Seit seiner Einführung im Jahr 2007 ist nie eine Anpassung der Mindest- und Höchstsätze für das Elterngeld erfolgt. So ist die Kaufkraft des Elterngeldes für Eltern mit höheren und niedrigem Einkommen bis zum Jahr 2023 um rund 38 Prozent gesunken und diese Entwicklung setzt sich ohne Inflationsausgleich weiter fort.
Ohne Inflationsausgleich ändert das Elterngeld seinen Charakter
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Seit seiner Einführung im Jahr 2007 ist nie eine Anpassung der Mindest- und Höchstsätze für das Elterngeld erfolgt. So ist die Kaufkraft des Elterngeldes für Eltern mit höheren und niedrigem Einkommen bis zum Jahr 2023 um rund 38 Prozent gesunken und diese Entwicklung setzt sich ohne Inflationsausgleich weiter fort.
Bereits seit fast vier Jahrzehnten unterstützt die Bundesrepublik Deutschland Eltern finanziell, die in der ersten Lebensphase ihrer Kinder ihre Erwerbstätigkeit einschränken. Ab dem Jahr 1986 wurde ein (Bundes-) Erziehungsgeld gewährt, dessen Bezugsdauer zunächst auf 10 Monate beschränkt und mit dem Anspruch auf den Erziehungsurlaub, den Vorläufer der heutigen Elternzeit, verknüpft war. Die Höhe des Erziehungsgelds lag bei 600 DM und bei höheren Familieneinkommen erfolgte eine Minderung. (BGBl. I 1985, S. 2154). In den Folgejahren wurde die Bezugsdauer des Erziehungsgelds immer weiter ausgeweitet, bis ab dem Jahr 1993 ein Zeitraum von zwei Jahren erreicht war. Gleichzeitig wurde in den 1990er-Jahren der Erziehungsurlaub entkoppelt und auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes ausgeweitet (BGBl. I 1992, S. 68).
Ein Inflationsausgleich wurde beim Erziehungsgeld bis zum Übergang zum Elterngeld im Jahr 2007 nie vorgenommen, sodass seine reguläre Höhe damals noch immer bei 300 Euro im Monat lag, obschon bis zu diesem Zeitpunkt bereits rund 456 Euro notwendig gewesen, um die Kaufkraft von 600 DM im Jahr 1986 zu erhalten (Statistisches Bundesamt, 2024a; eigene Berechnungen). Allerdings hatten die Eltern in der Zwischenzeit die Möglichkeit erhalten, beim Erziehungsgeld eine sogenannte Budgetform zu wählen, bei der sie das Erziehungsgeld nur für ein Jahr mit einem erhöhten Satz von 450 Euro im Monat erhielten (BGBl. 2004, S. 206).
Mit dem Übergang zum Elterngeld wurde der Bezugszeitraum wieder auf ein Jahr ohne die neu hinzugekommenen Partnermonate beschränkt, was im Zusammenspiel mit dem zur gleichen Zeit auf den Weg gebrachten Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr konzeptionell sehr stimmig ist. Auch wurde das Elterngeld als Lohnersatzleistung ausgestaltet, womit die finanzielle Lage von Familien mit mittleren und hohen Einkommen gestärkt wurde. Hingegen wurde für Mütter und Väter ohne vormaliges Einkommen der Wert des Erziehungsgelds von 300 Euro als Mindestsatz beibehalten. Dieser wurde auch nicht mehr angepasst. Dabei hätte er bis zum Jahr 2023 um 37,8 Prozent auf 413 Euro steigen müssen, um den inflationsbedingten Kaufkraftverlust seit dem Jahr 2007 auszugleichen (Statistisches Bundesamt, 2024a; eigene Berechnungen). Dies trifft vor allem in einem traditionellen Rollenmodell lebenden Familien mit einem nicht oder kaum am Arbeitsmarkt aktiven betreuenden Elternteil, wohingegen Beziehende staatlicher Transferleistungen, wie des Bürgergelds, nicht vom Elterngeld profitieren, da eine vollständige Anrechnung erfolgt.
<iframe class="everviz-iframe" src="https://app.everviz.com/embed/-luw7a-gv/?v=6" title="Chart: Höhe des Elterngelds" style="border: 0; width: 100%; height: 500px"></iframe>
Deutlich an Kaufkraft verloren hat das Elterngeld auch für Personen, die den Höchstsatz beziehen, der bei einem Inflationsausgleich von 1.800 Euro auf 2.480 Euro hätte steigen müssen. Hingegen läge das Elterngeld für Personen mit einem (vormaligen) Einkommen im Bereich von 1.650 Euro und 2.770 Euro auch bei einem vollständigen Inflationsausgleich nicht höher, da hier auch weiterhin ein Satz von 65 Prozent gelten würde. Bei den niedrigeren Einkommen im mittleren Bereich ist das etwas anders, da sich mit einem vollständigen Inflationsausgleich die verschiedenen Progressionszone verschoben hätten. Wie sich die Höhe des Elterngelds bei einer Anpassung sämtlicher Parameter an die Preisentwicklung der letzten Jahren von den aktuellen Werten unterscheiden würde, ist in der Abbildung dargestellt.
Die fehlende Anpassung des Höchstsatzes betrifft nicht nur Familien mit hohem Einkommen, sondern immer weitere Teile der Mittelschicht. Hatten nur 6,3 Prozent der Elterngeld beziehenden Mütter und Väter von im Jahr 2011 geborenen Kindern Anspruch auf diesen Höchstsatz, erreichten bereits 16,7 Prozent der Eltern von im Jahr 2021 geborenen Kindern das entsprechende Nettoeinkommen von 2.770 Euro. Dabei ist der Anteil bei den Müttern von 3,4 Prozent auf 10,1 Prozent und bei den Vätern von 16,6 Prozent auf 31,0 Prozent gestiegen. Lässt man die Personen ohne vorheriges Erwerbseinkommen außer Acht, lagen die Anteile bei den im Jahr 2021 geborenen Kindern sogar bei 13,5 Prozent der Mütter und 32,5 Prozent der Väter (Statistisches Bundesamt, 2013, 2024b; eigene Berechnungen).
Ganz ausgeschlossen vom Elterngeldbezug sind Familien mit sehr hohem Einkommen. In der Vergangenheit galten dabei eine Grenze von 300.000 Euro für Paarfamilien, die schrittweise auf 175.000 Euro für ab dem April 2025 geborene Kinder reduziert wird. Anders als bei der Ermittlung der Beitragshöhe wird hier das Bruttoeinkommen der Familie und nicht das Nettoeinkommen des Elternteils zugrunde gelegt, sodass in den nächsten Jahren ein größerer Teil der oberen Mitte der Einkommensverteilung diese Grenze überschreiten könnte, sollte die Inflation wieder stärker voranschreiten.
Seit dem Jahr 2015 haben Mütter und Väter mit dem Elterngeld Plus die Option, ihren Elterngeldbezug bei halbem Satz auf die doppelte Zeit auszuweiten. Dies soll einen frühen Wiedereinstieg in den Beruf in Teilzeit für Mütter (und Väter) fördern, da so ein geringerer Teil der erzielten Erwerbseinkommen auf die Höhe der insgesamt bezogenen Leistungen angerechnet wird. Allerdings kann die Ausweitung der Bezugsdauer auf bis zu zwei Jahre ohne Partnermonate und Sonderregeln für Alleinerziehende auch für Paare, die in einem traditionelleren Rollenbild eine lange eine Auszeit eines Elternteils planen, attraktiv sein. Dabei erhielten 21,8 Prozent aller und 22,9 Prozent der weiblichen Beziehenden von Elterngeld Plus im Jahr 2023 Leistungen in Höhe von weniger als 300 Euro (Statistisches Bundesamt, 2024c; eigene Berechnungen), was darauf hindeutet, dass die betreffenden Personen vor der Geburt des Kindes eher arbeitsmarktfern waren. Insgesamt nahmen 32,2 Prozent der Mütter und 14,2 Prozent der Väter, die für im Jahr 2021 geborene Kinder Elterngeld bezogen hatten, Elterngeld Plus in Anspruch, wobei die Tendenz steigend ist (Statistisches Bundesamt, 2024b; eigene Berechnungen).
Während das Erziehungsgeld eine reine Unterstützungsleistung für Familien darstellte, werden mit dem Elterngeld auch gleichstellungspolitische Ziele verfolgt. So wird ein Bonus von bis zu zwei Bezugsmonaten beim Basiselterngeld und vier Monaten beim Elterngeld Plus gewährt, wenn beide Elternteile Elterngeld in Anspruch nehmen. Allerdings gilt dabei seit dem Jahr 2024 die Einschränkung, dass beim Basiselterngeld nur einer der Bonusmonate parallel zum Elterngeldbezug des zweiten Elternteils genommen werden kann. Bezogen noch nur 28,0 Prozent der Väter von im Jahr 2011 geborenen Kindern Elterngeld, lag dieser Anteil bei im Jahr 2021 geborenen Kindern bereits bei 46,2 Prozent. Allerdings lag die durchschnittliche Bezugsdauer der Väter, trotz Einführung des Elterngeld Plus, mit jeweils 3,3 Monaten für in den Jahren 2011 und 2021 geborene Kinder gleich hoch. Nimmt man nur das Basiselterngeld in den Blick waren es bei den im Jahr 2021 sogar nur 2,7 Monate (Statistisches Bundesamt, 2013; 2024b). Dies weist klar darauf hin, dass die Väter in den meisten Familien nach wie vor nur die Bonusmonate nutzen. Hier ist auch nicht förderlich, dass die Väter mit ihrem Einkommen inflationsbedingt immer häufiger den Höchstsatz beim Elterngeld erreichen und der relative Einkommensverlust für die Familien entsprechend zunimmt.
In den letzten Jahren wurde auf politischer Ebene allerdings nicht über den an sich fälligen Inflationsausgleich gesprochen, sondern mit Blick auf die Konsolidierung des Bundeshaushalts nach Einsparmöglichkeiten gesucht, was letztlich auch zum Absenken der Einkommenshöchstgrenzen für den Elterngeldbezug geführt hatte. Würde man zum Grundkonzept des vormaligen Erziehungsgelds zurückkehren und die Höhe des Elterngelds nur am Bedarf finanziell schlechter gestellter Familien ausrichten, anstatt auch den Lebenstand von Familien mit höherem Einkommen zu sichern, ließen sich sehr viel weitreichendere Ausgabensenkung erzielen. Allerdings würde damit das Ziel, für alle Familien einen Schonraum in der ersten Lebensphase des Kindes zu schaffen und so Paaren die Gestaltung des Familienlebens nach ihren Wünschen und die Entscheidung für Kinder zu erleichtern, aufgegeben. Auch wären die gleichstellungspolitischen Potenziale des Elterngeldes dann nur noch sehr begrenzt. Dabei hatte sich die Politik in den 2000er-Jahren für den Übergang zum Elterngeld entschieden, da sie hier Handlungsbedarf gesehen hatte (BMFSFJ, 2008). Soll das Elterngeld hingegen wie bisher wirken, sollte das Sicherungsniveau auch für Familien mit höheren Einkommen real und nicht nur nominal erhalten bleiben, wofür der Inflationsausgleich unumgänglich ist.
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