CDU/CSU, SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP versprechen Bürgern und Unternehmen für die kommende Legislaturperiode ein Ende des steuerpolitischen Stillstands. Unterschiede bestehen allerdings beim Umfang der Entlastungen und bei den Instrumenten.
Wahlprogramme: Steuersenkungen, aber wie!?
Die Union will mit der Abflachung des Einkommensteuertarifs die Steuerlast um schätzungsweise 35 Mrd. Euro senken. Geringere Grenzsteuersätze würden den Anreiz erhöhen, z. B. eine Teilzeitstelle aufzustocken. Als weitere Arbeitsanreize will die Union, dass sich Überstunden für Arbeitnehmer und Weiterarbeiten für Rentner steuerlich mehr lohnen. In der Gastronomie soll die Mehrwertsteuer gesenkt werden, so wie es in der Coronapandemie der Fall war. Entlastungen hat die Union auch für Unternehmen im Programm. Die Senkung der Körperschaftsteuer sowie attraktivere Abschreibungsregeln und verbesserte Verlustverrechnungen würden den Standort Deutschland voranbringen, gleichzeitig aber zunächst Mindereinnahmen von 20 Mrd. Euro mit sich bringen. Mit der Zeit könnte sich ein Teil der Einnahmeausfälle über zusätzliches Wirtschaftswachstum refinanzieren.
Bei der SPD fallen die Steuersenkungen für private Haushalte kleiner als bei der Union aus, hier bleiben Normalverdienern rund 15 Mrd. Euro mehr. Gleichzeitig sollen Spitzen- und Reichensteuersatz um jeweils 3 Prozentpunkte steigen, so dass für 5 % der Steuerzahler die Belastung steigt. Der Ansatz von Steuererhöhungen zeigt sich auch in dem Vorschlag, die Erbschaftsteuer für große Vermögen zu verschärfen, die Vermögensteuer ab 100 Mio. Euro Vermögenswerten zu reaktivieren und die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge abzuschaffen. Stattdessen sollen Kapitalerträge wieder nach dem persönlichen Grenzsteuersatz von bis zu 45 % veranlagt werden. Gleichzeitig will die SPD Unternehmen über eine Prämie für Investitionen in Maschinen und Geräte entlasten, was den Fiskus schätzungsweise rund 20 Mrd. Euro pro Jahr kosten dürfte. Die Partei will zudem die Mehrwertsteuer für Lebensmittel von 7 % auf 5 % reduzieren.
Konkret geplant ist bei den Grünen eine Anhebung des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer sowie die Einführung eines Klimagelds, addiert wäre dies eine Entlastung von schätzungsweise mehr als 20 Mrd. Euro. Relativ zum Einkommen würden dadurch Haushalte mit Durchschnittsverdiensten stärker als Spitzenverdiener entlastet werden. Private Investitionen will die Partei analog zur SPD durch eine Investitionsprämie ankurbeln. Eine stärkere Belastung großer Vermögen soll dagegen, ebenfalls ähnlich wie bei der SPD, bei der Erbschaftsteuer und durch die Einführung einer globalen Milliardärssteuer erfolgen.
Bei der FDP fallen im Wahlprogramm die Entlastungsvorhaben größer aus als bei den anderen drei Programmen. Bei der Einkommensteuer will die Partei den Einkommensteuertarif schrittweise abflachen und den Spitzensteuersatz deutlich später greifen lassen – eine Entlastung von in Summe gut 95 Mrd. Euro. Für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen soll es zudem eine Klimadividende geben. Die Steuerbelastung der Unternehmen soll auf unter 25 % und damit einen international wettbewerbsfähigen Satz sinken. Durch den geplanten Wegfall des Solidaritätszuschlags und eine Senkung der Körperschaftsteuer um 5 Prozentpunkte würde dies erreicht werden. Außerdem sollen Eigenkapitalkosten steuerlich berücksichtigt werden. Die Umsatzsteuer in der Gastronomie soll wie bei der Union auf 7 % sinken. Bei der Energiebesteuerung plant die FDP einen Umbruch: weg von Energie-, Luftverkehr- und Kfz-Steuer, hin zu einer höheren CO2-Bepreisung.
Einigkeit besteht zwischen allen Parteien im Grundsatz darin, bei den Energiekosten gegenzusteuern. Eine Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß und eine Reduktion der Netzentgelte kämen Bürgern wie Unternehmen zugute. Zudem wollen Union und FDP den Ländern bei der Grunderwerbsteuer einen Freibetrag für Erstkäufer ermöglichen. Die Umsetzung einschließlich der Aufkommensfolgen läge allerdings im Ermessen der Länder.
Eine zentrale Frage lautet, nicht zuletzt nach der an der Aufstellung des Bundeshaushalts gescheiterten Ampel-Regierung, wie sich die Entlastungen finanzieren lassen. Die Antwort liegt bei Grünen wie SPD neben den skizzierten Steuererhöhungen in zusätzlichen Schulden, die durch eine Reform der Schuldenbremse und das Aufsetzen eines Deutschland-Fonds möglich werden sollen. Union und FDP wollen dagegen an der bestehenden Schuldenregel festhalten. Die FDP setzt auf eine Rückbesinnung auf die Kernaufgaben des Bundes und damit auf Einsparungen. Die Union will einen „Kassensturz“ machen und vor allem Subventionen hinterfragen. Die Antwort auf die Finanzierungsfrage bleibt bei allen Programmen nicht zuletzt deshalb offen, weil bis zur Hälfte die Mindereinnahmen bei Ländern und Kommunen anfallen würden, die angesichts ihrer Haushaltsengpässe nicht ohne Weiteres mitziehen dürften.
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