Juso-Chef Kevin Kühnert denkt in einem Interview über die Neuverteilung der Produktionsstätten und privatwirtschaftlichen Gewinne nach. Das führt ihn zum Thema Enteignung und Kollektivierung. IW-Direktor Michael Hüther antwortet ihm.
Politische Verzweiflung: So verelenden die Massen
Unser Land hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht: Noch nie waren so vielen Menschen in guter Arbeit, noch wie waren so wenig Menschen unfreiwillig arbeitslos. Dahinter steht eine wettbewerbsfähige Wirtschaft. Dennoch hat unser Land zugleich große Probleme: Bildungssystem und Infrastruktur sind nur Mittelmaß, die Antworten auf die digitale Transformation, demografische Alterung, Zerfall der Öffentlichkeit und Klimawandel sind keineswegs überzeugend.
Doch nach den Erfahrungen der letzten Dekade gilt: unsere marktwirtschaftliche Ordnung in demokratischer Verankerung und mit sozialpolitischer Ausstattung ist leistungsfähig. Vom Systemwechsel träumen da noch nicht mal die verbürgerlichten Aufsteher der Linkspartei. Stattdessen kommt - als Wiedergänger der frühen 1970er Jahre - der Juso-Vorsitzende mit solchen Ideen um die Ecke.
Das alte Lied der Marxisten
Es ist das alte Lied der Marxisten, die den besseren Menschen versprechen und ihn durch polit-ökonomische Erziehung - quasi im Himmel auf Erden, also nahe der Hölle - schaffen wollen. Das solidarische Volk zählt allein, der Einzelne nichts; Individualismus wird geahndet.
Der DDR - so Kühnert - habe nur die intrinsische Motivation ihrer Köpfe gefehlt. Mmh? Schon mal überlegt, warum es historisch keinen Befund dafür gibt, dass eine Freiheitsgesellschaft voll motiviert und freiwillig in den Sozialismus wechselt. Ach klar, die bösen Kapitalisten haben das durch ihr Eigentum am Produktivkapital immer verhindert. Aber nach Marx sollte doch gerade die dabei unvermeidbare Verelendung der Massen deren revolutionären Kräfte mobilisieren und intrinsisch motiviert über die Revolution den Sozialismus herstellen.
Funktioniert nicht, deshalb bringt sich Kühnert in Stellung. Er will das, er schwadroniert dazu. Da fangen wir mal mit dem jugoslawischen Modell von einst an, damit die Menschen endlich ihren eigenen Bedürfnissen entsprechend arbeiten, konsumieren und sparen, nicht aber für das Profitstreben anderer. Komischerweise entsteht der Gewinn durch freiwillige Kaufentscheidungen der Bürger und Bürgerinnen, die aus unendlich vielen Angeboten wählen. Und wer hindert eigentlich die vielen offenkundig rastlosen Jusos daran, morgen selbst ein Unternehmen zu gründen? Das wäre ein Test, ob ihre Ideen jemanden überzeugen.
So lässt sich die Verelendung organisieren
Interessant ist auch, dass die Aktien von BMW breit gestreut im Publikum liegen. Man kann natürlich unter dem Erfolgslabel "Sachsenring" eine Produktionsgenossenschaft für die deutsche Automobilbranche gründen. Die heilende Wirkung des Wettbewerbs - die in der Marktwirtschaft einzig akzeptable Form der Enteignung, nämlich durch den Markt - funktioniert bei offenen Märkten besser als je zuvor. So entstehen - anders als im Sozialismus - innovative und ökologisch nachhaltige Produkte. Stattdessen wirbt der Juso-Vorsitzende mit seinen Ideen für die Abschottung. Er sollte wissen, unter dieser Bedingung kann man die Nivellierung und die Verelendung breiter Massen nachhaltig organisieren, wie der Geschichte vielfach lehrt.
Hier ist offenkundig einer angetreten, der im Politischen seine Chance nur darin sieht, extreme Positionen zu beziehen und darauf zu hoffen, dass viele dem schönen Schein der in Aussicht gestellten Vervollkommnung des Menschen erliegen. Gleichzeitig hilft man mit, im Raumschiff Berlin durch miese Bildungspolitik und schlechte Wohnraumversorgung den Zustand herzustellen, den man beklagt und dem Kapitalismus zuschiebt.
Erst mit Bildung und marktlicher Allokation des Kapitals ist es aber gelungen, den Menschen durch Produktivitätsfortschritte steigenden Wohlstand zu ermöglichen. Die Idee des Sozialismus hat dagegen längst die historische Unschuld verloren. Wie ignorant muss man sein, um dennoch dafür einzutreten?
Zum Gastbeitrag auf n-tv.de
IW-Bevölkerungsprognose 2024
Der demografische Wandel stellt Gesellschaft, Politik und Wirtschaft vor große Herausforderungen. Bevölkerungsprognosen sind dabei die zentrale quantitative Entscheidungsgrundlage, um Lösungsansätze zu entwerfen.
IW
Marode Infrastruktur: „20 Jahre Unterlassungen”
Nach dem Einsturz der Dresdener Carolabrücke stellt IW-Direktor Michael Hüther der Politik im Interview mit den Tagesthemen ein schlechtes Zeugnis aus. Seit Jahrzehnten werde zu wenig in Infrastruktur investiert.
IW