1. Home
  2. Studien
  3. Wettbewerbsfähigkeit: Auf die Kosten kommt es an
Christoph Schröder IW-Kurzbericht Nr. 68 18. Oktober 2016 Wettbewerbsfähigkeit: Auf die Kosten kommt es an

Die Arbeitskosten in Deutschland sind inzwischen das fünfte Jahr in Folge stärker als im Durchschnitt der EU gestiegen. Dennoch erweist sich der Arbeitsmarkt bisher als robust. Die deutsche Wirtschaft kann sich aber, wie auch seine Konkurrenten, auf Dauer nicht dem Preiswettbewerb entziehen. Dies belegt eine internationale Gegenüberstellung von Lohnstückkosten und der Entwicklung der Marktanteile auf den jeweiligen Exportmärkten.

PDF herunterladen
Auf die Kosten kommt es an
Christoph Schröder IW-Kurzbericht Nr. 68 18. Oktober 2016

Wettbewerbsfähigkeit: Auf die Kosten kommt es an

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Arbeitskosten in Deutschland sind inzwischen das fünfte Jahr in Folge stärker als im Durchschnitt der EU gestiegen. Dennoch erweist sich der Arbeitsmarkt bisher als robust. Die deutsche Wirtschaft kann sich aber, wie auch seine Konkurrenten, auf Dauer nicht dem Preiswettbewerb entziehen. Dies belegt eine internationale Gegenüberstellung von Lohnstückkosten und der Entwicklung der Marktanteile auf den jeweiligen Exportmärkten.

Deutschland wird immer wieder wegen seiner vermeintlich zu hohen Wettbewerbsfähigkeit gescholten. Dadurch würden die Krisenländer zu überfordernden Sparanstrengungen gezwungen und das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent wäre kaum einzuhalten (Herzog-Stein et al., 2015). Tatsächlich zeigen aktuelle Zahlen, dass die Arbeitskosten in Deutschland nun schon seit fünf Jahren in Folge schneller gestiegen sind als im Durchschnitt der EU. Trotzdem zeigt sich der Arbeitsmarkt erstaunlich robust und die Beschäftigung steigt bei konstantem Arbeitsvolumen weiter an. Es stellt sich daher die Frage, ob Deutschland immun gegen Kostenänderungen geworden ist und ob generell die Bedeutung der Lohnkosten für die Wettbewerbsfähigkeit überschätzt wird.

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit wird hier daran gemessen, ob ein Land in der Lage ist, seine Marktanteile im internationalen Warenhandel auszubauen, seine Position halten kann oder ob es Marktanteilsverluste hinnehmen muss. Dieser Indikator wird von der OECD berechnet und nennt sich Exportperformance. Hierbei werden für alle Zielländer, in die ein Land exportiert, zunächst einzeln die Marktanteile des exportierenden Landes berechnet. Die Ländereinzelergebnisse werden dann mit konstanten Gewichten zusammengefasst. Steigende (gewichtete) Marktanteile bedeuten einen Anstieg der Exportperformance.

Damit werden Struktureffekte ausgeschaltet, die beispielsweise dadurch entstehen können, dass ein Land besonders viel in ein Zielland exportiert, das sehr dynamisch wächst – wie beispielsweise China. Es könnte dann dort und in allen anderen Ländern Marktanteile verlieren aber trotzdem seinen (ungewichteten) Weltmarktanteil erhöhen. Die Exportperfomance würde indes sinken.

Hohe Arbeitskosten sind dann leichter zu verkraften, wenn Ihnen eine entsprechend hohe Produktivität gegenübersteht. Als Kostenindikator wird hier deshalb die Lohnstückkostenposition betrachtet, bei der auch Wechselkursänderungen mit eingerechnet werden. Denn eine Aufwertung verteuert die Exporte eines Landes und kann daher ebenso wie „hausgemachte“ Kostenerhöhungen die Wettbewerbsfähigkeit einschränken.

Ein internationaler Vergleich zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Lohnstückkostenposition eines Landes und seiner Exportstärke. Bei 14 von 17 untersuchten Ländern gehen im Zeitraum 1991 bis 2014 Verschlechterungen der Kostenposition - also höhere Werte dieser Größe – überwiegend mit einem Nachlassen der Exportperformance einher – beide Größen sind also negativ korreliert. Nur Japan und die USA haben trotz stark verbesserter Lohnstückkostenposition auf ihren Absatzmärkten große Marktanteilsverluste hinnehmen müssen, während Belgien seine Lohnstückkostenposition langfristig halten konnte, aber auf seinen Absatzmärkten ein Sechstel seiner Marktanteile einbüßte.

Das Japan von seiner deutlich verbesserten Kostenposition nicht profitieren konnte, mag auch daran liegen, dass dort die Preise in der marktbestimmten Wirtschaft stark zurückgingen. Sie sanken zwischen 1977 und 2009 um jahresdurchschnittlich 1,2 Prozent (Erumban/Vries, 2016). Damit reichen konstante Lohnstückkosten in Japan nicht aus, um Arbeitsplätze langfristig rentabel zu halten. Zudem hat Japan im asiatischen Raum, zum Beispiel mit Korea und China, zwei große Konkurrenten, die auch technologisch aufholen und Japan daher im besonderen Maße Marktanteile streitig machen könnten.

Für die USA könnte von Bedeutung sein, dass Kanada und Mexiko sehr wichtige Handelspartner sind und daher die Abwertung gegenüber dem Euro und die damit verbundene rechnerische Verbesserung der Lohnstückkostenposition nach 2001 nicht stark ins Gewicht fiel. Andere Berechnungsverfahren bei der Preisentwicklung in den USA könnten zudem – verglichen mit den EU-Ländern – zu einer Überschätzung der Produktivitätsentwicklung und damit auch zu einer zu günstigen Lohnstückkostenentwicklung führen.

In Deutschland sind Veränderungen der Lohnstückkostenposition zumeist mit eher gegenläufigen Entwicklungen der Exportperformance einhergegangen. Besonders deutlich war dies in den 1990er Jahren zu sehen. Die damals starke D-Mark und die sehr kräftigen Lohnerhöhungen nach der deutschen Einheit sorgten dafür, dass sich die deutsche Lohnstück-kostenposition bis 1995 rapide verschlechterte. Gleichzeitig verlor Deutschland auf seinen Absatzmärkten ein Achtel seiner Marktanteile (Abbildung). In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre konnte Deutschland seine Lohnstückkostenposition durch eine gebremste Lohndynamik und Abwertungen von D-Mark und Euro wieder deutlich verbessern. Gleichzeitig konnte Deutschland im Warenhandel wieder Marktanteile zurückgewinnen. Auch nach der Jahrtausendwende hat Deutschland in den Phasen, in denen sich die Lohnstückkostenposition verschlechtert hat, Marktanteile verloren und umgekehrt in den Zeitabschnitten mit verbesserter Kostenposition seine Exportperformance gesteigert – beispielsweise in der Erholungsphase nach der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise.

Betrachtet man die längerfristige Entwicklung seit 2001 zeigt sich gleichwohl, dass Deutschland im Trend Marktanteile zurückgewinnen konnte, obwohl sich die Lohnstückkostenposition verschlechtert hat. Dies ist umso bemerkenswerter, als beispielsweise China durch seine dynamische Wirtschaftsentwicklung immer bedeutender geworden ist und die etablierten Industrieländer daher Marktanteile verloren haben. Dass dies nicht für Deutschland gilt, liegt auch daran, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer viel zum Investitionsboom der letzten Dekade beigetragen haben (IW-Forschungsgruppe Konjunktur, 2015). Hiervon profitiert die deutsche Industrie im besonderen Maße, weil die Investitionsgüterindustrie in Deutschland besonders stark vertreten ist und Deutschland daher strukturelle Vorteile hat (Grömling, 2013). Zudem hat sich die deutsche Industrie durch Umstrukturierungen und durch eine Verknüpfung mit Dienstleistungsangeboten in vielen Bereichen Alleinstellungsmerkmale erarbeitet. Die Entwicklung der Exportpreise zeugt allerdings nicht von beliebigen Preissetzungsspielräumen (Schröder, 2016).

Mit dem vorläufigen Ende des weltweiten Investitionsbooms droht Deutschland daher wieder Marktanteile zu verlieren. Die OECD prognostiziert für 2016 einen Rückgang der Exportperformance von 1,6 Prozent – das wäre im Euroraum hinter Griechenland der stärkste Rückgang. Für 2017 rechnet die OECD für Deutschland mit einem weiteren Marktanteilsverlust, während es bei den übrigen Ländern des Euroraums, ausgenommen Finnland und Estland, wieder aufwärts gehen soll.

PDF herunterladen
Auf die Kosten kommt es an
Christoph Schröder IW-Kurzbericht Nr. 68 18. Oktober 2016

Christoph Schröder: Wettbewerbsfähigkeit – Auf die Kosten kommt es ran

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Samina Sultan at IEP@BU Policy Brief Externe Veröffentlichung 17. April 2024

Not so Different?: Dependency of the German and Italian Industry on China Intermediate Inputs

On average the German and Italian industry display a very similar intermediate input dependence on China, whether accounting for domestic inputs or not.

IW

Artikel lesen
Jürgen Matthes im Deutschlandfunk DLF 17. April 2024

Schwächelnde Wirtschaft: Wo steht die EU im Vergleich?

Ungefähr eine Million Industriearbeitsplätze sind laut einer Studie des Europäischen Gewerkschaftsbunds in der EU in den vergangenen vier Jahren verloren gegangen. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen heute auf dem EU-Gipfel besprechen, wie sie die ...

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880