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Michael Grömling in der Fuldaer Zeitung Gastbeitrag 4. Januar 2025

Ohne Schwung

In einem Gastbeitrag für die Fuldaer Zeitung rechnet IW-Konjunkturexperte Michael Grömling damit, dass die deutsche Wirtschaft angesichts hoher Kosten, politischer Unordnung und zahlreicher Unsicherheiten auch im neuen Jahr nicht aus der Krise kommt.

Die deutsche Konjunktur ist nach der Erholung vom Corona-Schock 2020 seit vier Jahren bewegungslos. Auch im neuen Jahr wird die Wirtschaftsleistung nicht groß über das Niveau von 2019 hinauskommen. Denn aus der aktuellen IW-Konjunkturumfrage lassen sich keine Signale für eine konjunkturelle Wende ableiten: Fast zwei Fünftel der Unternehmen sehen eine niedrigere Geschäftstätigkeit im Jahr 2025. Nur ein Fünftel geht von einem Produktionsplus gegenüber 2024 aus.

Die Differenz zwischen Optimisten und Pessimisten ist weiter ins Negative abgedriftet. Das gilt auch für die Beschäftigungserwartungen, die in den letzten Jahren zumeist gut waren. Für 2025 erwarten nur noch 17 Prozent der Firmen einen Beschäftigungsaufbau, jedoch 38 Prozent rechnen mit einer kleineren Belegschaft. Ebenso bedenklich sind die anhaltend schlechten Investitionsperspektiven für den Standort Deutschland.

Was erklärt diese langwierige Stagnation? Der deutsche Außenhandel leidet unter den geopolitischen Konflikten, den Handelsverzerrungen und der dadurch gedämpften Weltwirtschaft. Dazu kommt eine schwächere Wettbewerbsfähigkeit aufgrund hoher Energiekosten und Regulierungen. All das beeinträchtigt die Industrie. Hohe Material- und Finanzierungskosten sowie umständliche Genehmigungen erklären die Baukrise. Der Konsum und die damit verbundenen Dienstleister kommen trotz niedriger Inflation und angestiegener Löhne nicht in Fahrt. Verunsicherungen und Angst vor Jobverlust lassen die Konsumenten vorsichtig kalkulieren.

Diese Schocks nehmen nicht nur der Konjunktur jeglichen Schwung. Sie werden zur strukturellen Belastung mit langwierigen Folgen für unsere künftige Wohlstandsbasis. Was heute nicht investiert wird, fehlt morgen an Produktionskapital.

Was muss geschehen? Eine echte Entspannung der akuten Kriege (Ukraine, Naher Osten) und der latenten Konflikte (Territorialkonflikte im Indopazifik, US-Handelspolitik unter Trump) wäre ein wesentlicher geoökonomischer Gamechanger. Die Zuverlässigkeit von gewohnten Absatzmärkten würde gestärkt, Lieferketten sowie die Rohstoff- und Energieversorgung wären weniger risikobehaftet.

Es reicht aber nicht aus, auf eine geopolitische Wende zum Besseren zu warten. Wegen der externen Belastungen muss die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am Standort Deutschland gestärkt werden. Das lähmende Ausmaß an Regulierungen und Dokumentationspflichten, vor allem für mittelständische Firmen, ist ein gewaltiger Wettbewerbsnachteil und massives Investitionshindernis. Die Unternehmenssteuern sind im internationalen Vergleich viel zu hoch. Der Anstieg der Sozialabgaben muss abgebremst werden, um Arbeitsanreize nicht zu schwächen und Arbeitskosten nicht weiter zu erhöhen. Die Modernisierung der Infrastruktur erfordert gewaltige Investitionen und einen effizienten Einsatz dieser Mittel. Dazu kommen dringend notwendige Verteidigungsausgaben.

Eine neue Bundesregierung muss für die nächste Dekade die dafür erforderliche Finanzierung sichern sowie eine klare Transformationsperspektive entwickeln. Es braucht eine verbindliche Stabilität der klimapolitischen Ziele, damit Unternehmen planen und investieren können. Zentral ist ein glaubwürdiger Pfad hin zu einer klimafreundlichen und stabilen Energieversorgung und zu wettbewerbsfähigen Energiekosten in der Übergangsphase.

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