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Wido Geis / Beate Placke / Axel Plünnecke Gutachten 30. Juni 2016 Integrationsmonitor: ein Fortschrittsbericht

Gut acht Prozent der Unternehmen beschäftigen zurzeit Flüchtlinge oder haben dies in den vergangenen zwei Jahren getan. Das Gutachten für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft schildert die Probleme beim Zugang von Flüchtlingen auf den deutschen Arbeitsmarkt und präsentiert Einschätzungen von Unternehmen zur Integration von Flüchtlingen.

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Gutachten
ein Fortschrittsbericht
Wido Geis / Beate Placke / Axel Plünnecke Gutachten 30. Juni 2016

Integrationsmonitor: ein Fortschrittsbericht

Gutachten für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Gut acht Prozent der Unternehmen beschäftigen zurzeit Flüchtlinge oder haben dies in den vergangenen zwei Jahren getan. Das Gutachten für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft schildert die Probleme beim Zugang von Flüchtlingen auf den deutschen Arbeitsmarkt und präsentiert Einschätzungen von Unternehmen zur Integration von Flüchtlingen.

Jüngste Daten zur Flüchtlingsmigration zeigen nach dem Schließen der Balkanroute in den ersten Monaten des Jahres 2016 einen Rückgang der Erstregistrierungen von Flüchtlingen in Deutschland von 206.100 im November 2015 auf 16.300 im Mai 2016. Die Altersstruktur der Asylbewerber der Jahre 2014, 2015 und des ersten Quartals 2016 macht deutlich, dass mit fast 70 Prozent die meisten Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter sind und diese wiederum vor allem im Alter von 18 bis 34 Jahren. Dazu ist ein hoher Anteil von rund 30 Prozent minderjährig und mündet damit in Schule oder Berufsausbildung ein.

Erste Daten zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zeigen, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Personen mit einer Staatsangehörigkeit aus Syrien, Eritrea, Irak und Afghanistan (vier Flüchtlingsherkunftsländer) von 35.200 im Januar 2014 auf rund 53.500 im März 2016 gestiegen ist. Unter diesen Beschäftigten ist im November 2015 mit 46,6 Prozent fast die Hälfte jedoch nur auf dem Anforderungsniveau eines Helfers beschäftigt.

Während in Industrieberufen im September 2015 rund 4.700 Personen aus den vier Flüchtlingsherkunftsländern als Fachkraft oder Spezialist (also auf Stellen mit Anforderung einer Berufsausbildung oder Aufstiegsqualifizierung) beschäftigt sind, ist in den Gesundheitsberufen dieses Tätigkeitsniveau mit 381 Personen eher die Ausnahme. Entgegengesetzte Effekte sind bei akademischen Tätigkeiten in den sogenannten Expertenberufen zu beobachten – rund 300 Personen sind in Industrieberufen wie Informatiker oder Ingenieur beschäftigt im Vergleich zu knapp 1.800 Personen in akademischen Gesundheitsberufen wie Arzt. Insgesamt zeigt sich vor allem in diesen Berufen auch im Zeitverlauf eine erfreuliche Dynamik.

Dynamischer als die Beschäftigung ist jedoch seit Januar 2014 die Arbeitslosigkeit von Personen aus den vier Flüchtlingsherkunftsländern gestiegen – von 33.800 im Januar 2014 auf 123.500 im Mai 2016. Unter den Arbeitslosen sind 81 Prozent ohne abgeschlossene Berufsausbildung. In der Gesamtbevölkerung in Deutschland beträgt dieser Anteil unter Arbeitslosen rund 48 Prozent. Unter den Arbeitslosen aus den vier Flüchtlingsherkunftsländern sind folglich vergleichsweise wenig qualifizierte Personen zu finden. Aufgrund der hohen Zuwanderungsdynamik und der erst im Zeitablauf steigenden Erwerbsperspektive ist die (unechte) Arbeitslosenquote auf Basis der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von rund 50 Prozent im Januar 2014 auf rund 65 Prozent im März 2016 gestiegen. Bei der Gesamtbevölkerung beträgt der entsprechende Vergleichswert 8,4 Prozent.

Diese Entwicklung ist nicht so problematisch, wie es auf den ersten Blick scheint. So ist aus der Vergangenheit bekannt, dass die Arbeitsmarktintegration von als Flüchtlingen zugewanderten Personen deutlich langsamer verläuft als die Integration anderer Zuwanderergruppen. Die ehemaligen Flüchtlinge können mit Blick auf die Erwerbstätigkeit nach rund 15 Jahren Aufenthalt in Deutschland aufholen. Die hohen Arbeitslosenzahlen können vor diesem Hintergrund auch dahingehend interpretiert werden, dass die Flüchtlinge nun zunehmend am deutschen Arbeitsmarkt ankommen.

Um aktuelle Einschätzungen der Unternehmen zum Thema „Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt“ zu erheben, wurden im Frühjahr 2016 insgesamt 540 Personalverantwortliche online befragt.

Die wesentlichen Ergebnisse der Befragung lauten wie folgt:

  • Etwas mehr als acht Prozent der Unternehmen beschäftigen aktuell Flüchtlinge oder haben dies innerhalb der letzten zwei Jahre getan. Je größer ein Unternehmen ist, desto eher verfügt es über entsprechende Erfahrungen: In großen Unternehmen ab 250 Mitarbeitern berichtet mehr als ein Fünftel der Befragten hiervon.
  • In der Befragung signalisieren die Unternehmen eine grundsätzliche Bereitschaft, Flüchtlinge einzustellen. In den nächsten sechs Monaten planen allerdings nur wenige Unternehmen („Ja“: 2 Prozent; „Eher ja“: 7 Prozent), Flüchtlinge zu rekrutieren. Innerhalb der kommenden fünf Jahre sieht jedoch gut die Hälfte der Unternehmen ein zumindest geringes Potenzial der Flüchtlinge zur Deckung ihres Personalbedarfs. Es gilt: Je größer die Unternehmen sind, desto häufiger haben sie kurzfristig Einstellungspläne und sehen mittelfristig Potenziale zur Deckung ihres Personalbedarfs.
  • Besonders hervorzuheben sind Unternehmen, die in den letzten zwei Jahren Beschäftigungserfahrungen mit Flüchtlingen gesammelt haben: Sie planen kurzfristig überdurchschnittlich häufig, weitere Flüchtlinge zu beschäftigen. Auch sehen sie mittelfristig in Flüchtlingen deutlich mehr Potenzial zur Deckung ihres Personalbedarfs. Diese Ergebnisse deuten auf positive Erfahrungen bei der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen in diesen Unternehmen hin.
  • Aus Unternehmenssicht stellen vor allem unzureichende Deutschkenntnisse und mangelnde fachliche Kompetenzen eine große Hürde für die Einstellung von Flüchtlingen dar. Daneben bewertet die Mehrheit der Unternehmen unzureichende Informationen zum Qualifikationsniveau, Unsicherheiten bezüglich der Beschäftigungsdauer und den bürokratischen Aufwand bei der Einstellung von Flüchtlingen als zumindest mittlere Hürde.
  • Unter verschiedenen Beschäftigungsformen sehen die Unternehmen am häufigsten Einsatzmöglichkeiten von Flüchtlingen im Rahmen eines Praktikums. Aber auch hinsichtlich der Möglichkeit, Flüchtlingen einen betrieblichen Ausbildungsplatz anzubieten, zeigen sich die befragten Unternehmen durchaus aufgeschlossen.
  • Die Frage, ob Zeitarbeit ein geeignetes Instrument darstellt, um die Einstiegsmöglichkeiten von Flüchtlingen auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu fördern, wird von den Unternehmen häufiger bejaht (45 Prozent) als verneint (36 Prozent). Mit einem Anteil von fast sieben Zehnteln geben große Unternehmen hier überdurchschnittlich häufig ein positives Urteil ab.
  • Für die Vergabe von Ausbildungsplätzen an Flüchtlinge spielt für die Unternehmen Planungssicherheit eine wichtige Rolle: Die große Mehrheit der befragten Unternehmen sieht die mögliche Unsicherheit hinsichtlich der rechtlich zulässigen Dauer des Aufenthalts von Flüchtlingen als Einstellungshürde an.

Um die ersten Beschäftigungsspuren einzuordnen und die von den Unternehmen als zentrales Beschäftigungshemmnis genannten Sprachdefizite näher zu untersuchen, wurden abschließend auf Basis einer Migrantenstichprobe die Bedeutung von Sprachdefiziten auf die Erwerbschancen untersucht. Es zeigt sich bei Kontrolle anderer relevanter Faktoren, dass die Wahrscheinlichkeit, erwerbstätig zu sein, bei Zuwanderern im Alter zwischen 25 und 64 Jahren, die nach ihrer eigenen Einschätzung sehr gut deutsch sprechen, um 8,5 Prozentpunkte höher und bei Personen, die schlecht deutsch sprechen, um 18,3 Prozentpunkte niedriger liegt als bei Personen, die ihre Sprachkenntnisse im mittleren Bereich verorten. Bezogen auf eine qualifizierte Beschäftigung ist der Effekt der Sprachkenntnisse noch einmal deutlich größer. Als zentrale Forderung für eine schnellere Integration ergibt sich damit neben der schnelleren Klärung des Rechtsstatus der Zugang zu Sprachkursen.

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