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Michael Hüther in der Passauer Neuen Presse Interview 23. Juni 2022

Atomkraft: „Kohleverstromung ist mit Blick auf das Klima sicher nicht attraktiver”

Warum er dafür plädiert, die Laufzeit der aktuell noch betriebenen deutschen Kernkraftwerke um ein Jahr zu verlängern, erklärt IW-Direktor Michael Hüther im Interview mit der Passauer Neuen Presse.

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Russland kappt die Gas-Lieferungen mehr und mehr. Bedeutet das für die deutsche Wirtschaft den Absturz in die Rezession?

Wir sind auf dem Wege dahin. Die Anpassungen der Industrie weg vom Gas ist nicht einfach von heute auf morgen zu machen. Und selbst im ambitionierten Plan von Minister Habeck sind ja für das Jahr 2024 immer noch zehn Prozent russisches Gas dabei. Die Abhängigkeit ist aber schon etwas runtergefahren. Wir müssen jetzt sehen, dass wir stärker umschichten, indem wir, wie der Minister es vorschlägt, weniger Gas für die Verstromung umsetzen. Und wir müssen schauen, ob wir kurzfristig nicht mehr als zunächst nur zwei Flüssiggas-Terminals nutzen können.

Verfolgt Wirtschaftsminister Habeck die richtige Strategie, indem er auf weniger Gaseinsatz beim Strom setzt?

Ja. Man muss pragmatisch vorgehen und sehen, wo man die größten Hebel hat. Natürlich sind auch die privaten Haushalte beim Sparen gefragt und mit im Boot. Aber die kann man im Grunde nur moralisch ansprechen, etwa indem man an sie appelliert, die Raumtemperatur im Herbst und Winter etwas zu senken. Den Gaseinsatz beim Strom zu senken, ist sicherlich der richtige Ansatz. Allerdings frage ich mich, ob der Ersatz von Gas- durch Kohlekraftwerke der richtige Weg ist oder klimatechnisch nicht mehr dafür spricht, die noch aktiven Atomkraftwerke länger laufen zu lassen.

Muss Habeck stärker auf Vorgaben setzen, statt auf Appelle?

In der Tat. Ich denke, dass wir in einer Situation sind, in der man überlegen muss, wie und auf welcher gesetzlichen Basis man konkrete Vorgaben machen kann. Aber wir sind ja nicht freiwillig in dieser Lage, sondern unter Druck geraten. Das bedeutet, dass man jetzt sehr zügig Dinge machen muss, ohne alle nötigen Instrumente zu haben. Wenn sich das, was wir von russischer Seite erleben, allerdings so fortsetzt, werden wir nicht um klare Vorgaben herumkommen, um uns widerstandsfähig zu machen. Das Grundproblem ist, dass wir vor allem in der Grundstoffindustrie nicht so schnell aus der Gasnutzung herauskommen.

Habeck will zum Ersatz für Gas beim Strom Kohlekraftwerke aus der Reserve holen. Sind längere Kernkraftwerkslaufzeiten und Fracking nicht gangbare Alternativen? 

Wenn man drei Atomkraftwerke länger laufen ließe, hätte man schon einen nicht unerheblichen Beitrag zur Stromerzeugung. Man muss das ja nicht dauerhaft machen. Ich habe immer dafür geworben, die Atomkraft mit ins Spiel zu bringen, um sie als eine Art Rückversicherung für den Fall der Fälle, wenn wir sie brauchen, nutzen zu können. Das nicht zu tun, überzeugt mich nicht. Wir müssen alle Optionen nutzen. Das Gleiche gilt für das Fracking. Wir können nicht Gas aus anderen Ecken der Welt kaufen, etwa in den USA Fracking-Gas, mit damit verbundenen Umweltfolgen, und uns selbst die Hände nicht dreckig machen. Insofern müssen wir in Deutschland Gasvorkommen da, wo sie sie haben, auch selbst nutzen.

Die Gegner längerer Kernkraftwerks-Laufzeiten argumentieren unter anderem mit notwendigen neuen Sicherheitsprüfungen.

Ich frage mich, warum man die Laufzeit von noch betriebenen Atomkraftwerken nicht mit einer Sondergenehmigung einfach um ein Jahr verlängern kann in einer solchen Krisensituation. Das Argument, man bräuchte dann eine neue Generalgenehmigung, sollte man in einer solchen Krise auch einordnen. Wir wollen ja diese Kraftwerke nicht generell länger nutzen, sondern nur bei Bedarf in einer Krise. Die Alternative in Form von Kohleverstromung ist mit Blick auf das Klima sicher nicht attraktiver.

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