergieanlagen besser als gedacht, zum Beispiel 3.000 Stunden, könnte sich der Anteil erneuerbarer Energien 2025 bereits bei 48 Prozent bewegen. Ein Wert, der bei neuen Anlagengenerationen durchaus denkbar ist (Abschätzung nach Agora Energiewende, 2013; IE, 2015).

Der derzeitige Entwurf des EEGs in Verbindung mit einem festen Ausschreibungskontingent für Windenergie legt also nahe, dass die avisierten Ausbauziele zumindest kurzfristig eher über- als unterschritten werden. Von einem Ausbremsen der Energiewende kann daher kaum die Rede sein. Das liegt zum Teil an beeinflussbaren Parametern, wie fragwürdigen Annahmen zu Anlagenauslastung oder Rückbau oder auch Ausnahmeregelungen in Bezug auf Übergangszeiten oder Bagatellgrenzen für Ausschreibungen. Hier muss gegebenenfalls nachgesteuert werden, zumindest aber müssten diese Annahmen fortwährend überprüft und angepasst werden.

Davon abgesehen liegt eine Treffunsicherheit aber auch im Ausschreibungsdesign selbst begründet. Es wird zwar feste eine Menge an elektrischer Leistung ausgeschrieben, aber über die Auslastung und Betrieb der Anlagen besteht notwendigerweise eine gewisse Unsicherheit. Umso wichtiger ist es vor diesem Hintergrund, Anlagenbetreiber stärker am Preisrisiko zu beteiligen, um deren Betriebsverhalten positiv zu beeinflussen. Dahingehend lässt das Gesetz ebenso viel Mut vermissen wie bei dem notwendigen Wettbewerb erneuerbarer untereinander. Konsequenter wäre es, schrittweise eine Gesamtmenge auszuschreiben, um die alle Technologien konkurrieren. Das hätte den Vorteil, dass sich tatsächlich die kostengünstigste Technologie durchsetzen kann.

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