Die Corona-Krise hat die Notwendigkeit von aktuellen Daten für ökonomische Analysen nochmals verstärkt. In einer ersten experimentellen Analyse zeigen Realtime Daten von Schiffsbewegungen ein großes Potenzial, den deutschen Außenhandel zeitnah abzubilden.

Sind Realtime Schifffahrtsdaten für die Prognose des deutschen Außenhandels verwendbar?
Iw-Kurzbericht
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die Corona-Krise hat die Notwendigkeit von aktuellen Daten für ökonomische Analysen nochmals verstärkt. In einer ersten experimentellen Analyse zeigen Realtime Daten von Schiffsbewegungen ein großes Potenzial, den deutschen Außenhandel zeitnah abzubilden.
Eine der großen Herausforderungen in der Analyse von aktuellen ökonomischen Entwicklungen besteht in der zeitnahen Verfügbarkeit von Daten. Die Notwendigkeit dazu ist besonders groß bei einer sich schnell ändernden ökonomischen Lage, wie bei auftretenden Krisen im Allgemeinen und der aktuellen Corona-Krise im Besonderen. Wegen des handelsorientierten Geschäftsmodells der deutschen Volkswirtschaft sind Daten, die aktuelle Informationen über die internationalen Handelsaktivitäten abbilden, von besonderer Bedeutung für das aktuelle Konjunkturbild.
Im internationalen Kontext gibt es bereits erste Ansätze, die die prinzipielle Nutzbarkeit von Realtime Schiffsdaten für die Analyse von Außenhandelsdaten aufzeigen (Cerdeiro et al., 2020; Arslanalp et al., 2019; Nolan, 2019). Für eine erste Einordnung, ob für Deutschland mit derartigen Realtime Daten Ableitungen für die aktuelle Entwicklung der Außenhandelsaktivität getätigt werden können, werden im Folgenden in einer experimentellen Analyse Daten von drei Containerterminals des Seehafens Bremerhaven verwendet und mit den Werten der offiziellen Außenhandelsstatistik verglichen.
Über den gesamten Seehafen Bremerhaven wurden im Jahr 2018 gut 51 Millionen Tonnen Güter verschifft, was in etwa 17 Prozent des gesamten Güterumschlags der deutschen Seehäfen entspricht (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2019). Die vorliegenden Schiffsdaten des Seehafens Bremerhaven beinhalten sekundengenaue Aktivitäten an drei Terminals für das gesamte Jahr 2019 und 2020 bis einschließlich des gesamten Monats Juni. Prinzipiell würden sich sogar Daten bis zum aktuellen Datum auswerten lassen. Auf dieser Basis soll die prinzipielle Nutzbarkeit derartiger Realtime Daten von deutschen Seehäfen für die ökonomische Analyse eingeordnet werden. Dabei ist der Charakter einer ersten Machbarkeitsanalyse in dem Sinne zu bedenken, dass es sich nur um einen kleinen Ausschnitt der Außenhandelsaktivitäten und um einen relativ kurzen Zeitraum handelt. Als Indikator wird die monatliche Gesamtzahl an Schiffen verwendet, die die betrachteten drei Terminals angelaufen haben. Beim Vergleich des so exemplarisch generierten monatlichen Indikators für die Schiffsaktivität mit dem gesamtdeutschen Außenhandel (Summe aus Exporten und Importen) zeigt sich ein relativ guter Gleichlauf der Reihen (siehe Abbildung). Die Korrelation der Schiffsaktivität mit dem Außenhandel liegt für den verfügbaren Zeitraum bei 0,8. Sollte die Korrelation auch bis zum aktuellen Rand Bestand und damit Prognosekraft haben, wäre im Juni eine deutliche Erholung des Außenhandels zu erwarten.
Grundsätzlich scheinen Realtime Daten der Schiffsaktivität geeignet zu sein, aktuelle Informationen über die Handelsaktivität, die in der offiziellen Statistik abgebildet werden, zu liefern. Um die Nutzbarkeit genauer zu validieren, sind jedoch längere Datenzeiträume und Daten von weiteren Häfen vonnöten.

Henry Goecke / Jürgen Matthes / Jan Marten Wendt: Sind Realtime Schifffahrtsdaten für die Prognose des deutschen Außenhandels verwendbar?
Iw-Kurzbericht
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