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(© Foto: TEWAN YANGMEE - Fotolia)
China IW-Nachricht 21. August 2015

Was wirklich bremst

Zweistellige Wachstumsraten in China – das war einmal: Das Wirtschaftsmodell hat seine Wachstumsgrenze erreicht. Denn es setzt noch immer nur auf wirtschaftliche Freiheit, während es keine gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Freiheiten gewährt. Ohne diese wird es jedoch für die Volksrepublik unmöglich sein, den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen. Und das gefährdet auch die schwache Weltwirtschaft.

Seit Beginn der 1990er-Jahre hat sich das Pro-Kopf-Einkommen in China vervierundzwanzigfacht. Das chinesische Wohlstandniveau liegt dank zweistelliger Wachstumsraten heute gleichauf mit dem des EU-Mitglieds Bulgarien. Allerdings erklären die steigenden Investitionen – gerade in den 2000er-Jahren – fast die Hälfte dieses Wachstums. Das hatte auch weltweit Auswirkungen: Heute wird ein Viertel der globalen Investitionen in der Volksrepublik getätigt. Viele der Großprojekte haben sich jedoch als wenig profitabel und stark umweltbelastend herausgestellt

Ohnehin hat der staatlich verordnete Investitionsboom mittlerweile seinen Zenit überschritten: Seit Jahren propagiert die chinesische Führung den Umstieg vom staatlichen Lenkungs- auf ein privates Wachstumsmodell. Doch die gesamtwirtschaftliche Sparquote liegt in China noch immer bei unglaublichen 50 Prozent des BIP, also etwa doppelt so hoch wie in Deutschland. Die sich darin spiegelnde private Risikoaversion ließe sich durch ein vernünftiges Sozialnetz deutlich reduzieren. Dafür müsste die chinesische Regierung neue, verlässliche Institutionen einrichtet, was aber bislang nicht erkennbar ist.

Unter all diesen Vorzeichen wird sich das chinesische BIP-Wachstum voraussichtlich auf durchschnittlich 5 Prozent einpendeln. Für Nationen wie Deutschland, die auf den Export von Investitionsgütern setzen, bedeutet das einen erheblichen Anpassungsbedarf – es sei denn, die chinesische Regierung denkt nachhaltig um. Schließlich zeigen die jüngsten Entwicklungen dort: Eine zentral gesteuerte Marktwirtschaft, die politische Freiheit explizit unterdrückt, kann eine Volkswirtschaft zwar phasenweise auf einen starken Wachstumspfad führen. Für eine nachhaltige Wohlstandsentwicklung muss jedoch mehr als nur die wirtschaftliche Entscheidungskompetenz dezentralisiert werden.

Gewiss: Das Ringen um Entscheidungsprozesse in Deutschland wirkt manchmal träge. Die verordneten Entscheidungen in China erscheinen manchem einfacher und zielführender. Doch der plurale Diskurs, in dem sich jeder auf gleiche Rechte berufen kann und selbst leise Stimmen Gehör finden, ist notwendig, um komplexe Probleme nachhaltig zu lösen.

An dem Punkt der wirtschaftlichen Entwicklung, an dem China aktuell steht, genügt es schlichtweg nicht mehr, nur wirtschaftliche Unabhängigkeit zu gewähren, gleichzeitig aber kulturelle, gesellschaftliche, rechtliche und politische Partizipation zurückzustellen. Denn die Arbeitskostenvorteile im Reich der Mitte sind abgeschöpft, die Technologie-Diffusion hat stattgefunden. Smartphones werden in China mittlerweile ebenso effizient zusammengesetzt wie in Deutschland. Die für den nächsten Entwicklungsschritt notwendigen unternehmerischen Innovationen können aber nur auf einer breiten, mündigen gesellschaftlichen Basis fußen.

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