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Hans-Peter Fröhlich im Kölner Stadt-Anzeiger Gastbeitrag 11. Juli 2011

Unter Schmerzen zur Erkenntnis

Die Krise des Euro ist keine Überraschung und keineswegs zwangsläufige Folge der Währungsunion, schreibt der stellvertretende Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Hans-Peter Fröhlich, im Kölner Stadt-Anzeiger. Es mangelt an Weitsicht und Disziplin.

Gerade ist das überschuldete Griechenland zum zweiten Mal durch seine europäischen Partner einstweilen vor dem Staatsbankrott gerettet worden. Prompt geratenjetzt Portugal und auch Italien wieder verstärkt ins Visier der Finanzmärkte. Auch dort wird die Staatsverschuldung heute als bedrohlich eingestuft. Man sollte hierzulande aber nicht so tun, als sei die aktuelle Staatsschuldenkrise mehrerer Euro-Länder aus heiterem Himmel über uns gekommen oder als sei sie die zwangsläufige Folge der Währungsunion. Der Rest Europas bekommt jetzt die Quittung für seine frühere Leichtfertigkeit.

Zur Wahrheit gehört nämlich auch: Griechenland hätte im Jahre 2001 nie und nimmer in die Europäische Währungsunion aufgenommen werden dürfen. Jeder wusste, dass das Land nicht reif für den Euro war. Auch Italien hatte schon bei Einführung der Währungsunion praktisch einen genauso hohen Schuldenstand wie heute. Aber von Brüssel bis Berlin wollte man die ökonomische Realität seinerzeit nicht wahrhaben. Stattdessen hieß es blauäugig, man körne Griechenland als Wiege der europäischen Zivilisation und Italien als eines der sechs Gründungsmitglieder der EU nicht von der Gemeinschaftswährung ausschließen.

Auch zu Hause zeigten sich die anderen EU-Länder nicht unbedingt als finanzpolitische Tugendwächter. Bei eigenen Verstößen gegen den europäischen Stabilitätspakt ließ man gerne einmal fünf gerade sein. Wenn man hinter den dunklen Wolken der aktuellen Staatsschuldenkrise in Europa einen Silberstreif erkennen will, so liegt er hier: dass die gegenwärtige Krise ein unüberhörbarer Weckruf ist.

Nach den jüngsten Erfahrungen wird sich jede Regierung in Europa doppelt und dreifach überlegen, ob sie weiter den Weg in den Schuldenstaat gehen will. Deutschland hat mit der vor zwei Jahren ins Grundgesetz geschriebenen Schuldenbremse bereits sichtbar eine Kehrtwende vollzogen. Dieses Beispiel wird ausstrahlen und Nachahmer finden.

Grund zur Hoffnung bieten die Erfahrungen der 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Damals war Deutschland unter der Führung der Deutschen Bundesbank Vorreiter in Sachen Währungsstabilität. Andere Länder in Europa, die lieber Inflation in Kauf nahmen und ihre Währungen regelmäßig abwerteten, mussten im Laufe der Zeit schmerzhafte Erfahrungen machen.

Ein Land nach dem anderen– allen voran Frankreich mit seiner radikalen Wende im Jahr 1983– schwenkte auf die Linie der Bundesbank ein. So bildete sich allmählich in weiten Teilen Europas eine gemeinsame geldpolitische Stabilitätskultur heraus. Damit war überhaupt erst die Voraussetzung für eine gemeinsame Währung in Europa gegeben.

Finanzpolitische Solidität ist die unverzichtbare Kehrseite von Währungsstabilität. Natürlich ist das in der Theorie seit langem bekannt. Aber es bedurfte offenbar der für ganz Europa schmerzhaften Schuldenkrise, um die Botschaft allen Beteiligten zu vermitteln. So etwas nennt man pathologisches Lernen. Das erleben wir nicht zum ersten Mal. Die Geschichte der europäischen Integration lehrt, dass Fortschritt oft nicht am Reißbrett entsteht– sondern aus den Antworten auf wechselnde Krisen.

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