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Präventionsgesetz IW-Nachricht 6. November 2014

Die Formel geht nicht auf

Der Gesundheitsminister setzt mit seinem geplanten Präventionsgesetz auf die einfache Formel: Mehr Regulierung und mehr Geld gleich mehr Gesundheit. Doch der ökonomische Effekt seines Plans ist fraglich.

Ob Ernährung, Früherkennung von Krankheiten oder Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz – die Vermutung liegt nahe, dass mehr Prävention langfristig die Ausgaben für das Gesundheitswesen senken kann. Mit dieser Hoffnung jedenfalls begründet der Gesundheitsminister seinen Entwurf zu einem Präventionsgesetz, mit dem er den Krankenkassen zusätzliche Präventionsanstrengungen verordnen möchte.

Doch zunächst kostet zusätzliche Prävention Geld – nach den Vorstellungen des Gesundheitsministeriums bis zu 240 Millionen Euro pro Jahr. Mit diesen Mitteln sollen die Kassen insbesondere die „Prävention in den Lebenswelten“ stärken – also in Kindergärten und Schulen genauso wie in Betrieben.

Doch was so einfach klingt, birgt manches Problem:

  • Bei der sogenannten Primärprävention, also der Vermeidung von Krankheiten durch gesundheitsbewusstes Verhalten, ist die Studienlage dünn und der ökonomische Effekt keineswegs immer klar. Zwar weisen einige Studien darauf hin, dass präventive Maßnahmen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben. Die Frage nach den Kosten stellen aber die Wenigsten – darauf verweisen sogar die im Gesetzentwurf zitierten Quellen. Doch genau hier liegt der Hund begraben: Dass sich Präventionsmaßnahmen grundsätzlich selbst finanzieren oder sogar mehr nutzen als sie kosten, ist keinesfalls sicher.
  • Aktuell werden im Durchschnitt 3,81 Euro pro Versicherten und Jahr für Prävention ausgegeben. Doch woher wissen wir, dass 7 Euro optimal wären, wie es der Gesetzesentwurf vorsieht? Vielleicht sind bereits 4 Euro schon zu viel – gemessen an den Kosten und dem Erfolg präventiver Maßnahmen.
  • Geht es hingegen um die gesundheitliche Aufklärung, stellt sich die Frage, warum nur die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen belangt werden sollen. Schließlich kommt der Nutzen gesundheitlicher Aufklärung allen zugute. Deshalb sollte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nicht mit 35 Millionen Euro aus Beitragsmitteln unterstützt werden. Vielmehr ist es eine ihrer Kernaufgaben, dies aus dem steuerfinanzierten Budget zu leisten. Und wenn der Aufgabenkatalog erweitert wird, dann ist der Finanzminister gefragt, nicht der Beitragszahler.
  • Unter dem Stichwort „Prävention in den Lebenswelten“ gerät zudem völlig außer acht, was die Unternehmen bereits heute leisten. Schließlich finanzieren die Arbeitgeber in Deutschland die gesetzliche Unfallversicherung. Und deren Träger, die Berufsgenossenschaften, kümmern sich seit Jahrzehnten erfolgreich um die Gesundheit der Belegschaften. Dazu entwickeln sie die Standards etwa im Umgang mit Gefahrstoffen ständig weiter, überwachen die Einhaltung einschlägiger Vorschriften in den Betrieben und schulen nicht zuletzt Sicherheitsbeauftragte in den Unternehmen. Jährlich fließen mehr als eine Milliarde Euro aus dem Etat der Berufsgenossenschaften in diese Form der Prävention – noch nicht eingerechnet jene gesundheitlichen Verbesserungen, die etwa durch die Anschaffung ergonomischer Büromöbel oder eines betrieblichen Gesundheitsmanagements entstehen.

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