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Martin Beznoska / Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 32 21. April 2017 Erbschaftsteuer: Flat-Tax-Modell schlecht für kleine Unternehmen

Ein Flat-Tax-Modell mit einer breiten Bemessungsgrundlage und einem einheitlichen Steuersatz würde die Erbschaftssteuer vereinfachen. Im Vergleich zum jetzigen Recht müssten dann Erben von kleinen und mittleren Unternehmen höhere Steuern zahlen, während große Erb- und Schenkungsfälle in der Regel bessergestellt würden.

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Flat-Tax-Modell schlecht für kleine Unternehmen
Martin Beznoska / Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 32 21. April 2017

Erbschaftsteuer: Flat-Tax-Modell schlecht für kleine Unternehmen

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Ein Flat-Tax-Modell mit einer breiten Bemessungsgrundlage und einem einheitlichen Steuersatz würde die Erbschaftssteuer vereinfachen. Im Vergleich zum jetzigen Recht müssten dann Erben von kleinen und mittleren Unternehmen höhere Steuern zahlen, während große Erb- und Schenkungsfälle in der Regel bessergestellt würden.

Die Politik hat lange gebraucht, um die vom Bundesverfassungsgericht im Dezember 2014 angestoßene Reform der Erbschaftsteuer auf den Weg zu bringen. Erst mit der Zustimmung des Bundesrats am 14. Oktober 2016 waren die Gesetzesänderungen beschlossen. Die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist war zu dem Zeitpunkt bereits um mehr als drei Monate überschritten. Das Gesetz trat rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft. Zweifelsfrei bleibt das Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht auch nach der Reform sehr kompliziert. Die vom Bundesverfassungsgericht kritisierten Punkte – Anwendung der Lohnsummenklausel, Berücksichtigung des Verwaltungsvermögens und Behandlung großer Erbfälle – hat die Politik mit dem Reformgesetz zumindest aufgegriffen. Durch die Reform sind weniger Unternehmenserben per se von einer Steuerzahlung ausgenommen, Verwaltungsvermögen wird weniger großzügig verschont und Erben größerer Unternehmen werden stärker belastet (Beznoska/Hentze, 2016a). Allerdings bleibt auch nach Inkrafttreten des Gesetzes fraglich, ob das Gesetz dem Richterspruch genügt und damit eine Verfassungsmäßigkeit sicherstellt (Thonemann-Micker, 2016, 2321 f.).

Die Debatte über Sinn und Unsinn der Erbschaftsteuer hält daher im Vorfeld der Bundestagswahl an. Die Diskussionslinie verläuft zwischen einer Abschaffung der Steuer und einer Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen zu 100 Prozent. Ein Vorschlag, der über Parteigrenzen hinweg viel Sympathie erhält, ist die Einführung eines sogenannten „Flat-Tax-Modells“, ein System mit einer breiten Bemessungsgrundlage bei einem vergleichsweise geringen Steuersatz (Sachverständigenrat, 2016, 399; BMF, 2017, 38). Beispielsweise haben Bündnis90/Die Grünen ein solches Modell mit einem Steuersatz in Höhe von 15 Prozent gefordert (Bundestag, 2016). Die nord- rhein-westfälische FDP spricht sich für ein „Flat-Tax-Modell“ mit einem Steuersatz von 10 Prozent aus (FDP, 2016). Auch die Mehrheit der Volkswirtschaftsprofessoren eines Ökonomenpanels befürwortet ein Modell ohne Verschonungsregeln und mit einem einheitlichen, relativ niedrigen Steuersatz (Dorn et al., 2017, 36). Ein Steuersatz von 8 Prozent entspräche auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamts (2016) zu Erbschaften und Schenkungen für 2015 in etwa einer aufkommensneutralen Reform der Erbschaftsteuer. Das Steueraufkommen betrug im Jahr 2015 rund 5,5 Milliarden Euro. Aufgrund des sich verändernden Umfangs der Erb- und Schenkungsfälle sowie der Anpassungen im Bewertungsrecht ist eine Abschätzung der Bemessungsgrundlage für die kommenden Jahre allerdings schwierig.

In der Tabelle sind die steuerlichen Implikationen eines „Flat-Tax-Modells“ mit einem einheitlichen Steuersatz von 8 Prozent im Vergleich zum derzeitigen System dargestellt. Die persönlichen Freibeträge würden bei Einführung eines „Flat-Tax-Modells“ annahmegemäß unverändert bleiben und werden daher in der Vergleichsrechnung ausgeblendet. Dagegen würden die Verschonungsregeln ersatzlos gestrichen werden. Im Jahr 2015 beliefen sich die gewährten Freibeträge insbesondere für enge Familienangehörige auf rund 13 Milliarden Euro, während Betriebsvermögen in Höhe von 31 Milliarden Euro verschont wurde (Statistisches Bundesamt, 2016). Um den Wert des verschonten Betriebsvermögens würde die Bemessungsgrundlage vereinfacht gerechnet bei einer Flat-Tax-Reform steigen.

Zum Vergleich ist die Steuerbelastung nach dem heutigen Erbschaftsteuerrecht dargestellt. Unterstellt wird bei der Anwendung des Steuersatzes der engste Verwandtschaftsgrad, zum Beispiel wenn das Erbe an das eigene Kind fällt. Das aktuelle Bewertungsgesetz und der Abschlag für Familienunternehmen bei der Erfüllung der Kriterien zur eingeschränkten Verfügbarkeit werden dabei in allen Varianten berücksichtigt, da es sich dabei um Regelungen zur möglichst korrekten Erfassung der Bemessungsgrundlage und nicht um eine steuerliche Verschonung handelt. Vor der Reform im Oktober 2016 wurden Unternehmen im Erbschaft- und Schenkungsfall um bis zu 60 Prozent überbewertet (Hentze, 2016).

Es wird deutlich, dass die Belastung für kleine und mittlere Unternehmen bei einem einheitlichen Steuersatz von 8 Prozent bereits deutlich größer ist als nach der aktuellen Gesetzeslage. Sofern die Lohnsummenklausel der Regelverschonung erfüllt wird, zahlt der Erbe eines Familienunternehmens mit einem Jahresgewinn von 1 Million Euro effektiv knapp 3 Prozent Erbschaftsteuer. Bei einer „Flat Tax“ von 8 Prozent wäre es fast das Dreifache (Fall 1). Bei einem größeren Unternehmen mit einem Jahresüberschuss von 6 Millionen Euro und der Wahl des Abschmelzmodells ist die Belastung im aktuellen Recht gegenüber dem „Flat-Tax-Modell“ dagegen mehr als doppelt so hoch (Fall 2). Mit steigendem Unternehmenswert nimmt der Belastungsunterschied weiter zu, das heißt Erben großer Unternehmen würden von einer „Flat Tax“ profitieren. Das liegt daran, dass nach dem Abschmelzmodell die Verschonung zwischen einem Wert zwischen 26 und 90 Millionen Euro in gleichmäßigen Schritten von 85 Prozent bis auf null abnimmt.

Die effektive Steuerlast kann bei größeren Unternehmenserbfällen nur dann geringer als 8 Prozent sein, wenn der Erbe nachweislich nicht über ein ausreichendes Privatvermögen zur Begleichung der Steuerschuld verfügt. Je geringer das Privatvermögen ist, desto geringer fällt nach der Systematik der eingeführten Verschonungsbedarfsprüfung die Steuerschuld aus. Ein Erbe muss danach bis zur Hälfte seines Vermögens für die rechnerische Steuerschuld aufbringen. Bei einem Privatvermögen von 5 Millionen Euro liegt in Fall 2 die Steuerlast niedriger als bei der „Flat Tax“, bei einem Privatvermögen von 10 Millionen Euro dagegen bereits darüber. Sofern nicht von der Verschonung begünstigtes Verwaltungsvermögen, also beispielsweise vermietete Grundstücke oder Kunstgegenstände, einen großen Teil des Erbes ausmacht, würde die Steuerzahlung in einem „Flat-Tax-Modell“ nochmals geringer sein, da die derzeitigen Steuersätze weitgehend oberhalb eines möglichen einheitlichen Steuersatzes liegen. Erben großer und sehr großer Unternehmen würden sich bei einem „Flat-Tax-Modell“ folglich gegenüber dem jetzigen Reformgesetz in der Regel besserstellen.

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