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Ifo-Präsident Clemens Fuest und IW-Direktor Michael Hüther (© Foto: Getty Images / IW)
Michael Hüther / Clemens Fuest im Handelsblatt Interview 29. Januar 2021

Streitgespräch: Das Virus besiegen oder mit ihm leben?

IW-Direktor Michael Hüther und Ifo-Chef Clemens Fuest diskutieren im Handelsblatt über den Kampf um die richtige Corona-Strategie, die gravierenden Fehler bei der Impfstoffbeschaffung und die groben Versäumnisse bei der Rettungspolitik.

Clemens Fuest und Michael Hüther kennen und schätzen sich seit Jahren. Doch in der Frage, wie es mit der Pandemie-Bekämpfung weitergehen soll, könnte die Auffassung der beiden gegensätzlicher nicht sein - und im Streitgespräch mit dem Handelsblatt geben sich die sonst so nüchternen Ökonomen auch gerne mal emotional.

Herr Hüther, Sie haben sich auf Twitter aufgeregt, dass sich ein so renommierter Ökonom wie Herr Fuest der Forderung von Virologen anschließt, die Pandemie über sehr niedrige Fallzahlen zu beenden. Sie nannten das einen Irrweg. Was finden Sie falsch an der Wissenschaftler-Initiative No-Covid?

Hüther: Die Forderungen beruhen auf der These, dass wir in Europa mit einem harten und schnellen Lockdown substanziell etwas erreichen könnten, was aber nirgendwo belegt wird. Ökonomisch wird nicht nach den Opportunitätskosten gefragt. Ich bin für niedrige Fallzahlen, aber sie müssen doch immer eingeordnet werden. Das vermisse ich in dem Papier.

Herr Fuest, wollen Sie gleich darauf antworten?

Fuest: Es ist ja nicht richtig, dass wir nicht an die Kosten denken würden. No-Covid ist ein ganzheitlicher Ansatz, der wirtschaftliche und gesellschaftliche Kosten einbezieht. Aber wir wollen die Infektionen konsequent zurückführen auf regionale Inzidenzwerte unter zehn, also weniger als zehn Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner pro Woche.

Inzwischen gehen die Ansteckungen zurück ...

Fuest: Wir befürchten, dass jetzt, sobald wir uns der 50er-Inzidenz annähern, sofort wieder Öffnungen kommen. Virologen befürchten, das könnte ein paar Wochen später zur Welle Nummer drei führen und dann zum nächsten Lockdown. Das ist wirtschaftlich ineffizient. Deshalb unterstütze ich die Forderungen von No-Covid. Es geht nicht um einen harten Lockdown der Wirtschaft, sondern um schärfere Hygienemaßnahmen, etwa durch den flächendeckenden Einsatz von FFP2-Masken, mehr Homeoffice und deutlich mehr Tests. Es ist eine Langzeitstrategie, die funktionieren kann.

Was macht Sie da so optimistisch?

Fuest: Im Sommer hatten wir in Deutschland bereits Inzidenzen unter drei.  Jetzt kursieren neue ansteckendere Virusmutanten. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass die Vorstellung der Ministerpräsidentenkonferenz, ab Inzidenz 50 die Kontakte wieder nachverfolgen zu können, funktionieren wird.  Darum sagen wir: Lasst uns lieber länger durchhalten, bis wir wirklich das Infektionsgeschehen kontrollieren. Virologen sagen, das geht maximal mit einer Inzidenz von zehn.

Herr Hüther, Sie sagen ja immer, man müsse auch mit anderen Faktoren abwägen.  Aber ist es nicht so, dass eine nachhaltige Wirtschaftserholung erst einsetzen kann, wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen?

Hüther: Ich bezweifle, dass die Inzidenzzahl wirklich so relevant ist, da wir über die Dunkelziffer nichts wissen. Da sind wir im Blindflug unterwegs. Viel bedeutsamer ist die Auslastung der Intensivbetten in den Krankenhäusern. In dem No-Covid-Papier steht, dass wir nicht "mit dem Virus leben wollen" und dass wir es "besiegen müssen, in Deutschland, Europa, weltweit." Ja, richtig, aber das ist ein Werturteil und keine realistische Pandemiestrategie.

Fuest: Wir müssen aufpassen, hier nicht über das Irrelevante zu reden. Wir waren in Deutschland im Sommer schon fast bei einer Inzidenz null, insofern ist das kein unrealistisches Ziel. Entscheidend ist doch: In welche Richtung bewegen wir uns heute, von diesem Punkt aus? Und da sagen wir eben: Nicht öffnen, wenn wir die Inzidenz 50 erreicht haben, sondern weiter heruntergehen, weil wir uns sonst sofort die nächste Welle einfangen. Was ist die Alternative?

Hüther: Die Alternative setzt gezielt an bei Alten- und Pflegeheimen. Etwa zwei Drittel der Todesfälle haben in Altenheimen stattgefunden. Es gibt für sie bis heute keinen bundeseinheitlichen Ansatz mit flächendeckenden FFP2-Masken und Schnelltests für Besucher und Pfleger - das hätte man längst machen können.

Fuest: Also deine Strategie ist: nur die Altersheime schützen und alles andere öffnen? Alle wollen die Altersheime besser schützen, wir auch, aber mit Öffnungen für den Rest klappt das nicht.

Hüther: Wenn wir es hinbekommen würden, wäre die Hälfte des Problems eingehegt.  Im NRW-Expertenrat argumentieren wir ausgehend von der Perspektive auf den nächsten Winter 2021 22. Auch dann werden wir Corona-Infektionen und Corona-Tote haben. Die Gesellschaft muss sich, so schwer das ist, darüber unterhalten, mit welchem Maß sie - wie bei anderen Krankheiten - zurechtkommt.

Herr Hüther, halten Sie die jetzigen Einschränkungen schon für übertrieben?

Hüther: Die Chance, regional zu differenzieren, wurde verpasst. Wir haben auch keinerlei Erkenntnisse darüber, ob die Hygienekonzepte in Hotels tragen oder nicht. Wir wissen nicht, was genau in den Grundschulen passiert. Und die Kosten, die wir an Bildungsverlusten durch geschlossene Schulen haben werden, sind so viel höher gegenüber dem, was wir erreichen. Niemand ist für Leichtsinn. Aber jetzt heißt es immer: die Mutante! Aber dann schaue ich mir die Zahlen in Großbritannien an, und die gehen runter ...

... mit einem harten Lockdown ...

Hüther: Ja. Aber wir wissen doch noch immer zu wenig über das Infektionsgeschehen. Wir müssen in ausgewählten, gesellschaftlich repräsentativen Regionen wöchentlich testen, dann wissen wir mehr über die soziale Dynamik, in der sich das Virus ausbreitet. Man kann verschiedene Wege gehen. Aber ich halte das Papier mit grünen und roten Zonen für gefährlich.  Wenn man sich zwischen den vorgeschlagenen roten und grünen Zonen nicht bewegen darf: Dann hast du den Laden dicht, Clemens!

Fuest: Das stimmt ja so nicht. Wir drehen mit den grünen Zonen das heutige Vorgehen um. Heute haben wir ultrarote Zonen und sagen: über einer Inzidenz von 200 darf ich mich nur 15 km von meinem Wohnort entfernen. Wir beschränken stattdessen Mobilität differenziert: Wer aus einer roten in eine grüne Zone will, muss einen Grund haben, etwa dort arbeiten, und getestet werden. Es fördert die Motivation der Menschen, wenn man in einer Region sagen kann: Ja, wir bekämpfen die Infektionen in unserer Region gemeinsam und schützen uns als grüne Zone. Deshalb behalten wir auch bei einer Inzidenz von 50 das Homeoffice bei. Wir tragen Masken, weil wir das Virus loswerden wollen. Ein endloses Stop-and-go mit Lockdowns und Lockerungen ist hochgradig ineffizient.

Hüther: Wenn man sich in Europa umschaut, zum Beispiel in Frankreich: Da gab es einen sehr harten Lockdown mit Ausgangssperren, der fast nichts nachhaltig bewirkt hat. Das zeigt doch, dass die No-Covid-Strategie hier in Europa bei der Siedlungsdichte keinen Erfolg haben wird. Der zweite Punkt: mit diesen grünen Zonen. Die jetzt geforderten Hygiene- und Quarantänevorschriften bei den Logistikern wie der Rheinschifffahrt werden in der Lieferkette der Chemie bei den Zulieferern enorme Verzögerungen verursachen. Wenn ich dann noch innerhalb Deutschlands die Mobilität stark kontrolliere, dann ist die Industrie zu. Ich kann von einem Ökonomen erwarten, dass er diese Fragen in so einem Papier mitdiskutiert.

Fuest: Das steht in unserem Papier: Wir halten die Industrie offen. Du hast getwittert, wir wollten sie schließen. Das ist einfach falsch!

Hüther: Aber wenn ihr dann "klinische Hygienestandards" verlangt, dann ist die Industrie trotzdem dicht, weil die Wertschöpfungskette reißt.

Fuest: Mit klinischen Hygienestandards ist zum Beispiel Maskenpflicht gemeint, die zerstört keine Wertschöpfungsketten. Es geht aber auch gar nicht um diese Details, das ist ja eher ein Eckpunkte-Papier ....

Hüther: ... wenn dieses Papier so beliebig ist ....

Fuest: Wie man die Regeln in den Betrieben konkret ausgestaltet, muss man letztlich mit Praktikern entwickeln. Uns zu unterstellen, wir wollten die Industrie schließen, ist ein bewusstes Missverstehen unseres Papiers.

Meine Herren, wir würden gern zu weiteren Punkten kommen. Es gibt außer der No-Covid-Gruppe auch die NRW-Beratergruppe um den Virologen Hendrik Streeck, zu der Sie, Herr Hüther, gehören. Das NRW-Papier kritisiert vieles, aber es macht keinen konkreten Vorschlag, was die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten denn nun stattdessen tun sollen.

Hüther: Das stimmt so nicht, weil das Papier ja die Fortführung unserer drei früheren Papiere ist. Und wir wollten damit bewusst nicht in eine nicht weiterführende Konfrontation mit der Politik. Sondern wir wollen fragen, warum wir so wenig Wissen über das epidemiologische Geschehen haben. Außerdem haben wir darauf hingewiesen, dass das Land an einer unzureichenden Umsetzung der Beschlüsse durch staatliche Stellen krankt. Zum Beispiel setzt immer noch nur jedes dritte Gesundheitsamt die schon im letzten Sommer vorgegebene Software Sormas ein. Es ist nie zu spät, Empirie zu besorgen, und es ist nie zu spät, die Gesundheitsämter zu ertüchtigen. Die Begründung der 50er-Inzidenz ist immer mit der Leistungsfähigkeit der Gesundheitsämter verknüpft worden.

Fuest: Du kritisierst wieder Einzelmaßnahmen, aber das ist doch keine Strategie.

Hüther: No-Covid verspricht, dass eine Realität ohne Covid möglich wäre. Im NRW-Expertenrat bezweifeln wir das. Man sieht ja bei der Influenza, dass man sie nicht eliminieren kann.

Herr Hüther, es ist doch inzwischen hinreichend klar, dass Covid gefährlicher ist als eine Grippe. Wenn Sie den Inzidenzwert von zehn für unrealistisch halten, was sagen Sie dann: Inzidenz 50? Oder laufen lassen?

Hüther: Zweifelsohne, umso beachtenswerter ist, dass es selbst bei Grippeviren nicht gelingt. Es geht darum, mit welchen Kapazitäten wir in einer neuerlichen Welle leben können. Denn es wird auch im nächsten Herbst eine Welle geben. Die wird geringer sein, wegen der Impfungen, aber es wird sie geben.

Aber erst einmal müssen wir doch bis zum Sommer kommen ...

Fuest: : Es geht doch um die Strategie. Man kann sie an den Intensivkapazitäten ausrichten. Aber wir halten das für grundlegend falsch und sagen: Wir müssen das Virus loswerden, so weit es geht. Es ist eine andere Strategie zu sagen, wir lassen es laufen, bis die Intensivbetten voll sind.

Hüther: Nicht bis sie voll sind ...

Fuest: ... bis sie fast voll sind ...

Hüther: Nein, auch nicht, bis sie fast voll sind.

Fuest: Wie voll sollen sie denn sein, bevor man handelt?

Hüther: Jetzt stehen noch 10.000 Betten in Reserve, die aktiviert werden könnten ...

Fuest: Betten ja, aber das Personal haben wir nicht. Ich sage, das ist eine ökonomisch falsche, ineffiziente Strategie. Weil die Leute sich vor Infektionen fürchten, weil das Infektionsgeschehen nicht unter Kontrolle ist, die Risiken sind viel zu groß. Wir stehen dann permanent am Rande des Lockdowns. Wenn das Infektionsgeschehen erst einmal sehr weit fortgeschritten ist, dann landen sehr viele mit Zeitverzögerung in der Intensivbehandlung. Deshalb sagen ja fast alle Mediziner, wir können das so nicht steuern.

Hüther: Wir können es bisher doch steuern, bei unseren Intensivbettenkapazitäten von 33.000, die schon im Normalfall nutzbar sind. Das sind sechsmal mehr als in Frankreich. In Europa können wir das Virus nicht eliminieren. Die Chance, mehr über das Virus zu lernen und über Maßnahmen, die wirken, und solche, die nicht wirken, wurde vertan.

Herr Hüther, gibt es für Sie ein Land, von dem Sie sagen, die haben es richtig gemacht?

Hüther: Nein, das kann es deshalb nicht geben, weil der Erfolg im Krisenmanagement auch von sozialen Verhaltensmustern und kulturellen Üblichkeiten abhängt. Dass viele asiatische Länder besser mit dem Virus zurechtkommen, hat auch mit habituellen Gewohnheiten vor allem im öffentlichen Raum zu tun. Selbst innerhalb Deutschlands scheint es Unterschiede zu geben.  Niemand kann schlüssig erklären, warum in Bayern die Inzidenzen immer deutlich über denen von NRW lagen, obwohl Bayern stets den strengeren Lockdown hatte.

Wir würden gerne die Diskussion auf die ökonomischen Folgen lenken. Auch im Krisenmanagement dringt die Regierung in neue Dimensionen vor - auch finanzpolitische. Was etwa halten Sie, Herr Fuest, davon, dass Kanzleramtsminister Braun jetzt die Schuldenbremse aussetzen möchte?

Fuest: Davon halte ich nichts. Die Schuldenbremse erlaubt genügend finanzpolitischen Spielraum. Der Bundestag kann jederzeit wegen der Pandemie beschließen, die Schuldengrenzen für ein Jahr aufzuheben. Dafür müssen wir nicht das Grundgesetz ändern.

Von den Spielräumen macht die Regierung in völlig neuen Dimensionen Gebrauch.  Was halten Sie, Herr Hüther, von der Rettungspolitik mit ständig veränderten Kriterien?

Hüther: Da habe ich gemischte Gefühle. Das Kurzarbeitergeld war und ist sicherlich ein vernünftiges Instrument. Was auch gut funktionierte, waren die pauschalen Hilfen für die kleinen Unternehmen in Höhe von 9000 Euro zu Beginn der Krise. Was dagegen schlecht lief, waren die Unterstützungen im Herbst. Die Umsatzorientierung war fragwürdig, wäre aber noch zu verkraften gewesen, wenn es sich um einen kurzen Zeitraum zur schnellen Überbrückung gehandelt hätte. Doch die administrative Auszahlung dieser Hilfen war ein Desaster am Rande des Verwaltungsversagens. Von den November- und Dezemberhilfen ist lange kaum etwas abgeflossen.

Was halten Sie von der Aussetzung des Insolvenzrechts, die dazu führte, dass wir 2020 weniger Pleiten hatten als die Vorjahre?

Fuest: Ich halte diese Politik in diesen Zeiten für vertretbar. Ohne Zweifel werden wir deutlich mehr Konkurse sehen, wenn die Aussetzung ausläuft.  Allerdings müssen Geschäftsführer von Unternehmen schon jetzt klar begründen, dass der Geschäftseinbruch pandemiebedingt ist.

Recht freihändig mit ökonomischen Grundsätzen geht die Regierung auch in der Frage des Impfstoffhandels um. Derzeit wird in Deutschland und Europa über eine Exportkontrolle, ja sogar über einen Exportstopp debattiert. Eine gute Idee?

Hüther: Nein, nicht gut. Eine solche Politik fällt am Ende auf uns selbst zurück. Der Biontech-Impfstoff wird ja nicht nur in Europa produziert, sondern auch in den USA. In dem Zusammenhang: Grenzschließungen sollten immer nur das allerletzte Mittel sein; auch im Personenverkehr.

War es denn richtig, den Impfstoffeinkauf auf die europäische Ebene zu verlegen?

Hüther: Ja, ich finde das richtig. Das war ein wichtiges Signal in einer Zeit, wo in Europa zum ersten Mal seit 70 Jahren Grenzen geschlossen wurden. Aber um vom Signal zur Umsetzung zu kommen, hätte die EU umfassend mit den entsprechenden Geldern ausgestattet werden müssen. Und dann ist die Frage, was nun wirklich in den Verträgen steht - Lieferverpflichtung oder nur Bemühenszusage.

Fuest: Entscheidend waren und sind natürlich die Produktionskapazitäten. Die Politik kann nicht erwarten, dass die Unternehmen diese von sich aus aufbauen.  Man hätte sich von Beginn an mit den Unternehmen hinsetzen und einen Vertrag über die Kapazitäten aushandeln müssen.

Die Politik trägt am Ende also die Schuld für den Mangel an Impfstoffen?

Fuest: Sehen Sie, nach einer Studie von Susan Athey und Co-Autoren liegt der soziale Nutzen von einer Milliarde zusätzlichen Impfdosen bei 1750 Milliarden Dollar weltweit. Nehmen wir an, die Unternehmen bekommen pro Impfung 15 Dollar, also insgesamt 15 Milliarden Dollar. Dann ist der Anreiz für die Firmen zu gering, teure Kapazitäten aufzubauen. In dieser Frage kann man sich nicht allein auf Marktmechanismen verlassen. Für die Unternehmen ist es nicht entscheidend, ob sie ihre Dosen etwas später verkaufen, für die Gesellschaft sehr wohl. Jetzt sollten wir alle Kraft und Mittel verwenden, die Kapazitäten aufzubauen.

Hüther: Ich könnte mir sogar vorstellen, dass der Staat jetzt noch selbst solche Produktionsstätten aufbaut, die er zwei Jahre später wieder versteigern könnte.

Erstaunlich, das erlebt man ja auch nicht alle Tage, dass zwei liberale Ökonomen einen staatlichen Aufbau von Fabriken fordern.

Hüther: (lacht): Auch wir dürfen doch mal über unkonventionelle Dinge nachdenken.

Dürfen Sie. Sie selbst haben ja beide zuletzt erlebt, dass Debatten über die Pandemie verbittert geführt werden, vergleichbar schon fast mit der Lage in den USA - vor allem auch in den sozialen Medien. Haben Sie den Eindruck, dass die Rationalität zunehmend auf der Strecke bleibt, dass manchmal der Wille zum Kompromiss gar nicht mehr da ist?

Fuest: Mal abgesehen von unserer Debatte hier (lacht), habe ich derzeit noch nicht den Eindruck, dass uns amerikanische Verhältnisse drohen. Der Einfluss der sozialen Medien steigt allerdings - und das führt zu Polarisierung. Das lässt sich selbst unter Wissenschaftlern beobachten. Denken Sie an die scharfe Auseinandersetzung zwischen den Virologen Streeck und Drosten. Wir brauchen veränderte Regulierungen für soziale Medien, wenn wir hier nicht amerikanische Verhältnisse riskieren wollen.

Hüther: Auch da bin ich etwas optimistischer. Von amerikanischen Verhältnissen sind wir weit entfernt. Die unterschiedlichen politischen Lager leben dort in völlig verschiedenen Lebenswelten. Sicherlich ist die Debatte auch bei uns schärfer geworden. Es gibt ja nicht nur Corona-Leugner, es gibt auch Lockdown-Fanatiker, wobei ich Clemens Fuest explizit nicht diesem Lager zuordne.  Bedenklich wird es, wenn die eine Seite der anderen die gute Absicht abstreitet.

Zum Streitgespräch auf handelsblatt.com

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