Nach dem Katastrophenjahr 2020 dominiert in der deutschen Wirtschaft vorsichtiger Optimismus. Das zeigt eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft unter mehr als 2200 Firmen in 43 Branchenverbänden. Der Optimismus sei angebracht, sagt IW-Direktor Michael Hüther im Gespräch mit dem Handelsblatt.

„Nicht nur die Digitalbranchen kommen robust durch die Krise“
Herr Professor Hüther, erinnern Sie sich, wie Sie vor einem Jahr nach vorne geschaut haben?
Die Zuversicht dominierte, dass die bereits seit 2018 laufende Industrierezession 2020 ihr Ende findet.
Richtig, aber dann kam alles anders. 2020 war das Jahr des Homeoffice und der digitalen Konferenzen, die selbst in vielen Schulen zum Alltag gehören.
Löst die Pandemie den erhofften Digitalisierungsschub aus?
Einiges wird in Nach-Corona-Zeiten bleiben. In den Unternehmen sehen viele, dass sich nicht für jedes Treffen eine Anreise lohnt. Andererseits ist das Sich-Sehen und -Treffen nicht dasselbe, wie in Online-Konferenzen zu sprechen. Das wird auch die Pandemie nicht ändern. Zudem: Was knapp wurde – der direkte persönliche Austausch –, wird neu geschätzt.
Die Massenimpfungen beginnen, ist Optimismus für 2021 angebracht?
Ja, ich denke schon. Corona ist für die Finanzmärkte nur noch im Rückspiegel sichtbar, und diese Sichtweise ist mit Blick auf die Industrie berechtigt. Mit den Impfungen bekommen wir den entscheidenden Hebel, um das öffentliche Leben zu normalisieren. Das ist die Voraussetzung für die Erholung des Konsums im neuen Jahr.
Welche Branchen kommen schnell, welche langsamer aus der Krise heraus?
Nicht nur die Digitalbranchen, auch der Baubereich und das Handwerk kommen robust durch die Krise. Komplizierter sieht es im Automobilsektor aus. Nach Corona geht es darum, den Strukturwandel samt emissionsfreiem Fahren zu bewältigen. Sehr lange werden Branchen wie die Luftfahrt brauchen. Oder der Schiffsbau mit seinen Premiumprodukten wie den Luxus-Kreuzfahrtschiffen. Hier dauert die Normalisierung noch Jahre bis möglicherweise 2025.
Wird es Nachholeffekte geben, weil die Menschen mehr feiern, reisen und fliegen?
Beim Flugverkehr für den Tourismus wird es sicher Nachholeffekte geben, Auslandsreisen werden sehr gefragt sein. Anders wird es im geschäftlichen Bereich sein, weil nicht jeder mehr für ein zweistündiges Routinetreffen anreisen wird.
Wenn Sie ein Jahr in die Zukunft blicken: Wie viel Krise liegt hinter uns?
Die Pandemie liegt hoffentlich komplett hinter uns. In einem Jahr werden Fragen des Strukturwandels dominieren, etwa die bis 2030 beabsichtigte CO2-Minderung um 55 Prozent. Wie reagieren wir darauf in energieintensiven Branchen und im Automobilbereich? Darauf werden Antworten gesucht werden.
Sorgen Sie sich wegen der finanziellen Langfristfolgen angesichts der milliardenschweren Hilfsprogramme?
Die Schuldenquote steigt in Deutschland, aber nicht so stark wie in der Finanzkrise vor zehn Jahren. Zudem zahlt der Staat keine Zinsen für seine neuen Schuldscheine; das dürfte infolge des alterungsbedingten Sparens vorerst so bleiben. Es gibt keinen Grund für eine übereilte, volkswirtschaftlich belastende Tilgung.
Also keinen neuen Soli?
Um Himmels willen. Für einen neuen Soli, einen Lastenausgleich oder andere Sonderabgaben gibt es überhaupt keinen Grund. Viel wichtiger sind Investitionen, etwa in kluge digitale Geschäftsmodelle und in die digitale Infrastruktur, wo Deutschland immer noch nicht wirklich vorangekommen ist. Hier liegen die Hebel für künftiges Wachstum, um die Schuldenquote wieder zu senken.
Zum Interview im Handelsblatt.com.
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