Vorteile und zukünftige Herausforderungen
Die Bedeutung der Langfristfinanzierung durch Banken
IW-Analysis
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Vorteile und zukünftige Herausforderungen
Die neuen Finanzmarktregulierungen, die vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise entwickelt wurden, werden die Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe durch Banken deutlich verändern. Das wesentliche Ziel ist es dabei, die Krisenanfälligkeit des Finanzsystems zu reduzieren und künftige Interventionen der Staaten aufgrund von Insolvenzen von Banken, die sys-temisch wirken können, zu vermeiden. Dieses Ziel ist verständlich. Basel III und auch Solvency II werden dazu beitragen können, dass Banken und Versicherungen in Zukunft robuster werden. Allerdings stellt sich zunehmend die Frage, ob Banken in Zukunft noch genauso leistungsfähig sind und vor allem ihre volkswirtschaftlichen Funktionen noch ausfüllen können. Insbe-sondere die Fähigkeit zur langfristigen Kreditvergabe scheint gefährdet, wie etwa das Grünbuch der EU-Kommission zur Langfristfinanzierung heraus-stellt. Die EU-Kommission schlägt daher vor, die Langfristfinanzierung künftig verstärkt auf andere Finanzintermediäre zu verlagern, zum Beispiel Versicherungen und Fonds.Dies stellt die Ausgangslage für die folgende Analyse dar, in der vor allem drei wichtige Leitfragen im Mittelpunkt stehen:
- Welche Bedeutung hat die Langfristfinanzierung für die Realwirtschaft?
- Können alternative Finanzintermediäre Banken in der Langfristfinanzie-rung substituieren?
- Wie stellt sich die Langfristfinanzierung durch Banken unter den neuen Regeln dar und welche Anpassungen müssen im Regelwerk vorgenommen werden, um die Funktionsfähigkeit der Banken zu erhalten?
In Kapitel 3 wird die Bedeutung der Langfristfinanzierung für die Real-wirtschaft beleuchtet. Die Darstellung erfolgt dabei anhand des Wohnungs-marktes, der zum einen quantitativ äußerst bedeutend ist und für den zum anderen auch genügend Daten für einen internationalen Vergleich zur Ver-fügung stehen. Wie sich zeigt, ist die Finanzierung des Wohnungsmarktes international sehr unterschiedlich. Während etwa in Deutschland langfristige Zinsbindungen dominieren, werden im Vereinigten Königreich die meisten Darlehen variabel verzinst. Diese Unterschiede wirken sich maßgeblich auf die Stabilität der Wohnungsmärkte aus. So weisen Märkte, in denen die Langfristfinanzierung dominiert, wesentlich geringere Preisschwankungen auf als andere Märkte. Ursächlich hierfür ist, dass Zinsschwankungen einen geringeren Effekt auf die Nachfrage haben. Diese Zusammenhänge lassen sich grundsätzlich auch auf andere Märkte übertragen, wobei etwa die Un-ternehmensfinanzierung auch innerhalb eines Landes deutlich größere Un-terschiede aufweist. Dass die Vorteile der Langfristfinanzierung hinsichtlich der makroökonomischen Stabilität nicht überall genutzt werden, hängt mit den Kosten der Langfristfinanzierung, die maßgeblich durch den regulato-rischen Rahmen und durch Größenvorteile in der Bereitstellung determiniert werden, sowie den individuellen Präferenzen zusammen. Gerade in Ländern mit geringerer Sparquote dominieren oft kurzfristige Darlehen, auch weil die Haushalte und Unternehmen flexibel bleiben möchten.
In Kapitel 4 wird diskutiert, welche Finanzintermediäre langfristige Dar-lehen anbieten können. Die Darstellung beginnt dabei mit den Banken, deren volkswirtschaftliche Aufgaben gerade in der Zusammenführung von Sparern und Investoren sowie in der Fristentransformation bestehen. Banken verfü-gen darüber hinaus über einen breiten Refinanzierungsmix, der ihnen in besonderer Weise die Möglichkeit der langfristigen Kreditvergabe eröffnet. Generell können langfristige Darlehen über Einlagen, Schuldverschreibungen oder Asset Backed Securities (ABS) refinanziert werden. Diese Refinanzie-rungen sind in allen betrachteten Ländern verfügbar, wenn auch in unter-schiedlicher Gewichtung. Sofern sich eine entsprechende Nachfrage entfaltet, können somit auch in allen Ländern langfristige Kredite durch Banken vergeben werden. Allerdings zeigt ein historischer Exkurs auch, dass sich die Langfristfinanzierung zunächst etablieren muss, das heißt, die Langfrist-finanzierung setzt entsprechende Erfahrungen der Marktteilnehmer voraus.
Im Vergleich zu anderen Finanzintermediären haben Banken strukturelle Vorteile in der Langfristfinanzierung. So können sie aufgrund der Größe ihrer Kreditportfolios Losgrößen besser transformieren und Laufzeitenunter-schiede besser austarieren, wodurch sie Kredite durchschnittlich günstiger anbieten können. Außerdem sind sie auf die Bonitätsprüfung und Über-wachung der Risiken spezialisiert. Versicherungen können zwar auch Kredite bereitstellen, doch für sie ist die Kreditvergabe immer nur eine unter vielen Anlagen, da ihr Ziel in der Portfoliodiversifikation besteht. Daher vergeben Versicherungen zwar Kredite, kooperieren dabei aber in der Regel mit Banken. Dies gilt im Wesentlichen auch für Kreditfonds und andere alternative An-bieter, die im Vergleich zu Banken Größennachteile haben. Hinzu kommt, dass es den Fonds in der Regel an langfristigen Kapitalgebern fehlt, die für eine Langfristfinanzierung notwendig wären. Alles in allem können alterna-tive Finanzintermediäre Banken nicht substituieren, sondern vor allem als Komplementäre fungieren. Insbesondere können sie über den Kauf von gedeckten Schuldverschreibungen (Covered Bonds) oder ABS die Refinanzierung der Banken verbessern und gleichzeitig an dem Rendite-Risiko-Profil der Kreditvergabe partizipieren.
Dennoch ist zukünftig mit einer stärkeren Kreditvergabe durch alternative Finanzierer zu rechnen. Der Grund ist in der Regulierung zu sehen, die diese Finanzierer gegenüber klassischen Finanzierern begünstigt. Dies steht in Kapitel 5 im Fokus. Für Banken erweisen sich die im Rahmen der CRD IV (Capital Requirements Directive) vereinbarte ungewichtete Leverage Ratio und die Net Stable Funding Ratio (NSFR) als Hemmnis für die Langfrist-finanzierung. Die ungewichtete Leverage Ratio stellt eine Mengenbegrenzung dar, die vor allem Spezialfinanzierer trifft, die sich auf die risikoarme Lang-fristfinanzierung von Immobilien und Gebietskörperschaften fokussieren. Dieses Geschäftsfeld ist im Vergleich zum Investmentbanking margenarm, weshalb unter den gegebenen Bedingungen zusätzliche Eigenkapitalgeber nur schwer zu akquirieren sind. In der Folge verkürzen diese Institute ihre Bilanzen, was auch die Langfristfinanzierung schwächt. Die NSFR setzt zusätzlich Anreize, die Kreditlaufzeiten zu reduzieren. Zudem werden auch die neuen internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS 9) des Inter-national Accounting Standards Boards den Rückstellungsbedarf für die langfristige Kreditvergabe vergrößern. Darüber hinaus wird die Nachfrage nach langlaufenden Schuldverschreibungen durch Versicherungen aufgrund von Solvency II gemindert, weshalb die langfristige Refinanzierung erschwert wird.
Im Vergleich hierzu werden andere Finanzintermediäre weniger reguliert. Dies setzt Anreize, die Kreditvergabe zu verlagern, womit aber gleichsam auch neue Risiken entstehen. Schließlich wird die Stabilität des Finanzsystems nicht erhöht, wenn Banken zwar stabiler werden, dafür aber neue Risiken in weniger regulierten Bereichen entstehen. Im Gegenteil: Während man über einen reichen Erfahrungsschatz bei der Beurteilung von aufkommenden Bankenkrisen verfügt, ist die Situation im Schattenbankensektor deutlich schwieriger zu beurteilen.
Gefordert wird daher ein einheitliches Level Playing Field, also ein ein-heitliches Rahmenwerk für Finanzintermediäre. Außerdem muss der Ansatz von Basel III überdacht werden. Sowohl die ungewichtete Leverage Ratio als auch die NSFR sind Hilfsmaße, die nur indirekt auf die Insolvenzwahrschein-lichkeit hindeuten. Daher ist es geboten, diese Kennziffern weniger restriktiv zu handhaben, sondern eher als Beobachtungskennziffern zu nutzen. Bei Abweichungen kann dann eine eingehendere Prüfung eingeleitet werden. Mehr individuelle Prüfungen würden zwar vermutlich zu höheren Kosten in der Regulierung und Aufsicht führen. Allerdings ist ein einheitlicher Ansatz angesichts der Vielzahl der Geschäftsmodelle nicht zu rechtfertigen. Vor allem aber wäre die Reduzierung der Langfristfinanzierung für die Realwirtschaft mit weit höheren Kosten verbunden.
Michael Hüther / Michael Voigtländer / Heide Haas / Philipp Deschermeier: The importance of long-term financing by banks – Advantages and future challenges
IW-Analysis
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Michael Hüther / Michael Voigtländer / Heide Haas / Philipp Deschermeier: Die Bedeutung der Langfristfinanzierung durch Banken – Vorteile und zukünftige Herausforderungen
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