1. Home
  2. Presse
  3. "Die Sparpläne zu erfüllen ist die Aufgabe einer Dekade"
Michael Hüther im Kölner Stadt-Anzeiger Interview 2. Februar 2012

"Die Sparpläne zu erfüllen ist die Aufgabe einer Dekade"

Der Rettungsschirm EFSF könnte einspringen und eine temporäre zwangsweise Rekapitalisierung der Banken in Europa vornehmen, sagt IW-Direktor Michael Hüther im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. "Wir diskutieren die ganze Zeit, wie wir das Löschmittel in den Feuerlöscher hineinbekommen, ohne den Feuerlöscher nachher einsetzen zu wollen", so Hüther. Das werde nicht funktionieren.

Herr Hüther der IWF äußert Zweifel am eigenen Sparprogramm für Griechenland, während in einigen Ländern die Schuldenkrise kulminiert. Muss man nicht mehr sparen?

Doch, natürlich müssen die betroffenen Länder weiter sparen. Die Krise ist in der Finanzpolitik verursacht worden und kann nur dort gelöst werden. Man hat aber versäumt, die Zeitschiene offenzulegen, die man den Sparanstrengungen zugrunde legen muss. Die Zielvorgaben der Sparpläne zu erreichen, ist mindestens die Aufgabe einer Dekade.

Die potenziellen Retter wollen aber kurzfristige Erfolge sehen.

Alle, auch in Brüssel, sehen mit großer Frustration, dass die Beschlüsse in Griechenland angesichts der Verwaltungsmängel nicht wirklich umgesetzt werden. Man muss nicht unbedingt Frau Merkels Idee eines Sparkommissars aufnehmen. Aber es macht keinen Sinn, die Troika im Drei-Monats-Rhythmus zur Kontrolle zu schicken. Wir müssen eine Verstetigung der Anstrengungen und auch der Beobachtung hinbekommen. Dazu wäre es sinnvoll, Griechenland komplett vom Kapitalmarkt abzuhängen.

Und wenn die Hilfe nicht angenommen wird, geht es nur mit Zwang?

Ja. Das Geld, das mobilisiert wird, muss eine Kompetenzverlagerung nach sich ziehen. Ich glaube aber nicht, dass man sich in Griechenland nicht helfen lassen will. Man muss das breite Paket an möglichen Hilfen klar machen – Infrastrukturmaßnahmen, Verwaltungsaufbau oder einfachere Zuwendungen aus dem europäischen Kohäsionsfonds. Dann muss aber auch klar sein, dass die Überprüfung der Maßnahmen nicht mehr in den Händen der Griechen liegt.

Griechenland ist ja nur ein kleiner Teil der Krise. Wie dämmt man den Flächenbrand wirkungsvoll ein?

Wenn man die Krise wirklich beruhigen will, muss man bei den systemrelevanten Banken ansetzen. Da liegt der Hebel zwischen der finanzwirtschaftlichen und der konjunkturellen Problematik – es gibt in südeuropäischen Ländern schon klare Anzeichen einer Kreditklemme, die Geldhäuser statten die Wirtschaft unzureichend mit Geld aus. Das ist klar: Die systemrelevanten Banken erhalten weder von außen noch von innen ausreichend frisches Geld und sollen dennoch nach dem Willen der Politik bis zum 30. Juni ihre Eigenkapitalquote deutlich erhöhen. Da könnte der Rettungsschirm EFSF einspringen und eine temporäre zwangsweise Rekapitalisierung der Banken vornehmen.

Also im Grunde eine zwangsweise Teilverstaatlichung auf Zeit?

Ja. Es ginge um eine Teilkapitalisierung von sechzig oder siebzig Prozent für eine vorher definierte Zeit. Die Mittel des EFSF würden dafür ausreichen. Wir diskutieren die ganze Zeit, wie wir das Löschmittel in den Feuerlöscher hineinbekommen, ohne den Feuerlöscher nachher einsetzen zu wollen. Das wird so nicht funktionieren.

Artikel im Original | PDF

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Beschäftigungsaufbau geht 2014 weiter
Holger Schäfer auf umwelthauptstadt.de Interview 29. April 2013

Beschäftigungsaufbau geht 2014 weiter

Im Jahr 2013 legt die sehr guten Arbeitsmarktentwicklung der letzten Jahre eine Pause ein, sagt Holger Schäfer im Interview mit dem Internetportal umwelthauptstadt.de. Im nächsten Jahr erwartet der IW-Arbeitsmarktexperte aber eine konjunkturelle Belebung, die ...

IW

Artikel lesen
Oliver Stettes im Deutschlandfunk Interview 19. August 2010

Bildungsmonitor 2010 bewertet Leistungen der Bundesländer

Wieder sind es vor allem ostdeutsche Bundesländer, die in einem Vergleich der Bildungssysteme positiv abschließen. Der Grund ist laut Oliver Stettes, Bildungsexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft, der demografische Wandel: Weniger Schüler können in ...

IW

Inhaltselement mit der ID 8880