Rekordbeschäftigung, sinkende Langzeitarbeitslosigkeit, steigende Realeinkommen und eine recht stabile Verteilung – die positiven Entwicklungen der Jahre vor der Pandemie spiegeln sich auch im sechsten Armuts- und Reichtumsberichts (ARB) wider, der heute dem Bundeskabinett vorgelegt wurde. Eine Einordnung der wichtigsten Ergebnisse.
Armut- und Reichtumsbericht: Größtenteils gute Nachrichten
Das Bundeskabinett hat heute den Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht (6. ARB) beschlossen. Der Bericht gibt ein Mal pro Legislaturperiode einen Überblick darüber, wie sich beispielsweise das Armutsrisiko entwickelt hat. Der Bericht zeigt zahlreiche gute Entwicklungen auf:
1. Beschäftigung
Die Arbeitslosigkeit verringerte sich, die Beschäftigungssicherheit stieg und auch die Anzahl langzeitarbeitsloser Menschen ging zurück, von 1,14 Millionen Menschen im Jahr 2010 auf 727.000 in 2019. Der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen, die so genannte Lohnquote, hat insbesondere seit 2017 gegenüber den Unternehmens- und Vermögenseinkommen überdurchschnittlich stark zugenommen und liegt nun wieder auf dem Niveau der 1990er Jahre.
2. Einkommen
Das vergangene Jahrzehnt war von einem deutlichen Einkommenswachstum geprägt. Nach einem vorherigen Anstieg der Ungleichheit konstatiert der Bericht für den Zeitraum seit 2005 eine weitestgehend stabile Entwicklung der Einkommensungleichheit. Die aktuellsten Daten der Haushaltsbefragung SOEP, die noch nicht berücksichtigt wurden, verdeutlichen das starke und breitflächige Einkommenswachstum ab dem Jahr 2015 (Abbildung): So sind seitdem die bedarfsgewichteten realen Haushaltsnettoeinkommen der unteren zehn Prozent um rund sieben Prozent gestiegen (1. Dezil), in der Mitte (5. Dezil) ebenfalls um rund sieben Prozent und bei den oberen zehn Prozent um rund fünf Prozent.
3. Armut
Die Armutsgefährdungsquote (auch Niedrigeinkommensquote) ist zwischen 2005 und 2017 von 13,8 auf 16,1 Prozent angestiegen, wobei der Anstieg vor allem in den Jahren 2012 bis 2015 stattfand. Mit der positiven Einkommensentwicklung auch im unteren Einkommensbereich zeigt sich seither keine weitere Erhöhung. Dabei ist zu beachten: Mit dem steigenden Medianeinkommen ist die Schwelle gestiegen, ab der ein Haushalt als armutsgefährdet gilt, von 1.037 Euro im Jahr 2005 auf 1.168 Euro im Jahr 2017 (in Preisen von 2017). Dabei schaffte es knapp die Hälfte der Niedrigeinkommensbezieher im Zeitraum zwischen 2006 und 2016, den Niedrigeinkommensbereich nach spätestens fünf Jahren wieder zu verlassen. Der Anteil derjenigen, die unter materiellen Entbehrungen leiden, ist zwischen 2010 und 2019 beinahe kontinuierlich gesunken.
4. Vermögen
Die mittleren Vermögen sind seit der Finanzkrise spürbar gestiegen. Die Indikatoren zur Vermögensungleichheit deuten in der letzten Dekade auf eine stabile bis leicht sinkende Entwicklung hin. Eine Befragung der Hochvermögenden impliziert gegenüber den Ursprungsdaten erwartungsgemäß eine höhere Vermögensungleichheit – die Top-Vermögensanteile liegen jedoch im Bereich der Kennziffern bisheriger Studien, die hohe Vermögen mit Hilfe von Reichenlisten dazu schätzen. Eine steigende Nettovermögensungleichheit lässt sich daraus nicht ableiten.
5. Corona-Krise
Mit Blick auf die möglichen Auswirkungen der Corona-Pandemie geht das BMAS in seiner Pressemitteilung zum Bericht auf Basis der ersten vorliegenden Forschungsergebnisse davon aus, „dass die Sozialschutzpakete bislang negative Verteilungseffekte weitgehend vermieden haben“. Auch eine IW-Studie hatte gezeigt, dass die Corona-Krise Ungleichheiten in Erwerbseinkommen und Markteinkommen tendenziell erhöhen wird, dieser Anstieg jedoch durch die sozialstaatlichen Maßnahmen effektiv abgefedert wird.
6. Subjektive Wahrnehmung
Die überwiegend positive Entwicklung vieler Indikatoren vor der Corona-Pandemie spiegelt sich auch in einer positiven Einschätzung der eigenen Lage wider. Gleichzeitig werden gesellschaftliche Entwicklungen deutlich pessimistischer wahrgenommen, als sie laut Datenlage eigentlich sind. Die fehlende Anerkennung positiver Entwicklungen kann jedoch die Entfremdung von staatlichen wie auch politischen Institutionen begünstigen. Problemlagen gilt es ernst zu nehmen, wünschenswert ist aber auch, dass die zahlreichen positiven Entwicklungen Widerhall in der Berichterstattung finden.
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