Die deutsche Wirtschaft steuert wegen steigender Kosten für Energie und gewerbliche Produkte auf eine Rezession zu – und eine Lohn-Preis-Spirale, warnt IW-Direktor Michael Hüther. Angesichts dieser Ausgangslage seien jetzt die Gewerkschaften in der Pflicht, schreibt er in einem Gastbeitrag für den Merkur.
Steuerfreie Einmalzahlungen: Der Joker in der Krise
Als recht sicher gilt, dass sich die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr in einer Rezession befinden wird. Die Bundesbank rechnet mit einem deutlichen Abschwung im vierten Quartal dieses Jahres und im ersten Quartal 2023, darüber hinaus erwartet sie Inflationsraten von zehn und mehr Prozent. Hohe Lohnabschlüsse können sie weiter befeuern, eine Preis-Lohn-Preis-Spirale droht.
Steuerfreie Einmal-Zahlungen als Joker
In dieser schwierigen Situation können – anstatt die Kostentragfähigkeit der Unternehmen überfordernde tabellenwirksame Tarifabschlüsse zu riskieren – steuer- und beitragsfreie Einmalzahlungen der Joker sein, der eine weitere Verschärfung der Teuerung zumindest abzubremsen hilft.
Steuerfreie Einmalzahlung bringt sattes Lohnplus
Die Bundesregierung will diesen Weg ebnen, bei Sonderzahlungen von bis zu 3.000 Euro verzichtet der Bundesfinanzminister in diesem und im kommenden Jahr auf Steuer- und Sozialabgaben. Ein Vollzeitarbeitnehmer mit einem durchschnittlichen Bruttojahresgehalt von 49.200 Euro hätte bei einer steuerfreien Einmalzahlung in Höhe von 3.000 Euro ein Lohnplus von 6,1 Prozent, bei 1.500 Euro Einmalzahlung wären es immer noch gut drei Prozent.
Aus Unternehmenssicht hat das Instrument Charme: Die Lohnkosten steigen nicht dauerhaft. Gleichzeitig sinkt das Risiko, dass steigende Lohnstückkosten die Preise auf breiter Front in die Höhe treiben und den geldpolitischen Restriktionskurs der Europäischen Zentralbank verschärfen. Zur Erinnerung: Nach dem ersten Ölpreisschock in den 1970er Jahren kam es aufsetzend auf bereits zuvor kräftig gestiegene Lohnstückkosten zu einer Lohn-Preis-Spirale, die nur durch entschiedenes Eingreifen der Bundesbank gestoppt werden konnte, worunter damals die Konjunktur litt – eine Stabilisierungsrezession trat ein.
Gewerkschaften in der Pflicht
Es ist jetzt Sache der Tarifpolitik, den Ball aufzunehmen und zu verhindern, dass sich insoweit die Vergangenheit wiederholt. Gewerkschaften haben die undankbare Aufgabe, den Wohlstandsverlust, der durch die hohen Energiepreise entsteht, nicht auf Unternehmen abzuwälzen, sondern zu akzeptieren. In schwierigen Zeiten müssen alle an einem Strang ziehen.
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