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Wido Geis-Thöne IW-Kurzbericht Nr. 47 8. April 2020 Zuwanderung hat den Gesundheitsbereich gestärkt

Zwischen Juni 2014 und Juni 2019 ist die Zahl der im Gesundheitswesen und in Pflegeheimen beschäftigten Ausländer um 121.000 gestiegen, was 3,4 Prozent der aktuellen Gesamtbeschäftigung entspricht. Dies hilft nicht nur in der Corona-Krise. Um zusätzliche Fachkräfte für das Gesundheitssystem im In- und Ausland zu gewinnen, sollten die Lehrkapazitäten im einschlägigen Bereich erhöht und das Bildungssystem noch stärker für Personen aus dem Ausland geöffnet werden.

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Zuwanderung hat den Gesundheitsbereich gestärkt
Wido Geis-Thöne IW-Kurzbericht Nr. 47 8. April 2020

Zuwanderung hat den Gesundheitsbereich gestärkt

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Zwischen Juni 2014 und Juni 2019 ist die Zahl der im Gesundheitswesen und in Pflegeheimen beschäftigten Ausländer um 121.000 gestiegen, was 3,4 Prozent der aktuellen Gesamtbeschäftigung entspricht. Dies hilft nicht nur in der Corona-Krise. Um zusätzliche Fachkräfte für das Gesundheitssystem im In- und Ausland zu gewinnen, sollten die Lehrkapazitäten im einschlägigen Bereich erhöht und das Bildungssystem noch stärker für Personen aus dem Ausland geöffnet werden.

Das Corona-Virus macht eine Zuwanderung nach Deutschland derzeit faktisch unmöglich. So sind aktuell fast vollständige Grenzschließungen notwendig, um die weitere Ausbreitung der Krankheit einzudämmen. Dennoch sollten die positiven Effekte der Migration nicht vollständig aus dem öffentlichen Diskurs verschwinden, da gerade in der aktuellen Situation die Gefahr besteht, dass falsche Narrative entstehen und sich verbreiten. Dabei leisten die Zuwanderer derzeit insbesondere bei der in der Krise stark geforderten Gesundheitsversorgung einen großen Beitrag zur Verbesserung der Lage, wie eine Auswertung der Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zeigt.

Diese Daten weisen das höchstmögliche Maß an Messgenauigkeit auf, da sie auf Meldedaten beruhen. Jedoch gibt es einige inhaltliche Einschränkungen. So umfassen sie nicht die selbständigen Dienstleister, wie die niedergelassenen Ärzte, die für die Gesundheitsversorgung in Deutschland eine zentrale Rolle spielen. Auch werden die geringfügig Beschäftigten bei den folgenden Analysen nicht mit betrachtet. Ein weiterer Punkt betrifft die Abgrenzung der Beobachtungsgruppe, die nur anhand der Staatsangehörigkeit erfolgen kann, da das Geburtsland bei den Meldungen zur Sozialversicherung nicht miterfasst wird. Dies führt zu einer deutlichen Unterschätzung der Gesamtzahl der Zuwanderer. So lag die Zahl der im Ausland geborenen Personen zwischen 25 und 64 Jahren im Jahr 2018 mit 11,3 Millionen um den Faktor 1,4 höher als die der Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in derselben Altersgruppe mit 7,3 Millionen (Statistisches Bundesamt, 2019; eigene Berechnungen).

Dabei wäre an sich auch eine Differenzierung nach Einreisejahr wünschenswert, da die Ergebnisse sonst auch frühere Wanderungsbewegungen widerspiegeln können. Dies ist mit den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zwar nicht möglich, jedoch lässt sich die Veränderung der Zahl ausländischer Beschäftigter gegenüber dem Stand von vor fünf Jahren ermitteln. Auch wenn sich ein Teil der hinzugekommenen Personen bereits länger im Land aufgehalten haben dürfte, lässt sich so die quantitative Bedeutung der Zuwanderung der letzten Jahre zumindest näherungsweise abschätzen.

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Bei der Abgrenzung des Gesundheitsbereichs kann man nach Branchen oder Berufen vorgehen. Wählt man zunächst den ersten Weg, sind das Gesundheitswesen (Klassifikation der Wirtschaftszweige – WZ 2008: Abteilung 86) und die Alten- und Pflegeheime (WZ 2008: Abteilung 87) die relevanten Kategorien. Zusammengenommen lag die Zahl der ausländischen Beschäftigten hier im Juni 2019 bei 290.000. Das sind 8,1 Prozent von allen Beschäftigten. Gegenüber Juni 2014 ist die Zahl der im Gesundheitswesen und in Heimen beschäftigten Ausländer bundesweit um 121.000 gestiegen, was rund einem Drittel der Gesamtzunahme der Beschäftigung in Höhe von 376.000 entspricht. Setzt man den Wert von 121.000 ins Verhältnis zur Gesamtbeschäftigung im Juni 2019, so machen allein die seit Juni 2014 hinzugekommenen Ausländer 3,4 Prozent aller Beschäftigten im Juni 2019 aus (Statistisches Bundesamt 2014a, 2019a, eigene Berechnungen).

Betrachtet man die Teilbereiche der Branche, sind die Ausländeranteile in den Alten- und Pflegeheimen (WZ 2008: Abteilung 87) mit 9,8 Prozent und den Krankenhäusern (WZ 2008: Gruppe 861) mit 8,4 Prozent weit höher als im übrigen Gesundheitswesen (WZ 2008: Gruppen 862 und 869) mit 6,1 Prozent. Letzteres umfasst vorwiegend die Arztpraxen, wobei erneut darauf hinzuweisen ist, dass hier nur die angestellten Kräfte und nicht die Inhaber gezählt werden. Die Zahlen der seit Juni 2014 hinzugekommenen ausländischen Beschäftigten lagen in den Alten- und Pflegeheimen im Juni 2019 bei 51.000, was 4,8 Prozent der Gesamtbeschäftigung entspricht, in den Krankenhäusern bei 44.000 oder 3,1 Prozent und im übrigen Gesundheitswesen bei 26.000 oder 2,4 Prozent (Statistisches Bundesamt 2014a, 2019a, eigene Berechnungen).

Grenzt man den Gesundheitsbereich über die Berufe ab, sind die medizinischen Gesundheitsberufe (Klassifikation der Berufe – KldB 2010: Berufshauptgruppe 81) und die Altenpflege (KldB 2010: Berufsgruppe 821) die relevanten Kategorien. Hier arbeiteten im Juni 2019 insgesamt 280.000 Ausländer, was einem Anteil von 8,8 Prozent entspricht. Die Zunahme gegenüber Juni 2014 lag bei 128.000 oder 4,0 Prozent der Gesamtbeschäftigung im Juni 2019. Dabei stellt sich die Lage in den einzelnen Berufsgruppen sehr unterschiedlich dar. Ein besonders hoher Ausländeranteil findet sich bei den angestellten Medizinern (KldB 2010: Berufsgruppe 814) mit 14,9 Prozent. Auch die Zunahme der Zahl der ausländischen Beschäftigten gegenüber Juni 2014 ist bei ihnen mit 16.000, was 5,8 Prozent der Gesamtbeschäftigung entspricht, sehr groß. Noch höher ist der Anteil der seit Juni 2014 hinzugekommenen Ausländer an der Gesamtbeschäftigung allerdings bei den Altenpflegern (KldB 2010: Berufsgruppe 821) mit 7,4 Prozent. Der Anteil der Ausländer insgesamt ist hier jedoch mit 13,6 Prozent etwas niedriger. Deutlich anders stellt sich die Lage bei den Berufen in der Gesundheits- und Krankenpflege und dem Rettungsdienst (KldB 2010: Berufsgruppe 821) dar, die mit einem Ausländeranteil von 8,3 Prozent und einem Anteil der seit 2014 hinzugekommenen Ausländer von 3,8 Prozent jeweils nahe am Berufsfeld insgesamt liegen (Statistisches Bundesamt 2014b, 2019b, eigene Berechnungen).

Für die migrationspolitische Bewertung dieser Ergebnisse ist eine Differenzierung nach Herkunftsregionen wichtig, da klar sein sollte inwieweit es sich um eine Zuwanderung im Rahmen der Freizügigkeit handelt. Entsprechende, nach Staatsangehörigkeit differenzierte, Daten liegen allerdings erst seit dem Jahr 2015 und nur für das Gesundheitswesen (ohne die Pflegeheime) vor. Von den 188.000 hier im Juni 2019 beschäftigten Ausländern entfallen 24,7 Prozent auf die der EU seit 2004 beigetretenen neuen Mitgliedsländer, 21,0 Prozent auf die alten EU-Mitgliedsländer, 30,5 Prozent auf die europäischen Länder, die nicht Teil der EU sind, wozu auch Russland und die Türkei zählen, und 23,8 Prozent auf die übrigen außereuropäischen Länder. Gegenüber Juni 2015 ist hier ein Anstieg der Ausländerzahl um 61.000 zu verzeichnen mit Anteilen von 21,2 Prozent für die neuen EU-Mitgliedsländer, 11,6 Prozent für die alten Mitgliedsländer, 29,3 Prozent für das übrige Europa und 37,9 Prozent für den Rest der Welt (Statistisches Bundesamt 2015, 2019c, eigene Berechnungen). Die Zunahme der Beschäftigung von Ausländern im Gesundheitsbereich speist sich also zu großen Teilen aus Drittstaaten.

Dabei ist ein starker Zuzug von Personen mit Qualifikationen im medizinischen und Pflegebereich aus Drittstaaten nicht nur positiv zu sehen, da er in einigen Herkunftsländern auch zu einer Verschlechterung der Versorgungslage führen kann. Daher wäre es gut, wenn viele zusätzliche Zuwanderer die entsprechende Ausbildung in Deutschland erhalten. Deshalb sollten gerade im Gesundheits- und Pflegebereich der Zugang für Personen aus dem Ausland zu deutschen Bildungssystem weiter verbessert und die Ausbildungskapazitäten im deutschen Bildungssystem entsprechend erhöht werden. Da ein Teil der Zuwanderung nur temporären Charakter hat, können so letztlich auch die Gesundheitskapazitäten in den Herkunftsländern gestärkt werden.

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Zuwanderung hat den Gesundheitsbereich gestärkt
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Wido Geis-Thöne: Zuwanderung hat den Gesundheitsbereich gestärkt

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