Die Familienministerin will die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf erleichtern. Doch die geplante Familienpflegezeit bedeutet für kleinere Unternehmen ein kaum kalkulierbares Risiko. Die wahren Probleme der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege löst das Vorhaben ohnehin nicht.
Kaum mehr als Kosmetik
Die Familienministerin will es berufstätigen Angehörigen besonders einfach machen, Angehörige selbst zu pflegen: Neben dem sogenannten „Pflegeunterstützungsgeld“, das im Fall einer bis zu zehntägigen beruflichen Auszeit gewährt wird, will sie Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit einräumen. Bis zu zwei Jahre dürfte ein Beschäftigter seine Arbeitszeit damit für die Familienpflege reduzieren, ohne den Arbeitsplatz zu verlieren. Reicht das verbleibende Familieneinkommen nicht aus, soll ein zinsloses Darlehen des Ministeriums den Verdienstausfall auffangen.
Bisher galt die Familienpflegezeit als freiwillige Leistung der Betriebe. Doch nach Ansicht des Ministeriums wird sie zu selten in Anspruch genommen – deshalb jetzt also der Rechtsanspruch.
Allerdings ist die Familienpflegezeit gerade für kleine und mittlere Betriebe teuer und kaum umzusetzen. Denn für diese Firmen ist es besonders schwierig, passendes Ersatzpersonal zu finden – für exakt die richtige Stundenzahl mit identischem Knowhow und lediglich für einen befristeten Zeitraum.
Das scheint auch das Ministerium verstanden zu haben, weshalb der Anspruch nur für Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten gelten soll. Damit wären zwar rund 93 Prozent der Arbeitgeber nicht von der Regelung betroffen. Doch sie beschäftigen auch nur etwas mehr als ein Fünftel aller Beschäftigten. Andere kleinere Unternehmen träfe der Rechtsanspruch indes mit voller Wucht. Denn wie soll ein Mittelständler mit etwas mehr als 15 Mitarbeitern wirtschaftlich planen, wenn er nicht abschätzen kann, wie lange die Pflegesituation bei einem freigestellten Mitarbeiter andauert?
Doch auch für Arbeitnehmer ist der Anspruch auf Familienpflegezeit kaum mehr als Kosmetik: Pflegebedürftigkeit dauert in vielen Fällen länger als zwei Jahre. In diesem Fall muss dann ein alternatives Pflegearrangement gefunden und bezahlt werden – und zusätzlich eventuell das zinsfreie Darlehen getilgt werden. Das Gesetz bietet hier keine Lösung.
Wichtig bleibt also nach wie vor die private und frühzeitige Vorsorge für den Pflegefall – dazu gehören familien- genauso wie betriebsinterne Absprachen für den Fall der Fälle. Politischer Aktionismus ist hier fehl am Platz.
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