Ein Hauptthema beim Wirtschaftsforum im Schweizer Bergort Davos ist der Klimaschutz. Rund 3.000 Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik und gesellschaftlichen Organisationen diskutieren vier Tage lang über internationale wirtschaftliche Themen. US-Präsident Donald Trump hielt die Eröffnungsrede. Im Interview mit dem Deutschlandfunk verteidigt der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln, Michael Hüther, das Weltwirtschaftsforum.
„Das Thema Klima steht zu Recht im Mittelpunkt”
Fangen wir mit Donald Trump an. Er ist ja einer, wenn nicht der wichtigste Player für die Weltwirtschaft. Was wir bisher von ihm gehört haben aus seiner Rede, was lesen Sie daraus?
Es ist ja eben auch angesprochen worden. Es ist an das heimische Publikum gerichtet. Das muss auch ein Stück überredet werden, denn wenn man sich genau anschaut, sind die Daten natürlich nicht so, dass sie seine Thesen belegen, dass das jetzt der ökonomische Himmel ist, in dem die amerikanische Volkswirtschaft gelandet ist. Die Bundesbank hat im jüngsten Monatsbericht Januar jetzt mal analysiert, was die Folgen des Protektionismus sind, und da sind eigentlich zwei Aussagen wichtig. Es gibt keinen lachenden Dritten. Das betrifft uns. Wir können nicht einfach am Rande stehen zwischen dem Konflikt USA-China.
Auf der anderen Seite hat das in den USA überhaupt noch nichts bewirkt. Die Industrie ist dort ja vergleichsweise schwach, hat nur zehn Prozent Anteil am BIP. Bei uns sind es über 20. Von daher hat es auch keinerlei Einkommenseffekte bisher gehabt. Was er da erzählt, das sind ein bisschen Märchen.
„Amerikaner machen WTO systematisch kaputt“
Aber, Herr Hüther, es ist ja durchaus so, dass mehrere Analysten in die Richtung argumentieren und sagen, die USA stehen eigentlich im Moment wirtschaftlich durchaus glänzend da. Waren denn die Einschätzungen falsch, dass Trump mit seinem Kurs der Abschottung dem Land wirtschaftlich hart schaden würde?
Naja. Die Erfahrung war ja eigentlich, dass die Amerikaner schon vorher nicht so schlecht unterwegs waren. Der Weg aus der Krise seit 2008 ist ja auch dort durchaus gelungen und die Obama-Jahre waren ja keine schlechten Jahre.
Aber er setzt sich fort, dieser Kurs, dieser Erfolgskurs unter Trump.
Ja, er setzt sich fort. Aber man muss natürlich auch schauen, mit welchem Aufwand er dies tut, und am Ende ist die Frage, was hat die Welt davon und ist das das Modell, mit dem wir vorankommen. Er präferiert und bevorzugt ja offensichtlich zweiseitige Verträge: Ich verhandele jetzt mal mit den Chinesen und dann gucke ich mal, mit wem ich demnächst Verhandlungen führe, so wie es auch mit Mexiko und Kanada gemacht wird. Was ja eigentlich uns in den letzten zwei Jahrzehnten richtig vorangebracht hat, war, wenn wir es gemeinsam in der Welt gemacht haben, was wir multilateral nennen.
Die WTO aber, die machen die Amerikaner systematisch kaputt, und das ist am Ende ein Nachteil für alle. Das wird er auch noch spüren. Man kann sagen, der Trend ist nicht abgebrochen, aber wir sehen natürlich auch schwankende Zahlen durchaus in der Produktikon, aber es ist auch nicht das passiert, was er da eben erzählt hat: große Einkommenssteigerungen in der Breite – vor allen Dingen in diesen sogenannten Fly-Over-Countries, die traditionell geprägt sind, wo nicht das Silicon Valley seine Ausstrahleffekte hat.
Im Raum stehen immer auch noch Handelskonflikte. Trump will sich in Davos mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen treffen, um über den Handelskonflikt zwischen der EU und den USA zu sprechen. Da hat Trump zuletzt ja mit Strafzöllen auf die Autoimporte aus der EU gedroht. Kann ein Treffen in Davos da Fortschritte bringen?
Es ist ja das erste Treffen mit der neuen Kommissionspräsidentin und es gibt ihr auch die Chance klarzumachen, dass Europa für Freihandel steht, wobei sie es ja auch nicht ganz einfach hat. Das darf man nicht übersehen. Die Franzosen machen da auch ihr eigenes Geschäft mit der Digitalsteuer und haben da einen eigenen Konflikt. Es wäre gut, wenn Europa in der Tat gemeinsam den Blick auf diese Freihandelsthematik richten würde. Wir haben da auch einiges zu bereinigen. Wenn sie das anbieten kann, ist das sicherlich eine starke Position, denn wir haben ja eigentlich nichts zu verstecken. Wir haben eine wettbewerbsfähige Wirtschaft und die Amerikaner sind mit uns in erheblichem Maße verflochten und davon lebt auch das, was an Industrie noch in den USA ist. Insofern geht das in beide Richtungen und dafür das auf die Ebene zu bringen, wo es hingehört, nämlich nicht nationale Konflikte zwischen jedenfalls Europa und den USA, scheint mir ganz wichtig zu sein. Insofern ist das auch eine Chance, das erste Zusammentreffen.
„Thema Klima steht zu Recht im Mittelpunkt“
Aber ich muss da noch mal nachhaken bei der bisherigen Interpretation von Handelskonflikten. Da wurde ja auch immer gesagt, das wird der Weltwirtschaft schaden. Jetzt haben wir gerade eine Prognose des Internationalen Währungsfonds bekommen, dass die Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise vorerst gebannt ist. Sind diese Risiken der Handelskonflikte auch überschätzt worden?
Naja. Sie sind ja keine Risiken, die nur kurzfristig tragen. Wenn Sie sich aber anschauen, was auch heute veröffentlicht wurde, die Befragung der Unternehmenslenker, die dort in Davos sind, dann waren die wirtschaftlichen Perspektiven vor allen Dingen für das nachhaltige Wachstum noch nie so pessimistisch wie derzeit, eigentlich seit der Krise 2009/2010. Das, glaube ich, ist der entscheidende Hinweis. Man erkennt instabile Rahmenbedingungen aus mehreren Gründen, denn wenn wir immer so weitermachen wie Trump, dann hält uns das auf Trab, bringt uns aber nicht wirklich nach vorne. Das ist ja kein Beitrag zur Gestaltung der Weltwirtschaft.
Auf der anderen Seite haben wir große Herausforderungen. Das Thema Klima steht im Mittelpunkt, steht zu Recht im Mittelpunkt. Aber das verlangt natürlich erst recht klare Rahmenbedingungen. Und in einem solchen Umfeld, wenn das nicht definiert ist, ist die Sorge um das Wachstum groß. Das ist die eigentliche Ableitung. Denn wenn das so ist, das Wachstum wird schwächer, dann haben wir auch weniger Möglichkeiten, in Innovation, in neue Lösungen hineinzugehen.
Die ökologischen Themen – Sie haben es gerade schon gesagt –, die stehen ganz oben auf der Agenda des Weltwirtschaftsforums. Kann man sagen, diese Gefahr, dass die Weltwirtschaft durch den Klimawandel gebremst wird, das ist jetzt endlich auch auf internationaler Ebene bei Unternehmern angekommen? Und warum hat das so lange gedauert?
Na ja. Unternehmer sind natürlich ein Spiegel gesellschaftlicher Debatten und politischer Bedingungen auch, und in dem Rahmen suchen sie ihre Innovationsleistungen. Erstens ist es ja so, dass es auch falsch wäre zu sagen, es hat nichts gegeben. Es mangelt möglicherweise an Konsistenz der Politik, aber es hat auch in den Unternehmen viele Ansätze gegeben, die Nachhaltigkeit des Wirtschaftsmodells weiterzuführen, und wir wissen aus der Geschichte, das effizienteste Modell, Anpassungsleistungen zu erbringen, ist die marktwirtschaftliche Ordnung, ist nicht der Staat.
Die Staatswirtschaften, die wir kannten, waren immer verbunden (übrigens auch in China in erheblichem Maße) mit Ausbeutung von Mensch und Umwelt. Also müssen wir diesen Effizienzmechanismus steuern. Das ist völlig klar.
Kritik am Forum ist nicht nachvollziehbar
Aber, Herr Hüther, es gab doch bisher durchaus die Auffassung, dass Klimaschutz wirtschaftliche Entwicklung behindert. Und jetzt ist plötzlich alles ganz anders?
Diese Auffassung hat es sicherlich in einzelnen Köpfen gegeben. Aber dass Umweltpolitik – das können Sie allgemeiner fassen – natürlich mit den Knappheiten von Umweltressourcen, von Umweltsenken, von Medien, die aufnahmefähig sind für die Emissionen, umgehen müssen, das ist ja nun keine neue Ansicht, sondern eigentlich eine Binsenwahrheit und im ökonomischen System vorhanden. Die Frage ist nur: Schaffen wir es auch politisch, diesen klaren Rahmen zu setzen. Wir haben es gerade beim Kohlekompromiss erlebt. Das ist dann auch Stückwerk. Und was sollen denn dann die Unternehmen? Sollen die selbst die Kohle abstellen oder was? Insofern geht es hier schon um eine klare Vorgabe auch dessen, was Politik in Umsetzung der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Problemen auch tut, und da haben wir sicherlich Handlungsbedarf, ohne Frage. Europa muss es gemeinsam tun. Wir können es nicht in Deutschland lösen. Wir haben nur, wie Sie wissen, wenig Prozent am CO2-Ausstoß der Welt. Wir können aber zeigen, wie es geht. Das muss gelingen.
Es gibt viel Kritik an diesem Treffen in Davos, unter anderem auch deshalb, weil es heißt, dort werden überhaupt keine Entscheidungen gefällt, da wird nur geredet. Was bringt dieses Treffen?
Ja, es ist doch gut, wenn die Leute reden. Ich frage mich immer, was soll daran schlecht sein, denn es entsteht Verständnis. Es entsteht Verständnis für die gegenseitige Sichtweise, für die möglicherweise auch unterschiedlichen Problemlagen, die man vorfindet, auch mit Blick auf die gesellschaftlichen und politischen Debatten, die man im Heimatland oder in den Heimatbedingungen hat. Ich kann diese Kritik, ehrlich gesagt, nicht verstehen, denn wir brauchen solche kommunikativen Gelegenheiten. Wir haben sie in jedem Unternehmen. In jedem Institut gibt es Teeküchen, wo man sich trifft, gibt es Cafés, wo man sich trifft.
Wir brauchen auch für die Weltwirtschaft einen solchen Rahmen, der ja nicht nur von der Politik gefahren werden kann, sondern gerade auch gemeinsam mit denen, die Verantwortung tragen in Unternehmen, in Gewerkschaften, bei den Sozialpartnern im weitesten Sinne, in den NGOs, und das ist eine der wenigen Gelegenheiten. Sonst würde es ja nicht funktionieren. Es wird jetzt zum 50. Mal durchgeführt. So was ist aufwendig, das kostet Zeit, es kostet Geld, wenn man da hinfährt. Keiner würde das tun, wenn es keinen Ertrag hätte. Dann verschwindet so was ganz schnell. Insofern ist die Tatsache, dass es das gibt, der beste Beleg, dass es auch gebraucht wird.
Zum Interview auf deutschlandfunk.de
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