Die Bundesregierung hat Sorge, dass der deutsche Wohnimmobilienmarkt überhitzt. Sie möchte deshalb die Kreditvergabe an Häuslebauer stärker regulieren. Im Interview erklärt IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer, warum er das Vorhaben ablehnt.
"Wir sehen immer nur die Risiken"
Herr Professor Voigtländer, die Bundesregierung hat Sorge vor einer Immobilienblase und möchte deshalb die Kreditvergabe an Häuslebauer stärker reglementieren. Sehen Sie dazu die Notwendigkeit?
Die Wohnimmobilienpreise sind in den letzten Jahren stark gestiegen, besonders in den Großstädten, aber ich sehe noch keine Überhitzung. Letztlich sind die Preisanstiege gut zu begründen, weil es einfach am Wohnungsbau in den Großstädten fehlt, andererseits die Nachfrage nach Wohnraum sehr hoch ist. Preissteigerungen sind daher folgerichtig.Vor allem aber ist die Kreditvergabe immer noch moderat. In anderen Ländern haben wir im Vorfeld einer spekulativen Blase eine sehr expansive Kreditvergabe erlebt, teilweise haben sich die Kreditbestände binnen weniger Jahre verdoppelt. In Deutschland wachsen die Kreditbestände dagegen langsamer als die Preise.
Wie ist es um den deutschen Wohnimmobilienmarkt und dessen Finanzierung bestellt?
Das deutsche Immobilienfinanzierungssystem gilt im internationalen Vergleich als besonders stabil und sicher. Dies hat sich trotz ultraniedriger Zinsen nicht geändert. Nach vorliegenden Daten befindet sich der durchschnittliche Beleihungsauslauf – also der Darlehensbetrag im Verhältnis zum Beleihungswert einer Kreditsicherheit – immer noch bei unter 80 Prozent. Die Haushalte wählen Zinsbindungen von zehn Jahren und mehr und vor allem wählen sie hohe anfängliche Tilgungen, durchschnittlich fast 3 Prozent pro Jahr. Bei einer spekulativen Blase würden die Tilgungen deutlich zurückgehen, da man nur auf den Wiederverkaufserlös schielt – die Deutschen scheinen dagegen mehrheitlich langfristig mit den Immobilien zu planen.
Was genau empfiehlt der Ausschuss für Finanzstabilität?
Der Ausschuss für Finanzstabilität empfiehlt der Bundesregierung die Einführung sogenannter makroprudenzieller Instrumente in der Immobilienfinanzierung. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, Grenzen für die Finanzierung einzuführen. Hierzu gehören Grenzen beim Beleihungsauslauf, Grenzen beim Verhältnis der Einkommen zur Gesamtverschuldung, Grenzen beim Verhältnis von Zinszahlungen zum Einkommen und Auflagen für die Tilgungshöhe. Beispielsweise könnten so zukünftig 100-Prozent-Finanzierungen untersagt werden.
Warum sehen Sie das kritisch?
Seit der Finanzkrise wird sehr einseitig auf die Robustheit der Banken geschaut. Banken haben aber auch eine volkswirtschaftliche Funktion, sie sollen Finanzierungen ermöglichen. Wenn zwei Vertragspartner einen Kredit vereinbaren, sollte es gute Gründe geben, diesen Vertrag zu untersagen. Diese Gründe kann ich derzeit nicht erkennen. Es muss weiterhin möglich sein, auch einmal risikobehaftete Kredite zu vergeben, die Einschätzung der Risiken ist ja gerade eine Kernkompetenz der Banken. Durch die höheren Eigenkapitalanforderungen sollten die Banken auch in der Lage sein, Risiken zu tragen.
Wer wäre auf Kundenseite von den neuen Regeln besonders betroffen?
Unsere Analyse von Daten der Europäischen Zentralbank zeigt, dass vor allem Haushalte mit höheren Einkommen und höheren Vermögen hoch auslaufende Finanzierungen wählen. Dies gilt im Wesentlichen auch für höhere Schuldendienste, die Kombination beider Elemente gibt es übrigens kaum. Letztlich wären zum Beispiel Haushalte mit guten Einkommen betroffen, die vielleicht aufgrund ihrer bisher kurzen Berufstätigkeit noch nicht sparen konnten.
Spielt der Immobilienmarkt in Deutschland für die Finanzstabilität eine so große Rolle, dass er eigens reguliert werden muss?
Rund 50 Prozent aller Kredite in Deutschland werden mit Immobilien besichert, der Markt spielt also schon eine gewichtige Rolle. Die Immobilienfinanzierung war aber immer ein Stabilitätsanker, sodass eine zusätzliche Regulierung – neben den schon bestehenden Regulierungen – redundant erscheint.
Welche Folgen hätten die neuen Regeln für die Banken?
Das große Problem der Banken ist im Moment ihre Profitabilität. Schließlich sind in Zeiten niedriger Zinsen die Margen sehr gering. Im Bereich höherer Beleihungsausläufe können die Banken noch Gewinne realisieren, die sie dringend brauchen, um ihr Eigenkapital zu erweitern. Nimmt man ihnen nun mehr und mehr Geschäftsmöglichkeiten, wird es umso schwerer, die Eigenkapitalanforderungen nach CRD IV zu erfüllen.
Mit welchen Effekten müssten Mittelstand und Privatkunden rechnen?
Der Zugang zu Krediten wird immer schwieriger. Der Erwerb von Wohneigentum ist aktuell sehr attraktiv, weil die Zinsen deutlich stärker gefallen sind, als die Preise gestiegen sind. Die Alterssicherung kommt mehr und mehr unter Druck, sodass die Rolle des Wohneigentums in der Altersvorsorge wichtiger wird. Aber nur die 20 Prozent einkommensstärksten Haushalte haben ihre Wohneigentumsquote erhöht, bei allen anderen stagniert die Quote. Aufgrund der Hypothekarkreditrichtlinie sind die Banken bereits vorsichtiger geworden. Nun könnten weitere Beschränkungen folgen, sodass es immer schwieriger wird, Immobilieneigentümer zu werden.
Eben erst wurde in Deutschland die von Ihnen bereits angesprochene Wohnimmobilienkreditrichtlinie umgesetzt. Auch die auf Basel III beruhende EU-Gesetzgebung enthält zahlreiche Paragrafen zur Regulierung des Immobilienmarkts. Nun soll mit den makroprudenziellen Instrumenten noch einmal draufgesattelt werden. Sind die auf die bestehenden Regeln abgestimmt?
Leider nein. Derzeit scheint das Motto zu sein: „Viel hilft viel“. Das Bankensystem ist aber überaus komplex und es drohen aus dem Zusammenspiel der vielen Regulierungen neue Probleme zu entstehen. Ganz problematisch wäre es, wenn die Regulierungen darauf hinausliefen, die Wettbewerbsfähigkeit der Banken soweit einzuschränken, dass Kredite mehr und mehr über Schattenbanken vergeben werden, also etwa Fonds. Dann entstehen neue Risiken, die wir kaum noch kontrollieren könnten. Dies ist zumindest ein Vorteil der neuen makroprudenziellen Instrumente: Sie sollen für alle Finanzierungen gelten.
Welche Konsequenzen sollten Bundesregierung und EU-Gesetzgeber daraus ziehen?
Ich würde dafür plädieren zunächst abzuwarten, wie sich der Markt durch die Einführung von CRD IV ändert. Schon hier müssen wir beobachten, ob man nachsteuern muss, weil etwa durch die Liquiditätsanforderungen Anreize entstehen könnten, Zinsbindungen zu reduzieren. Die Erfahrungen zeigen doch, dass es vor allem mit komplexen Finanzprodukten Probleme gab. Entsprechend möchte man den Sektor einfacher und transparenter machen, doch mit der Regulierung erreicht man nur das Gegenteil. Umso dringlicher erscheint es mir, eine Regulierungspause einzulegen und im Rahmen von Best-Practice Analysen zu prüfen, welche Regulierungen sich wirklich bewähren.
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