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Michael Hüther auf Focus online Gastbeitrag 8. März 2024

So wird Deutschland klimaneutral - ohne Wohlstand zu verlieren: „Es ist zu lange zu viel liegengeblieben”

Noch vor einem Jahr hat Bundeskanzler Olaf Scholz versprochen, dass die Klimatransformation Deutschland ein grünes Wirtschaftswunder bescheren würde. Bislang lässt diese Hoffnung auf sich warten. FOCUS online Earth hat vier Top-Ökonomen, u.a. IW-Direktor Michael Hüther, gefragt, was Deutschland nun tun muss für das versprochene grüne Wirtschaftswunder.

„Es war kein realistisches Versprechen von Olaf Scholz, zu dem Zeitpunkt zeichneten bereits viele Indikatoren ein pessimistisches Bild: Die Bruttoausrüstungsinvestitionen des Verarbeitenden Gewerbes lagen (preisbereinigt) im Jahr 2022 immer noch 8 Prozent unter dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019. Somit befand sich das Verarbeitende Gewerbe nicht erst seit der Pandemie oder dem Energiepreisschock auf einem rezessiven Entwicklungspfad, sondern bereits davor, was auf strukturelle Probleme hinweist.

Ebenso verzeichnen die energieintensiven Industrien als einer der Schlüsselakteure der grünen Transformation seit 2001 einen kontinuierlichen Rückgang ihres Kapitalstocks. Hinzu kam, dass im Jahr 2022 bereits der Zufluss an Direktinvestitionen auf dem Tiefststand war, was sich seitdem fortgesetzt hat. Vor diesem Hintergrund war die Prognose zu hoch gegriffen, auch wenn die Politik ambitioniert sein darf und soll.

Grundsätzlich gilt: Investitionen in die grüne Transformation sind eine notwendige Bedingung für zukünftiges Wachstum auf dem Weg zur Klimaneutralität. Wenn es Deutschland gelingt, als Vorreiter in der Transformation zu agieren, Standortbedingungen dahingehend zu verbessern und Kapital anzuziehen, wird sich dies nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch auszahlen. Hierfür ist es aber unabdingbar, dass die Regierung sowohl regulierend als auch investiv tätig wird.

Übersehen sollte man dabei nicht, dass für die Klimaneutralität noch wettbewerbsfähige Kapitalbestände durch neue ersetzt werden, ohne dass die Produktivitätseffekte haben muss. Auch wenn kein Wirtschaftswunder wie zu Beginn der Bundesrepublik entfacht werden sollte, wird eine erfolgreiche Transformation einen zentralen Beitrag zu Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit leisten.

In dieser Phase hoher Verunsicherung durch geopolitische Risiken und Unklarheiten bei der Transformation liegt die Aufgabe der Politik darin, die Erwartungen zu stabilisieren und die Erwartungsbildung auf mittlere Frist zu ermöglichen. Das erfordert klar und nachvollziehbare Entscheidungen für die Stabilisierung der Energiepreise auf wettbewerbsfähigem Niveau, es erfordert eine Absenkung der im internationalen Vergleich hohen effektiven Steuerlast der Unternehmen und es erfordert eine spürbare Minderung bürokratischer Lasten. Unternehmen benötigen Freiräume für findige Lösungen zur Transformation.

Es ist zu lange zu viel liegen geblieben. Es wurde zulange ignoriert, dass der CO2-Preis zwar das zentrale Steuerungsinstrument ist, zusätzlich aber durch Infrastrukturentwicklung, Anreize zum Systemwechsel über Subventionen und aber auch durch Leitmärkte die Skalierung neuer Technologien ermöglicht wird. Grundsätzlich sollte die Lösungssuche den Unternehmen soweit wie möglich technologieoffen sein.”

Zum Beitrag auf focus.de

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