1. Home
  2. Presse
  3. „Es ist nicht mehr die Stunde der Verbote, sondern der Regeln”
Zeige Bild in Lightbox
IW-Direktor Michael Hüther
Michael Hüther in der Welt Interview 9. Mai 2020

„Es ist nicht mehr die Stunde der Verbote, sondern der Regeln”

Der Höhepunkt der Corona-Epidemie liegt vielleicht hinter uns, aber der wirtschaftliche Flurschaden ist gewaltig. In einer großen WELT-Umfrage schildern acht führende Wirtschaftswissenschaftler, darunter IW-Direktor Michael Hüther, was nun auf die Tagesordnung gehört.

 Sind die jüngsten Lockerungsmaßnahmen richtig? Gehen sie zu weit? Nicht weit genug?

Lockerungen müssen sich an der gesellschaftlich-ökonomischen Wirksamkeit orientieren und epidemiologisch beherrschbar sowie kontrollierbar sein. Es ist nicht mehr die Stunde der Verbote, sondern der Regeln. Vordringlich ist, die Wertschöpfung wieder umfassend zu ermöglichen. Das erfordert eine zügige Mobilisierung der Kinderbetreuung und der allgemeinbildenden Schulen. Zudem muss der öffentliche Raum als Lebensraum durch Einzelhandel und Gastronomie belebt werden.

 Was ist jetzt, über die beschlossenen Maßnahmen hinaus, vordringlich, um die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen?

Wichtig ist vor allem, dass die Drohung eines zweiten Lockdown durch eine differenzierte und flexible Strategie glaubwürdig ausgeräumt wird. Alles andere wäre wirtschaftlicher Selbstmord. Die Erfahrungen der vergangenen Wochen und die darauf gründenden Regeln, die gelernten Verhaltensänderungen, die getätigten Investitionen im Gesundheitsbereich und die Ertüchtigung der Gesundheitsämter machen dies möglich: regionale Antworten, die Nachverfolgung von Infektionsketten. Vordringlich ist nun die Tracing App .

 Welchen Stellenwert wird die Corona-Krise in der Wirtschaftsgeschichte einnehmen?

Die wirtschaftlichen Verwerfungen werden auch strukturelle Effekte nach sich ziehen, beispielsweise werden sich die Gewichte zwischen stationärem und Onlinehandel verschieben, die Lagerhaltung und das Risiko in Beschaffungssystem werden neu bewertet, die globale Integration der Märkte wird tendenziell abnehmen. Eigentlich aber steigt der Bedarf an globaler Integration, indem Welthandel und Weltgesundheit gemeinsam gedacht werden. Aber die Welt wird nicht auf den Kopf gestellt durch die Pandemie.

 Wer hat Sie in der Krise besonders beeindruckt?

Die Gesellschaft als Ganzes, weil sie den gebotenen Einschränkungen insgesamt diszipliniert und mit Verständnis gefolgt ist, zugleich aber auch die Grenzen des Möglichen überwiegend verantwortlich auslotet. Eine Demokratie in den Lockdown zu versetzen, kommt einem Großexperiment gleich. Bislang geglückt.

Zur Umfrage auf welt.de.

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Eine Kölner Einkaufsstraße im Februar 2022: Das Coronavirus hat das Land fest im Griff, shoppen war nur teilweise möglich.
Michael Grömling Pressemitteilung 22. Februar 2024

Vier Jahre Krisen: Der deutschen Wirtschaft fehlen 545 Milliarden Euro

Vier Jahre Coronapandemie, zwei Jahre Krieg in der Ukraine. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) berechnet in einer neuen Studie, was die Krisen der gesamten Volkswirtschaft gekostet haben.

IW

Artikel lesen
Michael Grömling IW-Report Nr. 11 22. Februar 2024

Wirtschaftliche Auswirkungen der Krisen in Deutschland

Die großen Krisen der vergangenen vier Jahre – zunächst die Pandemie und dann die russische Invasion in der Ukraine mit ihren geopolitischen Verwerfungen – haben ihren Preis.

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880