1. Home
  2. Presse
  3. Studierendenwohnungen: „Studierende sind nicht die optimalen Mieter“
Zeige Bild in Lightbox
IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer
Michael Voigtländer Interview 1. Oktober 2020

Studierendenwohnungen: „Studierende sind nicht die optimalen Mieter“

Durch Anstieg der Mieten in fast allen Hochschulstädten Deutschlands, wird es für alle Studierenden zunehmend schwieriger auf dem Wohnungsmarkt Fuß zu fassen. IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer erklärt im Interview mit ZEIT Campus, warum besonders Studenten erschwerte Bedingungen bei der Wohnungsssuche haben.

Der Studentenwohnreport 2020, eine aktuelle Studie zu der prekären Situation von Studierenden auf dem Wohnungsmarkt, hat ergeben, dass in fast allen Hochschulstädten die Mietpreise gestiegen sind. Warum ist das so?
Es existiert eine starke Konkurrenzsituation auf vielen Wohnungsmärkten. Viele junge Erwerbstätige drängen in den Wohnungsmarkt, die Großstädte wachsen und gleichzeitig fehlt es überall an Wohnraum. Besonders im günstigen Wohnungssegment wird die Konkurrenz immer größer und es wird eng für Studierende.

Weshalb?
Studierende konkurrieren mit vielen anderen Gruppen um die günstigen Wohnungen. Auch durch Corona hat sich diese Situation verschärft. Manche Menschen mussten sich durch den Verlust ihres Jobs, Kurzarbeit oder Ähnliches wohnungstechnisch verkleinern. Sie bewerben sich nun auf dieselben Wohnungen wie Studierende.

Haben Studierende dadurch automatisch schlechtere Chancen auf eine Wohnung?
Ja, auf jeden Fall. Studierende sind nicht die optimalen Mieter. Denn sie haben selten ein geregeltes Einkommen und mieten meist nur auf kurze Zeit, ziehen für ein Praktikum oder nach dem Abschluss weg. Die Fluktuation und Unsicherheit ist für einen Vermieter viel größer als bei einem Verdiener-Paar, einem Single oder einer Familie.

Viele Studierende haben durch Corona ihren Nebenjob verloren. Die Mieten werden teurer und das Geld knapper.
Das ist ein Problem. Auch das BAföG reicht bei Weitem nicht aus, denn der darin enthaltene Wohnzuschlag von 325 Euro pro Monat deckt in fast keinem der untersuchten 30 Standorte die Miete einer studentischen Musterwohnung ab, mit der wir die Mieten vergleichen. Lediglich in Magdeburg, Leipzig und Aachen kann sich ein Student von diesem Geld eine Wohnung leisten. In München würde diese finanzielle Unterstützung umgerechnet nur für eine Wohnung mit 15 Quadratmetern zur Kaltmiete reichen. Das ist natürlich unrealistisch.

Was ist eine studentische Musterwohnung?
Das ist eine Vergleichsgröße. Wir arbeiten mit dem sogenannten Studentenwohnpreisindex. Dieser Index beinhaltet alle Wohnungen, die im Umfeld der Hochschule liegen und eine einfache bis mittlere Ausstattung haben. Um jedoch noch mehr Vergleichbarkeit zu schaffen, gehen wir von einer sogenannten studentischen Musterwohnung aus. Die liegt zwei Bahnstationen von der Hochschule entfernt, hat ebenfalls eine einfache bis mittlere Ausstattung und ist 30 qm groß. 

Am teuersten sind diese Art von Wohnungen in München mit 724 Euro und in Stuttgart mit 562 Euro – in Berlin hingegen sind es nur 446 Euro. Warum unterscheiden sich die Preise in diesen drei Großstädten so massiv? 
München und Stuttgart liegen in Süddeutschland. Hier ist der Wohnungsmarkt noch mal angespannter als im Norden oder Osten. In Süddeutschland stiegen die Mieten in den letzten Jahren schneller als die Löhne, was besonders den Andrang auf günstigere Wohnungen verstärkt hat. Dazu kommt, dass diese Städte Pendler-Städte sind. Das bedeutet wieder: mehr Konkurrenz für Studierende. Berlin ist ein Spezialfall. Hier gab es zwar auch eine massive Preissteigerung in den letzten Jahren, aber die Berliner Wohnungspreise starteten auf einem sehr niedrigen Niveau. Weiter wirft der Mietendeckel gerade einen Schatten auf den Markt. Viele Vermieter sind angesichts der neuen Regulierung vorsichtig – schließlich müssen die Mieten gesenkt werden, wenn sie als besonders hoch gelten, daher haben manche Vermieter die inserierte Miete etwas gesenkt.

Ist der Mietendeckel Ihrer Meinung nach ein adäquates Mittel, um die stets steigenden Mietpreise zu bremsen?
Das klingt alles sehr populär, das Mieten gedeckelt oder eingefroren werden können. Aber man sieht jetzt schon, wie der Markt reagiert: Nirgendwo ist das Mietangebot in letzter Zeit so stark eingebrochen wie in Berlin. Denn viele Vermieter entscheiden sich jetzt, ihre Wohnungen lieber zu verkaufen als unter diesen Umständen zu vermieten. Gerade für Studierende ist das ein Problem. Darüber hinaus wird in die Bestände nicht mehr investiert, sodass auf Dauer die Qualität der Mietwohnungen sinken wird.

Was gibt es für Alternativen, außer neuen Wohnraum zu bauen?
Speziell für Studierende wäre es gut, wenn man das Wohnen in einem Wohnheim zeitlich auf ein Jahr reguliert. So kommen mehr Studierende in den Genuss einer bezahlbaren Wohnung und gleichzeitig kann die Zeit für die Wohnungssuche genutzt werden. Denn ist man erst mal in einer Stadt und hat dort Anschluss, dann fällt das leichter. Ein anderer wichtiger Punkt ist: Man müsste das Umland besser an die Hochschulstandorte anbinden. Der öffentliche Personennahverkehr funktioniert einfach in den meisten Städten Deutschlands nicht so gut. Es bräuchte bessere Bahn- oder Busverbindungen, die es Studierenden ermöglichen, auch außerhalb zu wohnen und trotzdem keine Stunde Anfahrtsweg zu haben. Als letztes müsste man sich anschauen, warum Studienstandorte nicht gut besucht sind und diese dann attraktiver gestalten. Denn auch so lässt sich die Masse an Studierenden entzerren und umverteilen.

Abseits von Großstädten gibt es auch kleinere Städte, wie Freiburg, die sehr teuer sind. Warum ist das so?
Voigtländer: Es gibt keine Grundsatzregel. Die Wohnungen in Freiburg sind teurer, wegen ihrer unmittelbaren Nähe zur Schweiz. Der Wohnungsmarkt hängt auch davon ab, in welcher Region sich eine Stadt befindet, ob sie strukturschwächer oder -stärker ist. Die günstigste von uns untersuchte Stadt ist Magdeburg. Magdeburg ist sehr günstig, weil Sachsen-Anhalt wirtschaftlich nicht besonders stark ist. Hier zeigt sich eine regionalpolitische Chance: Wenn es gelingt, in strukturschwachen Regionen gute Hochschulen anzubieten, dann können diese als Anker für die Umgebung funktionieren und beispielsweise Phänomenen wie Abwanderung etwas entgegensetzen.

Bald beginnt das neue Semester, was würden Sie jungen Menschen am Anfang ihres Studiums raten?
Die Auswahl einer Universität ist in erster Linie eine fachliche Entscheidung. Dennoch würde ich empfehlen, immer auch den dortigen Wohnungsmarkt einzukalkulieren und sich zu fragen: Wo gibt es fachliche Alternativen in einem Umfeld, das eher meinen finanziellen Möglichkeiten entspricht? Wer in eine teure Stadt will und vor Ort schon Menschen kennt, der wird es einfacher haben, an eine günstige Wohnung zu kommen. Wer allerdings ausschließlich auf Onlineplattformen angewiesen ist, muss sich in vielen Städten auf hohe Mieten einstellen.

Die Studie bezieht sich ausschließlich auf Musterwohnungen, die kleiner sind und darum im günstigeren Segment liegen. Wäre es im Umkehrschluss sinnvoller, in einer Fünfzimmerwohnung einfach eine große WG zu gründen?
Unsere Studie bezieht sich auf Einzelwohnungen, aber wir wollen im nächsten Jahr den Fokus mehr auf Wohngemeinschaften legen, denn die sind tatsächlich meist eine günstigere Alternative. Große Wohnungen haben eine geringere Mietpreisdynamik, denn die meisten Haushalte in Großstädten sind eher klein und bewerben sich darum eher auf kleinere Wohnungen. Das bedeutet die Konkurrenz, über die wir vorher gesprochen haben, ist bei größeren Wohnungen deutlich geringer. Daher kann es eine gute Idee sein, sich mit Freunden zusammenzutun und eine WG zu gründen.

Wenn finanziell schwächere Studierende irgendwann nur noch in die günstigen Uni-Städte ziehen können, nimmt die angespannte Lage des Wohnungsmarktes dann auch Einfluss auf Bildungschancen?
Voigtländer: Die Politik sollte definitiv darauf achten, dass sie neben den Exzellenz-Universitäten auch kleinere Hochschulen in weniger attraktiven Regionen unterstützt. Es gibt ganz unterschiedliche Bewegungen an Studienstandorten. Manche wachsen, manche verlieren Studierende. Hier muss man sich fragen: Was macht diese Orte weniger attraktiv, obwohl sie verhältnismäßig günstig sind? Wir sollten darauf achten, dass wir ein Studienangebot schaffen, das in der Breite Qualität bietet. Nur so wird die Situation auf dem Wohnungsmarkt nicht bald ein Problem von Bildungsgerechtigkeit.

Was bedeutet das mit einem Blick auf die Zukunft? Müssen Studierende die Zähne zusammenbeißen?
Die Einkommenssituation verbessert sich stark mit dem Ende des Studiums und dem Einstieg in das Berufsleben. Die Einstiegsgehälter in akademischen Berufen ermöglichen eine ganz andere Wohnungssuche. Der Sprung ist hier viel höher als der bei Menschen mit Ausbildungsberufen. Man kann sich also sicher sein, dass die Wohnsituation nur temporär ist. Und für diejenigen, die noch nicht studieren, es aber in den nächsten Jahren wollen: Die demografische Entwicklung wird einiges ändern. Weniger Kinder heute bedeutet weniger Studierende morgen. Mitte der 2020er-Jahre wird die Zahl der Studierenden zurückgehen und damit werden sich vermutlich auch die Wohnungsmärkte wieder entspannen.

Zum Interview auf ZEIT Campus ONLINE

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Sanierungspotenziale von Wohnimmobilien in Deutschland
Pekka Sagner / Johannes Ewald / Hanno Kempermann Gutachten 21. April 2024

Sanierungspotenziale von Wohnimmobilien in Deutschland

Deutschland hat ehrgeizige Pläne und möchte bis 2045 Klimaneutralität erreichen. Ein zentraler Baustein dieser Bestrebungen ist die drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen.

IW

Artikel lesen
Michael Voigtländer im 1aLage Podcast Audio 18. April 2024

Wohnungsneubau in der Krise – Chancen für Anleger?

Die Genehmigungszahlen im Wohnungsneubau sind nach wie vor rückläufig, 2024 könnten die Fertigungszahlen merklich sinken. Wie geht es weiter im Wohnungsbau, wie schaffen wir den Turnaround und was bedeutet dies für Anleger? Darüber sprechen ...

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880