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Martin Beznoska / Tobias Hentze IW-Nachricht 4. Januar 2022

Ampel-Regierung vergisst die kalte Progression

Finanzminister Christian Lindner hat große Pläne: In einem Interview versprach er kürzlich Steuerentlastungen in Milliardenhöhe, allerdings erst ab 2023. Kleinere, schnell verfügbare Entlastungen wie der Ausgleich der kalten Progression bleiben derweil aus – insofern können Steuerzahler nur darauf hoffen, dass den Versprechen auch Taten folgen.

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30 Milliarden Euro: So viel will sich Lindner seine Entlastungspläne kosten lassen. So soll es ab 2023 möglich sein, Beiträge zur Rentenversicherung komplett von der Steuer abzusetzen – statt wie bisher zu 96 Prozent. Dadurch spart ein Durchschnittsverdiener 2023 rund zehn Euro im Monat. Im Jahr darauf ist die Entlastung noch halb so hoch, 2025 wären die Rentenversicherungsbeiträge ohnehin voll abzugsfähig. Für weitere Entlastung soll die Abschaffung der EEG-Umlage auf den Strompreis sorgen, die nach IW-Berechnungen eine vierköpfige Familie um etwa 413 Euro und Singles um rund 165 Euro jährlich entlasten könnte. 

Kalte Progression bleibt außen vor 

Gleichzeitig bleibt ein wichtiges Thema auf der Strecke: Bereits vor mehr als einem Jahr hatten Bundestag und Bundesrat auf Basis des Steuerprogressionsberichts beschlossen, den Einkommensteuertarif jeweils zum 1. Januar 2021 und 2022 um die erwartete Inflationsrate anzupassen, um die kalte Progression auszugleichen. Ohne Tarifanpassung führt die kalte Progression bei gleichbleibender Kaufkraft zu einer höheren Steuerbelastung.   

Die Regierung unterstellte für das Jahr 2020 eine Inflationsrate von rund 1,5 Prozent und für das Jahr 2021 eine Inflationsrate von 1,2 Prozent. Gekommen ist es jedoch anders: Während die Inflationsrate im Jahr 2020 lediglich 0,6 Prozent betrug, schnellte sie in 2021 schätzungsweise um knapp drei Prozent nach oben. Die gesamte kalte Progression der Jahre 2020 und 2021 wird nicht ausgeglichen: Bei einem Durchschnittsverdiener (50.000 Euro Bruttojahreseinkommen) beträgt der Effekt rund 30 Euro im Jahr; bei einem Gutverdiener (75.000 Euro Bruttojahreseinkommen) gut 50 Euro (Abbildung). Bei geringem Einkommen (25.000 Euro Bruttojahreseinkommen) überkompensiert der stärker als die Inflation gestiegene Grundfreibetrag den Effekt, so dass es in Summe zu einer geringfügigen Entlastung von rund zehn Euro kommt. Der Grundfreibetrag als erster Eckwert des Tarifverlaufs folgt dem Existenzminimumbericht und liegt nicht im politischen Ermessen. 

Entlastung wäre schnell machbar gewesen 

Angesichts der Tatsache, dass die Ampel-Regierung trotz anderslautender Ankündigungen der drei Parteien im Wahlkampf keine Einkommensteuerentlastung plant, wäre die überschaubare Verschiebung des Tarifverlaufs zur Vermeidung der kalten Progression eine Chance gewesen, kurzfristig und unproblematisch ein Stück Steuergerechtigkeit herzustellen und – wenn auch eher symbolisch – den Einsatz der Steuerzahler zu würdigen. Statt Ankündigungen für 2023 wären Taten für 2022 möglich gewesen. Fiskalisch wäre der Aufkommenseffekt von weniger als einer Milliarde Euro verkraftbar gewesen. Offen bleibt bisher, ob die kalte Progression auf der Agenda der Bundesregierung steht. Wenn die neue Bundesregierung den Ansatz ihrer Vorgängerin weiterverfolgt und die heimlichen Steuererhöhungen in den Jahren 2023 bis 2025 ausgleicht, würde das über drei Jahre zu einer weiteren Entlastung von schätzungsweise 30 Milliarden Euro führen. Davon ist derzeit jedoch keine Rede.   

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