Die beschlossenen Corona-Hilfen senden ein starkes Signal in die Welt und kommen besonders der Industrie zugute. Doch haben die langen Verhandlungen deutliche Spuren hinterlassen: Einige Kompromisse sind kaum zielführend und äußerst fragwürdig.
EU-Gipfel: Aufbaufonds hilft der deutschen Wirtschaft
Nach tagelangem Ringen konnten sich die Staats- und Regierungschefs endlich auf einen Aufbaufonds einigen und auch der Finanzrahmen bis 2027 steht fest. Ganz unabhängig von der genauen Ausgestaltung sendet die Einigung ein unmissverständliches Bild in die Welt: Europa steht zusammen und ist handlungsfähig, trotz sehr unterschiedlicher Positionen. Das schafft wichtiges Vertrauen in Zeiten der Krise und stabilisiert die Märkte. Der DAX hat die 13.000 Punkte Marke wieder deutlich hinter sich gelassen und kratzt bereits am Allzeithoch. Die frohe Botschaft wird gerade der exportorientierten deutschen Industrie zugutekommen, denn wirtschaftlich starke Nachbarn kaufen mehr ein. Und dass vor allem die von der Pandemie stark betroffenen südeuropäischen Staaten nun kräftig unterstützt werden, ist ebenfalls ein Erfolg.
Mitglieder üben Kontrolle aus
Ursprünglich sollte die EU-Kommission allein die Mittelvergabe überwachen und prüfen. Doch nun hat sich Brüssel darauf geeinigt, dass die Mitgliedsstaaten mehr Kontrolle haben sollen: Wer Geld aus dem Hilfsfonds beantragt, braucht nunmehr eine Zustimmung der Kommission und eine qualifizierte Mehrheit im EU-Finanzministerrat. Hat ein Mitgliedstaat ernste Bedenken, kann er die Auszahlung von Tranchen verzögern und die Pläne des Antragsstellers bei den Staats- und Regierungschefs auf höchster Ebene zur Diskussion stellen. Ein echtes Veto, wie es die Niederlande gefordert hatte, wird es dagegen nicht geben. Erstmals sind Auszahlungen nun auch an Rechtsstaatlichkeitskriterien geknüpft. Doch diese sind im Gegensatz zur Ursprungsfassung so vage, dass sie kaum Wirkung erzielen werden. Ungarn und Polen haben sich damit weitgehend durchgesetzt.
Ungedeckter Scheck auf die Zukunft
Auch andere Kompromisse sind schwammig und fragwürdig: Es ist zum Beispiel unklar, wie die Schulden später zurückgezahlt werden. Die EU will zum Teil eigene Einnahmen nutzen, um den Schuldenberg abzubauen – Instrumente wie eine Plastiksteuer, eine klimaschutzbezogene Grenzabgabe oder eine Digitalsteuer kommen immer wieder zur Sprache, doch beschlossen ist davon nichts. Es droht die Gefahr, dass neue Schulden aufgenommen werden, um die alten zu tilgen. Das ist ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft. Außerdem haben rund 70 Prozent der Auszahlungen nichts mit der Pandemie zu tun, weil sie nach Kriterien der Jahre 2016 bis 2019 vergeben werden. Die Staats- und Regierungschefs haben quasi einen zweiten EU-Haushalt neben den ersten gestellt. Das ist zum Teil verständlich, weil die Krise noch länger nachwirken wird. Doch wenn nun so viel mehr Mittel für die nächsten drei Jahre zur Verfügung stehen, hätte man stärker auf die Zukunft Europas setzen müssen und nicht auf die Vergangenheit: Die Agrarförderung bleibt bis 2027 viel zu hoch, während Gelder für Forschung, Infrastruktur und Grenzschutz viel zu gering sind. Das ist eine vertane Chance.
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