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Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 86 20. November 2021 Ohne Steuererhöhungen und neue Schulden: mehr Geld für die Ampel

Eine zentrale Frage in den Koalitionsverhandlungen ist, wie die vielen Vorhaben von SPD, Grünen und FDP finanziert werden sollen. Auch ohne höhere Steuern und ohne Aufweichen der Schuldenbremse ist die Suche nach zusätzlichen Spielräumen nicht aussichtslos.

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mehr Geld für die Ampel
Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 86 20. November 2021

Ohne Steuererhöhungen und neue Schulden: mehr Geld für die Ampel

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Eine zentrale Frage in den Koalitionsverhandlungen ist, wie die vielen Vorhaben von SPD, Grünen und FDP finanziert werden sollen. Auch ohne höhere Steuern und ohne Aufweichen der Schuldenbremse ist die Suche nach zusätzlichen Spielräumen nicht aussichtslos.

In den andauernden Koalitionsverhandlungen geht es vor allem um die Frage, wo das Geld für die Projekte einer möglichen Ampel-Regierung herkommen soll. SPD und Grüne hatten im Wahlkampf für Steuererhöhungen geworben, um ihre Ausgabenpläne zu finanzieren. Doch das Sondierungspapier schiebt Steuererhöhungen auf Druck der FDP einen Riegel vor. Die Grünen wollten zudem, dass Kredite für öffentliche Investitionen nicht von der Schuldenbremse begrenzt werden. Doch im Sondierungspapier wird ein Aufweichen der Schuldenbremse abgelehnt. Diese Festlegung schränkt den Handlungsspielraum ab dem Jahr 2023, wenn die Verschuldungsgrenzen voraussichtlich wieder greifen, deutlich ein.

Was einer möglichen Ampel-Regierung bleibt, ist die Hoffnung darauf, dass die Steuereinnahmen wieder kräftig zulegen. Nach der aktuellen Steuerschätzung erreichen die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen bereits in diesem Jahr wieder das Vorkrisenniveau. Die Steuereinnahmen des Bundes liegen voraussichtlich aber erst im Jahr 2022 wieder auf dem Niveau des Jahres 2019 (BMF, 2021). Gegenüber der kurz vor der Bundestagswahl verabschiedeten Finanzplanung kann eine mögliche Ampel-Regierung laut Steuerschätzung mit zusätzlich rund 13 Milliarden Euro pro Jahr mehr rechnen, auch wenn ein Teil davon Ergebnis einer höheren Inflationsrate ist.

Je nach Gelingen der Vorhaben einer Ampel-Regierung könnten zusätzliche Einnahmen aus einer Legalisierung von Cannabis in Höhe von 2,5 Milliarden Euro jährlich erfolgen (Haucap/Knoke, 2021). Auch die geplante Mindeststeuer und die zusätzliche Besteuerung besonders gewinnträchtiger Konzerne sollen zusätzliche Einnahmen ermöglichen. In der Summe könnte dies im Zeitraum von 2023 bis 2025 für den Bund zusätzliche Einnahmen von mehr als 50 Milliarden Euro bedeuten. Gleichzeitig ist in der bisherigen Finanzplanung beispielsweise aber noch nicht der weitere Ausgleich der kalten Progression berücksichtigt. Im Sondierungspapier findet sich dazu kein Hinweis.

Auch auf der Ausgabenseite besteht für die Verhandler Hoffnung auf zusätzliche Haushaltsspielräume. Bei den Zinsausgaben geht die noch amtierende Bundesregierung von einem Anstieg von 6,5 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 10 Milliarden Euro im Jahr 2021 und 15 Milliarden Euro im Jahr 2025 aus. Der sprunghafte Anstieg ist im Wesentlichen auf höhere unterstellte Zinssätze zurückzuführen, nicht auf den gestiegenen Schuldenstand. Bei einem eher moderaten Anstieg des durchschnittlichen Zinssatzes – wie er beispielsweise im vorherigen Finanzplan noch unterstellt war – könnten die Zinsausgaben unter den Planwerten liegen, wie es auch in den vergangenen Jahren regelmäßig der Fall war (Bundesrat, 2020; Deutscher Bundestag, 2021).

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Die krisenbedingt aufgenommenen Kredite sind nach der Schuldenbremse in einem angemessenen Zeitraum zu tilgen. Der Bund sieht bisher einen Zeitraum von 20 Jahren vor. Eine Verdopplung des Zeitraums wäre im Einklang mit der Schuldenbremse und würde angesichts des derzeitigen Zinsniveaus zu keinen zusätzlichen Belastungen führen, sondern stattdessen in den kommenden Jahren zusätzlichen Spielraum schaffen. Zwar läge der dazugewonnene Haushaltsspielraum in den Jahren 2023 bis 2025 nur bei 1 Milliarde Euro pro Jahr, doch ab 2026 wären es schon 10 Milliarden Euro pro Jahr (Deutscher Bundestag, 2021).

Hinzu kommen weitere mögliche Handlungsoptionen auf der Ausgabenseite: Viel wird von einem Abbau von Subventionen gesprochen. Das klingt in der Regel verlockend, zumal sich die Finanzhilfen des Bundes laut Planung im Jahr 2022 gegenüber dem Jahr 2019 von 8 Milliarden Euro auf 28 Milliarden Euro mehr als verdreifachen (Bundesregierung, 2020). Dabei werden die zusätzlichen Zuschüsse vornehmlich für Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt, insbesondere für die Bereiche energetische Gebäudesanierung, E-Autos und Dekarbonisierung. Hinzu kommen Digitalisierung und sozialer Wohnungsbau. Gleichwohl kann eine neue Regierung andere Akzente setzen, wie beispielsweise mit Blick auf die Förderung von Hybrid-Modellen aus der FDP verlautet (FAZ, 2021). Einige Subventionen wie das Baukindergeld sind allerdings für einen längeren Zeitraum bindend.

Das Hinterfragen bestehender Subventionen gilt auch für Steuervergünstigungen, die neben den Finanzhilfen den zweiten Block der Subventionen darstellen. Insgesamt belaufen sich die Steuervergünstigungen im kommenden Jahr auf 34 Milliarden Euro, von denen knapp 20 Milliarden Euro auf den Bund entfallen. Die größten Einzelposten für den Bund sind die steuerfreien Schichtzuschläge, die Ermäßigung für Renovierungsaufwand und der reduzierte Mehrwertsteuersatz für kulturelle Leistungen und Restaurants. Einschränkungen in diesen Bereichen würden wohl als Steuererhöhungen wahr-genommen werden. Einschränkungen bei den Energiesteuern würden die betroffenen Branchen treffen und die wirtschaftliche Dynamik gefährden. Die Pendlerpauschale oder die Dieselbesteuerung zählen in der Abgrenzung der Bundesregierung nicht zu den Subventionen, sondern sind allgemeine steuerliche Regelungen. Eine Änderung, wie von den Grünen gefordert, würde im Zweifelsfall auch als Steuererhöhung interpretiert werden (FAZ, 2021). Nicht zuletzt angesichts des noch von der amtierenden Bundesregierung vorangetriebenen Ausbaus der Subventionen könnte sich eine neue Regierung zum Ziel setzen, das Volumen zu hinterfragen und strukturelle Veränderungen vorzunehmen. Das Einstellen einer Subvention stellt dabei nicht automatisch eine Steuererhöhung dar.

Weitere Einsparungen im Bundeshaushalt sollten ebenfalls kein Tabu sein. Wenn es eine Verschiebung hin zu mehr Investitionen geben soll, müssen unter anderem die Sozialausgaben stärker beleuchtet werden. Beispielsweise steigen die Sozialausgaben laut Finanzplanung des Bundes in den Jahren 2023 bis 2025 stärker als die Gesamtausgaben. Eine neue Bundesregierung sollte sich darüber hinaus zum Ziel setzen, in der Pandemie hinzugekommene Ausgabeposten zurückzuführen.

Eine möglicherweise weniger streitanfällige Finanzierungsquelle wäre die Veräußerung von Staatsbeteili-gungen. Im Fokus stehen dabei die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Post AG. Wenn Bund und KfW ihre Staatsbeteiligungen abstießen, könnten der Bund einmalig über rund 25 Milliarden Euro und die KfW über rund 15 Milliarden Euro verfügen – gemessen am aktuellen Börsenwert. Allerdings müssten die Erlöse in dem Fall beispielsweise in eine Investitionsgesellschaft fließen, sonst machte die Schuldenbremse den vermeintlichen Spielraum wieder zunichte, da es sich um eine sogenannte finanzielle Transaktion handelt. Obwohl die KfW mehr Anteile an den beiden Unternehmen hält als der Bund, fiele der Verkaufserlös mehrheitlich dem Bund zu. Der Grund dafür ist, dass die im Erlös enthaltenen Gewinne aus der KfW-Beteiligung vertraglich dem Bund zustehen (Deutscher Bundestag, 2019).

Selbst ohne Ausgabenkürzungen hätte eine neue Bundesregierung zusammen betrachtet in den Jahren 2023 bis 2025, wenn die normalen Regeln der Schulden-bremse voraussichtlich wieder gelten, schätzungsweise 95 Milliarden Euro mehr als bisher geplant zur Verfügung (Tabelle). Auf rund 15 Milliarden Euro davon hätte der Bund jedoch keinen direkten Zugriff, da der Betrag auf die KfW entfiele. Die staatseigene Förderbank könnte die Mittel allerdings ebenfalls nutzen, um private Investitionen auf den Weg zu bringen. Da es sich bei den Beteiligungserlösen um Einmaleffekte handelt, ist auch klar, dass längst nicht alle im Sondierungspapier festgehaltenen Projekte mit diesen transitorischen Spielräumen finanziert werden können. Zusätzliche Haushaltsspielräume sollten aus ökonomischer Sicht vor allem für Zukunftsinvestitionen genutzt werden. Allerdings besteht nach dem Non-Affektationsprinzip keine Pflicht für den Gesetzgeber, Finanzmittel nach Kriterien wie Zukunftsbezogenheit zu verwenden. Zusätzliche Spielräume führen nicht zwangsläufig zu mehr Investitionen in Klimaschutz oder Digitalisierung.

Zudem weist die bisherige Finanzplanung für den Zeitraum von 2023 bis 2025 noch Lücken in Höhe von insgesamt 24 Milliarden Euro auf, die durch bisher unbestimmte Einsparungen geschlossen werden sollen. Die allgemeine Rücklage in Höhe von 48 Milliarden Euro ist bereits vollständig verplant (Hentze, 2021). Gleichzeitig verfügt der Bund noch über vielfältige Sondervermögen, mit denen Investitionsvorhaben auf den Weg gebracht werden können (Hüther/Obst, 2021). Eine neue Bundesregierung sollte vor diesem Hintergrund die Haushaltsgrundsätze der Einheit und Klarheit stärker beachten, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

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