Zum ersten Mal seit 1969 legt eine Bundesregierung einen Haushaltsentwurf ohne Neuverschuldung vor. Warum die „schwarze Null“ eine gute Sache ist, erklärt IW-Direktor Michael Hüther im Interview mit tagesschau.de. Die Politik zeige Verantwortung. Allerdings äußert der Ökonom auch Zweifel daran, dass Finanzminister Schäuble die „schwarze Null“ wirklich halten kann.
„Die Politik zeigt Glaubwürdigkeit“
Ist die „schwarze Null“ eine gute Sache?
Sie ist gut, weil sie Versprechen wahr macht und Erwartungen einlöst. Sie zeigt, dass die Finanzpolitik nach der Krise wieder auf Tragfähigkeit setzt. Die Bundesregierung zeigt damit Verantwortung und Glaubwürdigkeit. Dies sind in der Politik wichtige Standort- und Investitionsbedingungen. Der Verzicht auf weitere unkontrollierte Kreditaufnahmen ist ein entscheidender Schritt, um künftig handlungsfähig zu sein.
Wird der Sparkurs irgendwann teuer, weil wichtige Investitionen nicht getätigt werden?
Es gibt einen Investitonsbedarf in der Infrastruktur von geschätzten 12 Milliarden Euro pro Jahr. Diesen Betrag kann man durch Umschichtungen im Haushalt und durch die Einbindung privater Investoren freisetzen. Die Konsolidierung schreddert nicht die Infrastruktur. Das zu behaupten, ist unlauter. Im internationalen Ranking liegen wir aufgrund unserer guten Infrastruktur und der Rechtssicherheit nach wie vor weit vorn. Wir müssen allerdings auf der Ausgabenseite umschichten. Mit der Mütterrente und dem Betreuungsgeld wurde Klientelpolitik betrieben, statt dies Geld für Investitionen einzusetzen.
Wie wichtig ist ein ausgeglichener Haushalt für die Generationengerechtigkeit?
Wir dürfen künftigen Generationen nicht unsere Ausgaben aufbürden. Insofern ist dies ein wichtiger und richtige Schritt. Noch besser wäre aber, man würde nicht zum Beispiel mit der jetzigen Rentenpolitk die Beiträge für künftige Generationen in die Höhe treiben.
Brauchen wir mehr Einnahmen?
Nachhaltig sorgt man für höhere Einnahmen nicht durch höhere Steuersätze oder neue Steuern, sondern durch wirtschaftliche Dynamik. In den letzten Jahren haben wir eine kräftige Volkswirtschaft und einen stabilen Arbeitsmarkt erlebt. Dadurch haben wir dynamisch sich entwickelnde Steuereinnahmen und Sozialbeiträge. Je besser die Wirtschaft läuft, desto mehr Einnahmen hat der Staat. Wir sind also auf gutem Wege.
Beschneidet die Politik durch die Schuldenbremse ihren Handlungsspielraum?
Eine Schuldenbremse im Grundgesetz ist natürlich immer nur die zweitbeste Lösung. Eine kluge, vorausschauende Politik bräuchte dies nicht. Dass wir die Schuldenbremse haben, ist eher ein Zeichen der Schwäche. Aber immerhin bindet sie die Politik. Man kann fragen, ob ihr damit genug Flexibilität bleibt. Ich denke ja. Eleganter wäre aber eine Konsolidierungspolitik ohne selbstverordnete Kandarre.
Wie realistisch ist es, dass der Finanzminister die „schwarze Null“ halten kann?
Da habe ich meine Zweifel. Der Haushalt beruht auf vielen positiven Annahmen, die nicht einfach fortgeschrieben werden können, wie zum Beispiel der guten Konjunktur und stabilen Arbeitsmarktsituation. Auch das niedrige Zinsniveau entlastet die öffentlichen Haushalte. Das kann zu einer Zinslast-Illusion führen. Im Haushalt sind ein paar Annahmen enthalten, die nicht selbstverständlich so bleiben.
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