Erneut werden die Lufthansa und ihre Töchter bestreikt. Schuld sind nicht nur unzeitgemäße Tarifstrukturen, sondern auch Interessen einzelner Berufsgruppen und Gewerkschaftsrivalitäten. Letztlich werden aber alle akzeptieren, dass die deutschen Fluggesellschaften Lohnkosten senken müssen, um zu überleben. Daher sollten Gewerkschaften und Fluggesellschaften darüber nachdenken, Löhne und Arbeitsbedingungen branchenweit zu regeln.
Raus aus der Sackgasse
Das Kernproblem bei Lufthansa und Co. sind jene Tarifverträge, die noch in Monopolzeiten geschlossen wurden und in wettbewerbsfähige Strukturen überführt werden müssen. Das geht aber nur, wenn die Tarifstrukturen umfassend reformiert werden. Dabei gilt es, drei entscheidende Probleme zu lösen:
- Das erste Problem betrifft die Wahrung des Besitzstandes. Bisher wurde zur Lohnkostensenkung vor allem die Strategie gewählt, in einem Unternehmen unterschiedliche Tarifniveaus zu implementieren. Lohnunterschiede bestehen mittlerweile nicht nur zwischen den verschiedenen Dachkonzernen, sondern auch innerhalb der Gesellschaften – bei der Lufthansa etwa jene Piloten, die im Geltungsbereich des Konzerntarifvertrags und jene, die außerhalb dieses Geltungsbereichs angestellt sind. Eine solche „Zweiklassengesellschaft“ führt zu ständig neuen Verteilungskonflikten.
- Das zweite Problem betrifft die Einbindung der Arbeitnehmer in unternehmerische Entscheidungen. Inzwischen dürfte allen Beteiligten klar sein, dass solche Entscheidungen in hochorganisierten Firmen wie den Fluggesellschaften nicht dauerhaft gegen den Willen von Mitarbeitern und Gewerkschaften getroffen werden können. Die Strategie, nur noch über kostengünstigere ausländische Töchter zu wachsen, mag betriebswirtschaftlich betrachtet der rettende Strohhalm sein. Der eigentliche Konflikt wird dadurch aber nicht gelöst, sodass die Spannungen innerhalb des Unternehmens bestehen bleiben. Dadurch kommt es zu Streiks und neuerdings auch zu kollektiven Krankmeldungen. Das kostet die Fluggesellschaften nicht nur viel Geld, sondern kratzt auch an deren Image.
- Das dritte Problem betrifft die Tarifpluralität. Die einzelnen Berufsgruppen lassen ihre Interessen durch ihre jeweilige Berufsgewerkschaften vertreten. Das erschwert den Interessenausgleich gerade im Strukturwandel erheblich. Denn zum Verteilungskonflikt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern kommt ein Verteilungskonflikt unter den Arbeitnehmern hinzu.
Alle Fluggesellschaften haben Schwierigkeiten, diese drei Probleme im Wege von Firmentarifverträgen zu lösen. Die Industriegewerkschaft Luftverkehr (IGL) regt daher einen Branchendialog an. Dieser Vorschlag ist zu begrüßen. Er eröffnet die Chance, Probleme branchenweit und brancheneinheitlich anzugehen. Am Ende eines solchen Prozesses sollte dann aber auch eine allgemeine Tarifstrukturreform unter dem Dach eines neuen, für alle Fluggesellschaften gültigen Branchentarifvertrags stehen.
Ein Branchentarifvertrag für die Luftfahrt bietet erstens die Chance, Spaltungen der Belegschaft durch unterschiedliche Tarifstandards zu beseitigen und stattdessen wettbewerbsfähige Löhne und Arbeitsbedingungen für alle einzuführen. Das verbessert das Betriebsklima. Da Konflikte überbetrieblich gelöst werden, sinkt zweitens auch die Anzahl an Tarifverhandlungen und potenziellen Tarifkonflikten. Und drittens könnte ein Branchentarifvertrag dazu führen, dass die Gewerkschaften wieder enger miteinander zusammenarbeiten.
Bei Branchenverhandlungen wäre ver.di die Mehrheitsgewerkschaft, die nach dem neuen Tarifeinheitsgesetz Vorrang hätte. Wollen die konkurrierenden Berufsgewerkschaften für Piloten und Flugbegleiter weiterhin tarifpolitischen Einfluss ausüben, müssten sie mit ver.di kooperieren. Das könnte helfen, die berufsgruppenspezifischen Interessen wieder in gemeinsamen Verhandlungen für alle Beschäftigten zu bündeln, statt sich in konfliktreichen Einzelauseinandersetzungen zu verlieren.
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