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Alevtina Krotova IW-Kurzbericht Nr. 14 19. Februar 2020 Europäischer Daten(T)raum: Was deutsche Unternehmen an einem Datenaustausch hindert

Am 19. Februar veröffentlicht die EU-Kommission ihre Datenstrategie. Zentral ist die Vision eines gemeinsamen europäischen Datenraums, der in kleine sektorale Datenräume unterteilt ist. Ein umfassendes Konzept soll die Bereitstellung und den Austausch von Daten in der EU stärken. Viele Hemmnisse für den Austausch von Daten, die aus der Sicht der deutschen Unternehmen bestehen, werden in der Strategie adressiert.

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Was deutsche Unternehmen an einem Datenaustausch hindert
Alevtina Krotova IW-Kurzbericht Nr. 14 19. Februar 2020

Europäischer Daten(T)raum: Was deutsche Unternehmen an einem Datenaustausch hindert

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Am 19. Februar veröffentlicht die EU-Kommission ihre Datenstrategie. Zentral ist die Vision eines gemeinsamen europäischen Datenraums, der in kleine sektorale Datenräume unterteilt ist. Ein umfassendes Konzept soll die Bereitstellung und den Austausch von Daten in der EU stärken. Viele Hemmnisse für den Austausch von Daten, die aus der Sicht der deutschen Unternehmen bestehen, werden in der Strategie adressiert.

Die Europäische Union mit ihren 27 Staaten verfügt über einen riesigen Datenpool. Allerdings kann das volle Potenzial dieser Daten erst vollständig ausgeschöpft werden, wenn alle Mitgliedsstaaten ihre Daten zur gemeinsamen Nutzung bereitstellen. Die EU-Kommission stellt daher heute ihre Datenstrategie vor, deren Ziel es ist, Europa mit Hilfe von Daten in die Lage zu versetzen, sich als gleichwertiger Wettbewerber der USA und Chinas in puncto Zukunftstechnologien, wie Künstliche Intelligenz oder Edge Computing, zu etablieren (Europäische Kommission, 2020). In der Datenstrategie werden die Meilensteine und das geplante Investitionsvolumen für die Entwicklung einer europäischen Datenwirtschaft in den kommenden fünf Jahren definiert. Die EU-Kommission strebt die Errichtung eines europäischen Datenraums an — unterteilt in kleinere sektorale Datenräume, in dem öffentliche, personenbezogene Daten sowie Unternehmensdaten (beispielsweise Sensordaten) unter der Berücksichtigung der europäischen Gesetze und Werte getauscht werden können.

Aus der Sicht deutscher Unternehmen bestehen aktuell einige Hemmnisse für die Implementierung eines europäischen Datenraums, wie eine repräsentative Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft und der IW Consult im Rahmen einer Studie für das DEMAND-Projekt zeigt (Azkan et al., 2019; siehe Abbildung). In diesem Kurzbericht wird untersucht, inwiefern diese Hemmnisse in der EU-Datenstrategie adressiert werden.

Hemmnis Eigentum an Daten: Als größtes Hemmnis für den Datentausch geben Unternehmen, die grundsätzlich bereit sind, Daten zu tauschen, das Eigentumsrecht (83,1 Prozent) an. Trotz der riesigen Mengen an Daten, die in Unternehmen gespeichert werden, sind die Eigentumsrechte für Daten immer noch eine Grauzone. So existiert mit der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zwar ein Gesetz zum Umgang mit personenbezogenen Daten. Ein entsprechendes Gegenstück für nicht-personenbezogene Daten gibt es allerdings nicht, so dass Unternehmen in der Praxis individuelle vertragliche Lösungen treffen. Der bestehende Rechtsrahmen reicht jedoch nicht aus, um alle rechtlichen Aspekte des Eigentums an Daten abzudecken (Rusche/Scheufen, 2018). Diese Situation führt dazu, dass Unternehmen zögern, ihre Daten zu handeln.

Adressierung in der EU-Datenstrategie:
In einem sogenannten Data Act, der bis zum Jahr 2021 eingeführt werden soll, soll eine Klärung von Nutzungsrechten für kollaborativ erzeugte Daten (zum Beispiel im Bereich Internet der Dinge) sowie der Regeln für die gesetzliche Haftung bei der Nutzung von Daten erfolgen.

Hemmnis Datenschutz: Eine weitere Hürde beim Datenaustausch, die 82,4 Prozent der befragten Unternehmen nennen, ist der Datenschutz. Die seit dem Jahr 2018 geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hatte die Stärkung der Grundrechte natürlicher Personen innerhalb der EU und den Schutz personenbezogener Daten zum Ziel. Mit der Umsetzung der Verordnung fühlen sich viele Unternehmen auch zum Ende der gewährten Übergangsfrist von zwei Jahren jedoch überfordert (Dehmel/Kelber, 2019). Als den größten Nachteil der DSGVO nennen Unternehmen den hohen Aufwand für die Umsetzung(Engels/Scheufen, 2020).

Adressierung in der EU-Datenstrategie:
Die DSGVO soll weiterhin als die rechtliche Grundlage für einen Datentausch von personenbezogenen und sensiblen Daten in der EU dienen. Dennoch sind punktuelle Anpassungen des Gesetzes erforderlich. So sollen die EU-Bürger ihre Daten einfacher zu Forschungszwecken (beispielsweise in der Medizin) bereitstellen können. Darüber hinaus soll das Fehlen technischer Instrumente und Standards zur einfachen und weniger aufwendigen Ausübung der Rechte der Bürger im Rahmen der DSGVO behoben werden. Auch das Recht auf Portabilität soll praxistauglicher werden. Konkrete Maßnahmen zur Lösung dieser Problemfelder werden allerdings nicht genannt.

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Hemmnis fehlender Nutzen des Datenaustausches: Insgesamt 73,7 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, keinen klaren Nutzen in einem Datenaustausch zu sehen. Die Hebung der Innovationspotenziale und die Schaffung gemeinsamer europäischer Datenräume, die die EU-Kommission in ihrer Datenstrategie anstrebt, können allerdings nur erfolgen, wenn Unternehmen diese Potenziale erkennen.

Adressierung in der EU-Datenstrategie:
Die Problematik, dass Unternehmen häufig keinen Nutzen in einem Datenaustausch mit anderen wirtschaftlichen Akteuren sehen, wird in der EU-Datenstrategie nur indirekt adressiert. So sollen mithilfe vom Data Act „existierende Hürden für den freiwilligen Datenaustausch identifiziert und behoben werden“. Davon abgesehen soll die Bedeutung von Daten für die digitale Wirtschaft weiterhin vom sogenannten Observatorium der Online-Plattform-Wirtschaft analysiert werden.

Hemmnis fehlende Standards: 72,1 Prozent der befragten deutschen Unternehmen gaben fehlende Standards als das aus ihrer Sicht größte Hemmnis für einen Datenaustausch an. Dabei sind Standards eine wichtige Voraussetzung für die Digitalisierung von Unternehmen (Engels, 2017). Aktuell gibt es keine allgemeingültigen definierten Standards für den Datenaustausch, vielmehr existiert eine große Menge an einzelnen Insellösungen. Deshalb ist keine Interoperabilität der Dateninfrastruktur gewährleistet, so dass Unternehmen beim Datenaustausch vor technischen und organisatorischen Hürden stehen, deren Überwindung unter Umständen hohe Kosten verursacht.

Adressierung in der EU-Datenstrategie:
Bis zum vierten Quartal dieses Jahres soll ein Rechtsrahmen für die Governance gemeinsamer europäischer Datenräume geschaffen werden. Der Rechtsrahmen soll unter anderem einen Mechanismus beinhalten, der bei der Priorisierung von Standardisierungsaktivitäten hilft, sowie für eine bessere Beschreibung von Datensätzen sorgt. Dies soll eine stärkere Interoperabilität von Daten innerhalb der und zwischen den Branchen ermöglichen.

Auch weitere Hemmnisse, wie fehlende Expertise, fehlende Marktplätze oder fehlende Infrastruktur, werden direkt oder indirekt in der EU-Strategie, vor allem als Teil des angekündigten Data Acts, adressiert.

Fazit

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die EU-Datenstrategie ein richtiges Signal seitens der EU ist, um die Datenwirtschaft in Europa zu fördern. Für viele Hemmnisse, die deutsche Unternehmen noch am Datenaustausch hindern, werden in der Datenstrategie bereits erste Lösungsvorschläge angeboten. Jetzt muss es darum gehen, diese Vorschläge schnell und nachhaltig umzusetzen. Einige der Hemmnisse dagegen, wie beispielsweise der unklare Nutzen des Datenaustauschs, werden in der Datenstrategie nur indirekt angesprochen oder erhalten noch keine konkreten Lösungsansätze. Es ist weitere Forschung notwendig, um die Bedürfnisse und Einschränkungen der Unternehmen in Bezug auf die Teilhabe an der Datenökonomie und dem Datentausch zu konkretisieren und daraus Maßnahmen ableiten zu können.

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