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Christoph Metzler / Filiz Koneberg / Dirk Werner IW-Kurzbericht Nr. 51 16. Juni 2022 Modernisierung der industriellen M+E-Ausbildung im digitalen Wandel

Die digital getriebene Transformation verändert die Produktionsstrukturen in der Metall- und Elektroindustrie. Damit Fachkräfte diese meistern können, benötigen sie neue Kompetenzen. Viele Unternehmen haben bereits reagiert und ihre Ausbildung mit neuen Inhalten modernisiert. Der eingeschlagene Weg zur digitalen Modernisierung sollte konsequent weitergeführt werden.

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Modernisierung der industriellen M+E-Ausbildung im digitalen Wandel
Christoph Metzler / Filiz Koneberg / Dirk Werner IW-Kurzbericht Nr. 51 16. Juni 2022

Modernisierung der industriellen M+E-Ausbildung im digitalen Wandel

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die digital getriebene Transformation verändert die Produktionsstrukturen in der Metall- und Elektroindustrie. Damit Fachkräfte diese meistern können, benötigen sie neue Kompetenzen. Viele Unternehmen haben bereits reagiert und ihre Ausbildung mit neuen Inhalten modernisiert. Der eingeschlagene Weg zur digitalen Modernisierung sollte konsequent weitergeführt werden.

Im Ausbildungsjahr 2021 wurden 109.293 Ausbildungsverträge in Metall- und Elektro-Berufen (M+E), wie Mechatronikerin oder Industriemechaniker, neu abgeschlossen. In diesem Berufsfeld wird die künftige Fachkräftebasis für die M+E-Industrie, aber auch für andere Industrie- und Dienstleistungsbranchen qualifiziert. Eine sehr gute Chance auf eine spätere Anstellung als Fachkraft (Malin, 2018) macht diese Ausbildungsberufe auch für junge Menschen attraktiv. Doch treffen die Lerninhalte der Ausbildungsberufe angesichts der fortschreitenden Digitalisierung in der M+E-Industrie die zukünftigen Kompetenzbedarfe?

Um eine zeitgemäße berufliche Qualifizierung für die Industrie 4.0 sicherzustellen, haben die Sozialpartner im Jahr 2017 Handlungsempfehlungen zur Modernisierung von Aus- und Fortbildungsregelungen vorgelegt. In einem „agilen Verfahren“ wurden in kürzester Zeit eine Teilnovellierung der industriellen M+E-Berufe und des Mechatronikers zum 1. August 2018 verabschiedet. Damit traten neue Ausbildungsinhalte in elf der insgesamt 40 M+E-Ausbildungsberufe in Kraft. Auszubildende lernen mit diesen neuen Inhalten zum Beispiel betriebsübliche Software für die Steuerung von Produktionsprozessen oder den Entwurf von Fertigungsmodellen kompetent zu nutzen. Aber auch der Umgang mit digitalen Lernmedien oder Kenntnisse zum Datenschutz werden vermittelt. Diese Kompetenzen haben aus Unternehmenssicht eine übergeordnete Bedeutung für die Digitalisierung (Seyda et al., 2021).

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Die aktualisierten Ausbildungsordnungen sollen Ausbilderinnen und Ausbildern als Leitbild für eine moderne Gestaltung der Ausbildung in ihrem Betrieb dienen. Die Inhalte sind in einer sogenannten „Berufsbildposition“ in der Ausbildungsordnung zusammengefasst. Sie gelten als verpflichtend und können damit auch Thema der Zwischen- und Abschlussprüfungen sein. Darüber hinaus gibt es sieben neue optional zu vermittelnde Inhaltsbereiche, sogenannte „Zusatzqualifikationen“. Diese können Auszubildende in Abstimmung mit ihrem Ausbildungsbetrieb nutzen, um ihr Profil zu schärfen und Kompetenzen deutlich zu vertiefen. Sie erwerben dann beispielsweise Expertise im Bereich 3D-Druck oder in der Programmierung. Die Inhalte können separat bei einer Kammer geprüft werden, sie sind aber nicht Teil der regulären Zwischen- und Abschlussprüfungen (Schwarz et al., 2018). Da die anderen Inhalte der Ausbildungsordnungen erhalten blieben, handelt es sich mit der neuen Berufsbildposition „Digitalisierung der Arbeit, Datenschutz und Informationssicherheit" und den sieben Zusatzqualifikationen um eine „Teilnovellierung“.

Etwa die Hälfte aller ausbildenden Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie (54,5 Prozent) hatten sich seit Beginn der Teilnovellierung bis ins Jahr 2020 bereits mit den verpflichtenden neuen Inhalten beschäftigt. Bei den optionalen Inhalten, den Zusatzqualifikationen, lag der Anteil mit 55,5 Prozent ähnlich hoch. In sonstigen Industrieunternehmen, z.B. aus der Bauwirtschaft oder der Chemie, die in den industriellen M+E-Berufen ausbilden, lag der Bekanntheitsgrad etwas niedriger. Aber auch hier kannten mehr als die Hälfte bereits die verpflichtenden und 46,4 Prozent die optionalen Inhalte. Die Daten sind repräsentativ, sie spiegeln die Erfahrungen aller in diesen Berufen ausbildenden Unternehmen nach Einführung der neuen digitalen Inhalte wider. Detailliertes Wissen über die neuen Inhalte hatten zum Zeitpunkt der Befragung im Jahr 2020 nur weniger als zehn Prozent der Unternehmen. Inzwischen dürften Bekanntheit und Nutzungsgrad der novellierten Inhalte aktuell noch einmal deutlich höher liegen. Denn Modernisierungen erfordern zunächst zusätzliche Zeitressourcen von Ausbilderinnen und Ausbildern, um in die neuen Inhalte fachlich tief einzusteigen und diese methodisch in die betriebliche Ausbildung zu integrieren. Diese Personalressourcen sind insbesondere in kleineren Unternehmen nicht von heute auf morgen vorhanden. Ausbildungsaktive Unternehmen der M+E-Industrie hatten die neuen Inhalte bereits zu Beginn der Teilnovellierung deutlich häufiger im Detail durchdrungen als Unternehmen anderer Industrien. Dies könnte auch dadurch bedingt sein, dass Ausbildungsberufe wie der Industrie- oder der Konstruktionsmechaniker zum Beispiel bei der Herstellung von Automobilen zum Kerngeschäft gehören, während sie in anderen Industrien eher eine unterstützende Funktion einnehmen.

Unabhängig vom jeweiligen Kenntnisstand um die Teilnovellierung gaben im Jahr 2020 insgesamt zwei Drittel aller in M+E Berufen ausbildenden Unternehmen an, in den letzten fünf Jahren neue Ausbildungsinhalte bereits eingeführt zu haben oder dies zu planen, um auf die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt zu reagieren. Darunter waren auch zahlreiche Unternehmen, die noch nicht mit der Teilnovellierung vertraut waren und einen Reformbedarf in ihrer Ausbildungspraxis selbstständig erkannt und umgesetzt haben.

Knapp zwei von drei Unternehmen (62,9 Prozent) berichteten, dass sie die neuen Ausbildungsinhalte reibungslos in ihre Ausbildungspraxis integrieren konnten. Allerdings gaben auch vier von zehn vorwiegend kleinere Unternehmen an, dass sie (weitere) Unterstützung bei der Einführung der modernisierten Inhalte benötigen. Bislang haben die meisten schriftliche Umsetzungshilfen genutzt (48,8 Prozent), Informationsveranstaltungen besucht (36,6 Prozent) oder externe Beratungsangebote beansprucht (34,6 Prozent). Viele Unternehmen wünschen sich noch praxisnäher gestaltete Umsetzungshilfen (Becker et al., 2022).

Auch Unternehmen, welche die neue Berufsbildposition und die Zusatzqualifikationen noch nicht kennen, wünschen sich Unterstützung bei der Aktualisierung Ihrer Ausbildungspraxis. Am häufigsten wird eine engere Kooperation mit der Berufsschule gewünscht, um ihre Auszubildenden auf die Arbeit in der digitalen Welt vorzubereiten. Lehrkräfte an beruflichen Schulen könnten gerade in theoretischen Fragen als Brücke zu Digitalisierung für kleine und mittlere Unternehmen dienen. Wie Risius & Meinhard (2021) aufzeigen stimmen 78,1 Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder und 63,1 der Berufsschullehrkräfte zu, dass die Einführung neuer digitaler Lerninhalte in der Ausbildung eine engere Abstimmung erfordert. Gegenwärtig sind der Austausch von Lehr-/Lernmaterial sowie die gemeinsame Nutzung von Software und digitalen Tools allerdings noch zu wenig verbreitet. Damit bleibt viel Potenzial ungenutzt. Die überwiegende Mehrheit der befragten Unternehmen berichtet, dass die Berufsschulen bei der Vermittlung der neuen digitalen Inhalte aktiv mitwirken.

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen insgesamt auf, dass sich die Ausbildung in den industriellen M+E-Berufen mitten im digitalen Wandel befindet und sich der Ausbildungsalltag in vielen Unternehmen und Berufsschulen bereits vielfach digital erweitert hat. Diese Veränderungen haben durch die Teilnovellierung wertvolle Impulse erhalten, benötigen aber fortschreitend weiteren Unterstützungsbedarf. Hierbei können praxisgerechte digitale Umsetzungshilfen, Qualifizierungsangebote für Ausbildungspersonal in Unternehmen und Berufsschulen sowie eine intensivere Lernortkooperation helfen. Es gilt passende Lösungen für unterschiedliche Unternehmenstypen hinsichtlich Digitalisierungsgrad, Tätigkeitsfeld und Größe zu finden, damit mittelfristig alle Auszubildenden von einer modernen und digital ausgerichteten Ausbildung profitieren können. Der Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmen und anschauliche Praxisbeispiele helfen dabei, den Transfer von innovativen Ausbildungsinhalten in jenen Betrieben zu unterstützen, in denen noch materielle und personelle Ressourcen fehlen. Hierzu bieten sich gemeinsame Weiterbildungskurse und die Nutzung von lokalen Netzwerken an.

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