Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kündigt an, die Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im nächsten Jahr um 0,3 Prozentpunkte anzuheben. Doch das wird kaum ausreichen, selbst wenn der Bundeszuschuss – wie angekündigt – um zwei Milliarden Euro aufgestockt würde. Größere Reformen sind unverzichtbar.
Höhere Krankenkassenbeiträge: Die Rechnung geht nicht auf
Um die erwartete Lücke von 17 Milliarden Euro schließen zu können, bedarf es wohl eher eines ganzen Prozentpunkts. Ein Beitragssatzpunkt entsprach zuletzt 15,3 Milliarden Euro, wie eine Faustformel des Bundesgesundheitsministerium besagt.
Das Defizit sei vom Vorgänger Jens Spahn „geerbt“, der wiederum habe teure Leistungsausweitungen vorgenommen und auf Strukturreformen verzichtet. Gleichzeitig – so lässt sich Lauterbach weiter zitieren – werde es aber keine Leistungskürzungen geben. Effizienzgewinne sollen stattdessen helfen, die Ausgabenentwicklung zu bremsen. Dazu müssten aber kurzfristig zehn Milliarden Euro eingespart werden. Ein ambitioniertes Unterfangen, wenn gleichzeitig die angemahnten Leistungsausweitungen nicht zurückgenommen werden. Denn selbst wenn Strukturreformen – ob in der stationären oder ambulanten Versorgung oder an anderen Stellen – ein solches Volumen generieren könnten, wird die Umsetzung Zeit beanspruchen.
GKV-Ausgaben steigen seit Jahrzehnten
Richtig ist, dass Fehlanreize seit Langem angemahnt werden. Richtig ist aber auch, dass die bisherigen sogenannten Strukturreformen stets im Regulierungsdickicht des deutschen Gesundheitssystems versickert sind. Ob Fallpauschalen im Krankenhaus, Budgets für ambulante Praxen oder der Gesundheitsfonds mit morbiditätsorientiertem Risikostrukturausgleich, die GKV-Ausgaben steigen pro Kopf seit der Wiedervereinigung jahresdurchschnittlich um gut einen Prozentpunkt schneller als die beitragspflichtigen Einkommen der Versicherten. Und die sind – zumindest bislang – nicht erodiert.
Auf dem Prüfstand steht jetzt nicht weniger als das Versprechen des Gesetzgebers, eine Versorgung auf dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft vollumfänglich solidarisch zu finanzieren. Denn nicht nur der stete medizinische Fortschritt kostet – auch der demografische Wandel belastet die GKV. Mit der Alterung der geburtenstarken Jahrgänge werden nicht nur jene Altersklassen stärker besetzt, die altersbedingt überdurchschnittlich hohe Leistungsausgaben verursachen. Gleichzeitig gilt auch für einen steigenden Anteil der Versicherten, dass sie weniger Beiträge zahlen als während der Erwerbsphase, weil die Rente niedriger ausfällt als das Gehalt.
Solidarische Finanzierung deckeln, zweite Säule aufbauen
Ist es nun solidarisch, wenn die nachwachsenden Generationen immer höhere Beiträge zur Umverteilung leisten? Denn bei höheren Beitragssätzen steigt für sie der Finanzierungsanteil, von dem immer mehr Menschen im Alter profitieren. Statt danach zu fragen, was die Leistungsstarken zur solidarischen Umverteilung zusätzlich beisteuern können, ließe sich die Frage umkehren. Denn die Akzeptanz des Solidaritätsprinzips bedarf auch des Zutuns jener, die davon profitieren. Helfen könnte es, wenn die solidarische Finanzierung begrenzt würde, gepaart mit dem schrittweisen Aufbau einer zweiten, kapitalgedeckten Finanzierungssäule. Dies verspräche beides: Eine nachhaltige Finanzierung wachsender Versorgungsansprüche und eine intergenerativ faire Balance solidarischer Umverteilung.
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