Die Energiewende ist Konsens in Deutschland. Umso größer ist die gesellschaftspolitische Verantwortung der Kohlegegner, das Land in dieser Frage nicht zu spalten. In einem Gastbeitrag in der Welt warnt Arndt G. Kirchhoff, Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft, Grüne und Umweltverbände.
Die Kohlegegner verfolgen eine verantwortungslose Strategie
Der vereinbarte Kohlekompromiss ist für die Wirtschaft extrem schmerzhaft. Dennoch stehen wir zu diesem Gesamtpaket, das im Ergebnis für 2038 den Kohleausstieg vorsieht. Ich erwarte aber, dass es jetzt auch eins zu eins umgesetzt wird. Das gilt insbesondere für die Erfüllung der hierfür zwingenden Voraussetzungen – nämlich der Sicherstellung von Versorgungssicherheit, Netzausbau und wettbewerbsfähiger Preise. Denn dies ist im Kommissionsbericht ausdrücklich so festgehalten.
Kein Verständnis habe ich dafür, dass Umweltverbände gleich nach ihrer Unterschrift schon wieder einen früheren Ausstiegstermin gefordert haben. Was soll diese Rosinenpickerei? Auch wenn die Kohlegegner ökonomische und damit sozialpolitische Dimensionen des Ausstiegs offenbar nicht wahrhaben wollen: Eine noch schnellere Abkehr aus der Kohleverstromung ohne sichere Netzwerke und ohne eine Lösung der technischen Frage der Speicherkapazität wäre ein gefährliches Vabanquespiel mit vielen Hunderttausenden Industriearbeitsplätzen in Deutschland.
Über die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende wird vor allem der ökonomische Erfolg entscheiden. Und auch die ganze Welt wird auf Deutschland schauen, ob die Energiewende wirtschaftlich gelingt. Glaubt wirklich jemand, der deutsche Weg könnte international ein nachahmenswertes Vorbild sein, wenn er ökonomisch scheitert? Deshalb erwarte ich, dass die vier Haltepunkte bis 2032 ernst genommen werden, wonach der Kohleausstieg verschoben werden kann, wenn die Versorgungssicherheit mit Strom nicht zu jeder Zeit zweifelsfrei gewährleistet ist.
Deutschland ist das einzige Industrieland, das sich gleichzeitig von den tragenden Säulen seiner Energieversorgung verabschiedet – der Kernenergie und der Kohle. Unserer Volkswirtschaft steht damit bis 2038 eine zwanzigjährige Operation am offenen Herzen bevor. Ob sie tatsächlich gelingt, vermag heute noch niemand seriös zu sagen.
Noch ist die Empfehlung der Kohlekommission ein Planspiel am grünen Tisch. Dessen Umsetzung ist Aufgabe der Politik. Sie wird bald feststellen, dass es einen Unterschied macht, ob man stillzulegende Kraftwerke und neue Stromleitungen nur auf einer Landkarte einzeichnet oder ob man diese Pläne auch umsetzen muss.
So frage ich mich, woher die Politik ihren Optimismus nimmt, dass der bisher nur schleppende Netzausbau auf einmal massiv beschleunigt werden kann? Von den im Jahr 2008 geplanten 7700 Kilometern Netzstrecke sind bisher nur 950 Kilometer realisiert. Und im Jahr 2017 sind gerade mal 30 Kilometer hinzugekommen. In diesem Tempo sind wir erst in 200 Jahren fertig.
Und was ist mit den Kosten des Netzausbaus? Zwei Milliarden Euro jährlich hat der Bund hier eingeplant. Schon heute ist klar, dass dies bei Weitem nicht reichen wird. Und es dürften noch einmal Kosten für den Netzausbau in gleicher Höhe in Folge des Kernenergieausstiegs hinzukommen. Das alles darf die ohnehin schon teure Stromrechnung nicht noch weiter in die Höhe treiben.
Will die Politik unsere Industrie im internationalen Wettbewerb durch ihre Entscheidungen nicht vollends ins Hintertreffen manövrieren, dann brauchen wir eine verbindliche Deckelung der Strompreise und energieintensive Betriebe einen Ausgleich der energiewendebedingten Zusatzkosten. Das alles muss zudem europarechtlich belastbar sichergestellt werden.
Kohlegegner in der Verantwortung
Keine Frage: Die Energiewende ist gesellschaftlicher Konsens in Deutschland. Umso größer ist jetzt aber auch die gesellschaftspolitische Verantwortung der Kohlegegner, das Land in dieser Frage nicht zu spalten. Die Menschen in unserem Land haben ein feines Gespür dafür, was geht und was nicht geht.
Und deshalb warne ich Grüne und Umweltverbände, einerseits den schnellen Kohleausstieg zu fordern und andererseits Netzausbau und Investitionen in industrielle Ersatzarbeitsplätze zu bekämpfen. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Es war immer eine Stärke unseres Landes, die großen gesellschaftspolitischen Konflikte im Konsens zu befrieden. Ich hoffe sehr, dass uns dies auch dieses Mal gelingt.
Zum Gastbeitrag auf welt.de
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