Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kommt in einer schwierigen Zeit nach Deutschland: Die Türkei kämpft mit hausgemachten wirtschaftlichen Turbulenzen. Das will die türkische Regierung aber nicht öffentlich zugeben. Letztlich ist ihr neuer Reformplan ein klares Eingeständnis eigener Fehler und geht grundsätzlich in die richtige Richtung.

Türkei-Krise: Späte Einsicht
Erdogan ist in diesen Tagen in Deutschland unterwegs, er trifft Angela Merkel und eröffnet in Köln-Ehrenfeld die DITIB-Zentralmoschee. Sein Besuch fällt in eine besonders angespannte Zeit: Die Türkei ist im August in ernste wirtschaftliche Turbulenzen geraten. Dafür macht das Land die USA verantwortlich: Die Vereinigten Staaten hätten die Türkei als Zielscheibe ausgemacht, schreibt der türkische Finanzminister und Schwiegersohn Erdogans, Berat Albayrak, in seinem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Es sei nicht möglich, die Turbulenzen mit makroökonomischen Indikatoren zu erklären.
Nur: Das stimmt nicht. Die Krise in der Türkei ist hausgemacht und hat kaum etwas mit den verschärften US-Handelssanktionen zu tun. Das Land hat jahrelang mit Niedrigzinsen, Wahlgeschenken und staatlichen Kreditprogrammen die Konjunktur angeheizt und damit nicht nur die Inflation befeuert, sondern auch die Auslandsverschuldung privater Unternehmen in die Höhe getrieben. Die Schulden sind meist in ausländischer Währung notiert – das macht die Türkei anfällig für Währungsabwertungen, durch die der Wert der Schulden in türkischer Lira steigt. Aufgrund der starken Lira-Abwertung werden immer mehr hochverschuldete und wenig ertragsstarke türkische Unternehmen bald ernsthafte Schwierigkeiten bekommen, ihre Auslandsschulden zu bedienen.
Obwohl das Land seine Probleme öffentlich negiert und nach außen die USA als Sündenbock präsentiert, hat die Regierung nun ein Reformpaket in Aussicht gestellt, das in die richtige Richtung weist. Die türkische Regierung will die Inflation bekämpfen, das Leistungsbilanzdefizit abbauen und die Probleme im Bankensektor angehen. Der Türkei geht es vor allem darum, makroökonomische Stabilität herzustellen, gleichzeitig sollen Strukturreformen das Wachstumspotenzial erhöhen. Mit diesem sinnvollen Reformplan möchte Ankara das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen. Den schönen Worten müssen aber auch glaubwürdige Taten folgen, vor allem mit Blick auf die beschädigte Unabhängigkeit der Zentralbank. Außerdem bleibt abzuwarten, ob die Türkei aus eigener Kraft aus der Krise herauskommt oder nicht doch den Internationalen Währungsfonds zu Hilfe rufen muss.

Europa muss den nächsten Schritt wagen: Delors-Plan 2.0
In den kommenden Jahren wird die bislang vom Westen geprägte Weltordnung des möglichst ungehinderten Austausches und des Multilateralismus an Einfluss verlieren, globale Institutionen werden es noch schwerer haben, ihrem Auftrag des Interessensausgleichs und ...
IW
This time is different but still risky: Bankenkrise statt Finanzkrise
Die aktuelle Krise einiger amerikanischer und europäischer Banken löst zwangsläufig Befürchtungen aus, dass eine internationale Bankenkrise zu einer neuen Finanzkrise führen könnte. Doch sind die Vorzeichen im Jahre 2023 ganz andere als im Jahre 2007/2008.
IW