1. Home
  2. Presse
  3. IW-Nachrichten
  4. CETA-Ratifizierung: "Die EU darf nicht als Oberlehrer auftreten"
Zeige Bild in Lightbox Blick auf ein Hafenterminal: Vor einer langen Reihe an Containerkränen werden zwei große Schiffe ent- oder beladen.
Am Hamburger Burchardkai werden im Juni 2021 Containerschiffe ent- und beladen. (© Getty Images)
Jürgen Matthes IW-Nachricht 1. Dezember 2022

CETA-Ratifizierung: "Die EU darf nicht als Oberlehrer auftreten"

Am heutigen Donnerstag wird der Deutsche Bundestag CETA, das Freihandelsabkommen mit Kanada, ratifizieren. Damit es nicht das letzte vergleichbare Abkommen bleibt, muss in der EU ein neuer Realismus einkehren: Um unsere Wirtschaften von China zu emanzipieren, braucht es Handel mit neuen Partnern im asiatischen Raum.

Die Ratifizierung des CETA-Abkommens durch Deutschland war mehr als überfällig. Das Abkommen schafft nicht nur freieren Handel, sondern setzt auch neue Standards beim Investitionsschutz. Staatliche Regulierung lässt sich damit nicht mehr so leicht durch Firmenklagen unterlaufen. 

Der CETA-Erfolg ist auch deshalb wichtig, weil wir bei Freihandelsabkommen in der EU unsere Handlungsfähigkeit verlieren könnten. Wenn es nicht einmal mit einem uns so nahestehenden Staat wie Kanada gelingt, ein Abkommen durchzubringen, dann können wir europäische Handelspolitik vergessen. 

Wir brauchen mehr Handel abseits von China

Handlungsfähigkeit ist auch deshalb dringend nötig, weil wir unabhängiger von China werden müssen. Dazu brauchen wir die anderen großen und dynamisch wachsenden Länder in Asien, wie Indien, Indonesien, Malaysia und Thailand. Damit das gelingt, darf die Politik nicht nur der Agenda der Zivilgesellschaft folgen und Freihandelsabkommen als Instrument sehen, um unsere Werte in Sachen Menschenrechte und Nachhaltigkeit zu exportieren. Mit dem moralischen Zeigefinger wird es nichts mit unverzichtbaren Abkommen, allein schon, weil sich die potenziellen Partner dem hohen EU-Standard widersetzen. 

Realpolitik ist angesagt. Die EU muss einsehen: Gegenüber großen Schwellenländern sind wir nicht mehr stark genug, um als Oberlehrer aufzutreten. Die EU und Deutschland brauchen diese Abkommen, um die Diversifizierung weg von China möglich zu machen und um im geoökonomisch immer wichtiger werdenden Indo-Pazifik überhaupt noch eine Rolle zu spielen.

Freihandelsstrategie neu ausrichten

Eine Repriorisierung unserer Ziele ist nötig, es muss gelten: Geostrategie vor Moral. Abkommen müssen ermöglicht und dann umgesetzt werden, mit möglichst viel von unseren Werten und Standards, und in Kooperation mit den Partnern. Außerdem sollten wir die Ansiedelung von europäischen Firmen in diesen Ländern fördern, um ihnen die Sorge vor Jobverlusten durch zunehmende europäische Konkurrenz zu nehmen. Nur dann kann europäische Handelspolitik mit Asien gelingen.

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Samina Sultan at IEP@BU Policy Brief Externe Veröffentlichung 17. April 2024

Not so Different?: Dependency of the German and Italian Industry on China Intermediate Inputs

On average the German and Italian industry display a very similar intermediate input dependence on China, whether accounting for domestic inputs or not.

IW

Artikel lesen
Jürgen Matthes im Deutschlandfunk DLF 17. April 2024

Schwächelnde Wirtschaft: Wo steht die EU im Vergleich?

Ungefähr eine Million Industriearbeitsplätze sind laut einer Studie des Europäischen Gewerkschaftsbunds in der EU in den vergangenen vier Jahren verloren gegangen. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen heute auf dem EU-Gipfel besprechen, wie sie die ...

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880