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(© Foto: Gettyimages)
Michael Hüther IW-Nachricht 27. Februar 2019

Schuldenbremse: „Wir haben uns eingemauert“

Die Schuldenbremse ist in die Jahre gekommen: In Zeiten niedriger Zinsen und eines großen Investitionsbedarfs nimmt sie der Politik die nötigen Spielräume. Ein Sonderhaushalt für Investitionen könnte Abhilfe schaffen.

Die Schuldenbremse stammt aus der Zeit großer Haushaltsnot: Vor zehn Jahren kletterte der gesamtstaatliche Schuldenstand auf 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit deutlich über die Maastricht-Grenze von 60 Prozent. Die Schuldenbremse sollte beitragen, die Handlungsfähigkeit des Staates langfristig zu sichern. Seitdem ist die selbst auferlegte Grenze in der Verfassung verankert. Die Schuldenbremse hatte ein hohe polit-ökonomische Logik, sie hat aber keine überzeugende ökonomische Logik mehr: Sie ist konjunkturpolitisch flexibel, aber wachstumspolitisch blind.

Schuldenbremse wirkt wie ein Relikt

Inzwischen steht der Bundeshaushalt allerdings nicht mehr auf tönernen Füßen, sondern auf solidem Fundament. Seit 2012 schrumpft die Schuldenlast des Staates, sie hat inzwischen annähernd die Maastricht-Grenze erreicht. Die Schuldenbremse wirkt nun wie ein Relikt: Sie bremst Investitionen und Steuersenkungen. „Wir haben uns eingemauert“, sagt IW-Direktor Michael Hüther. „Die Verteufelung der Schulden ist nicht mehr zeitgemäß.“

Dabei gab es polit-ökonomisch durchaus einmal gute Gründe: Die Schuldenbremse sollte die Politik disziplinieren und die Belastung künftiger Generationen reduzieren. Mit Blick auf die sozialpolitischen Geschenke der vergangenen Legislaturperioden hat sie die gewünschte Trendwende jedoch nicht eingeleitet. Stattdessen haben sinkende Zinsausgaben und der langanhaltende Beschäftigungsaufbau die nötigen finanziellen Spielräume zur Sanierung der öffentlichen Haushalte geschaffen, die konsumtiven Ausgaben wurden ausgeweitet. Angesichts der demografischen Alterung und der politischen Zusage, die Sozialbeiträge bei 40 Prozent zu deckeln, wird dieser Prozess weitergehen. Zudem werden wir angesichts der veränderten Sicherheitslage mehr Geld für Verteidigung aufwenden müssen. Die Friedensdividende ist aufgebraucht.

Wichtige Zukunftsinvestitionen bleiben auf der Strecke

Jenseits dieser polit-ökonomischen Argumente entbehrt die Schuldenbremse mittlerweile einer ökonomischen Grundlage. In Zeiten niedriger Zinsen und eines unübersehbar großen Investitionsbedarfs mindert sie den politischen Handlungsspielraum. Die Zinsen auf langlaufende deutsche Staatsanleihen sind niedriger als das BIP-Wachstum – eine intergenerative Umverteilung zulasten künftiger Generationen ist deshalb nicht mehr mit einer Kreditaufnahme verbunden. Und deshalb ist auch nicht erkennbar, weshalb Steuergelder für die Schuldentilgung verwendet werden sollten, während wichtige Zukunftsinvestitionen ausbleiben. Dringend benötigte Innovationsförderungen bleiben auf der Strecke, der Ausbau digitaler Netze und Verkehrswege kommt viel zu kurz.

Sonderhaushalt mit Infrastruktur-Finanzierungsplan

Eine denkbare Lösung wäre, die Schuldenbremse zu öffnen. Eine Abkehr darf allerdings nicht dazu führen, dass die mühsam etablierte, selbst auferlegte Disziplin wieder hinfällig wird. Vielmehr braucht es klar definierte Investitionsspielräume: In diesem Rahmen könnte ein gesamtstaatlicher Sonderhaushalt geschaffen werden, in dem ein Finanzierungsplan verankert wird, der auf föderale Infrastruktur abzielt und die notwendigen Investitionen und Innovationen garantiert - beispielsweise im Bereich der KI. Wir sind mitten in einem technologischen Sprung und drohen wegen der Schuldenbremse den Anschluss zu verlieren.
 

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