Der Deutsche Bundestag hat das Tarifeinheitsgesetz beschlossen. Das Gesetz will erreichen, dass rivalisierende Gewerkschaften miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Es ist ein längst überfälliger Beitrag zur Befriedung von Tarifkonflikten.

Miteinander, nicht gegeneinander
Das Tarifeinheitsgesetz erneuert den Grundsatz „ein Betrieb, ein Tarifvertrag“. Damit stellt es sicher, dass nach dem Abschluss eines Tarifvertrags in dessen Laufzeit eine Friedenspflicht gilt. Arbeitgeber und deren Belegschaften müssen nicht befürchten, dass sie durch eine Konkurrenzgewerkschaft in einen neuen Konflikt hineingezogen werden. Das sichert den Betriebsfrieden.
Da die Gewerkschaften ihre organisationspolitischen Streitigkeiten untereinander bereits im Vorfeld einer Tarifverhandlung klären müssen, werden Dritte nicht länger durch Streiks beeinträchtigt. Damit schützt das Gesetz das Gemeinwohl – und Gemeinwohlinteressen haben ebenso Verfassungsrang wie das Streikrecht der Gewerkschaften. Der Gesetzgeber hat also einen Spielraum, die beiden Grundrechte auszubalancieren.
Das Gerangel bei der Deutschen Bahn zeigt: Ankündigungsfristen vor Streiks und obligatorische Schlichtungen sind kein Ersatz für das Tarifeinheitsgesetz. Die Lokführergewerkschaft GDL hat zwar jetzt einer Schlichtung zugestimmt, aber das Dilemma der Rivalität zwischen Eisenbahngewerkschaft EVG und GDL ist immer noch nicht gelöst. Die EVG wird kaum einen Vertrag abschließen, wenn sie befürchten muss, dass die GDL anschließend mehr herausholen kann, indem sie damit droht, die Schlichtung platzen zu lassen. Das Dilemma lässt sich nur durch eine Tarifgemeinschaft lösen, bei der alle Parteien an einem Tisch sitzen. Und genau das will auch das neue Gesetz.

Streiks: „Wir haben hier keine französischen Verhältnisse“
Im Moment werde in Deutschland mehr und spürbarer gestreikt, sagt IW-Experte für Tarifpolitik Hagen Lesch im Gespräch mit dem WDR. Es handele sich aber nicht um französische Verhältnisse, sondern um ganz normale Tarifauseinandersetzungen.
IW
Tarifpolitischer Bericht 2. Halbjahr 2022: Konzertiert gegen die Lohn-Preis-Spirale
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen durch die hohe Inflation verlief das erste Halbjahr 2022 vergleichsweise harmonisch (Lesch, 2022a). Dieser Trend setzte auch im zweiten Halbjahr fort.
IW