Gewerkschaften fordern Lohnerhöhungen aufgrund steigender Preise. Für die Wirtschaft wäre das fatal, schreibt IW-Tarifexperte Hagen Lesch in einem Gastbeitrag auf Focus Online.
Die hohe Inflation ist kein Argument für höhere Löhne
Die derzeit hohe Inflationsrate wird einen spürbaren Einfluss auf die Tarifverhandlungen 2022 haben. Die IG Metall Niedersachsen hat Anfang November auf einer Fachtagung klargestellt, dass höhere Preise an Tankstellen, im Supermarkt oder fürs Heizen nur mit einer satten Entgelterhöhung beantwortet werden könnten.
Setzen aber die Gewerkschaften als Reaktion auf die höhere Inflationsrate Lohnsteigerungen durch, die den Preisdruck verstärken, kommt es zu einer Lohn-Preis-Spirale. Auf diese Weise könnten temporäre Preiseffekte zu dauerhaften werden. Dann verfestigen sich die Inflationserwartungen und die Lohn-Preis-Spirale dreht sich weiter. Letztlich muss die Europäische Zentralbank zu einer restriktiveren Geldpolitik übergehen, was sich negativ auf die öffentlichen Haushalte (höhere Zinslasten), die Investitionen der Unternehmen (Kredite werden teurer) und das Wachstum auswirkt.
Die Inflation trifft Firmen und Mitarbeiter gleichermaßen
Natürlich stecken die Gewerkschaften in einem Dilemma, wenn die Reallöhne der Beschäftigten sinken. Eine Stärkung der Kaufkraft durch hohe Tarifabschlüsse würde im Falle einer anhaltenden Angebotsverknappung aber verpuffen: Die steigende Nachfrage würde nicht bedient, sondern in Preiserhöhungen münden.
Wer das nicht wahrhaben will, sollte sich an die erste Ölpreiskrise 1973/74 erinnern. Auf eine erste massive Verteuerung der Energiepreise reagierten die Gewerkschaften mit hohen Lohnforderungen, die sie auch weitgehend durchsetzen konnten. Nachdem die Inflation 1973 auf 7,1 Prozent gestiegen und 1974 noch immer bei 6,9 Prozent lag, legten die Tariflöhne 1974 um 13 Prozent zu. Die Deutsche Bundesbank erhöhte daraufhin die Leitzinsen. Die Bonner Republik rutschte in die Rezession.
Die Inflation trifft Firmen und Mitarbeiter gleichermaßen. Die Reallohneinbußen sind nur vorübergehend. Seit 2012 lagen die Tariflohnsteigerungen durchweg über dem Verbraucherpreisanstieg. Und 2020 profitierten die Beschäftigten noch von einer Inflationsrate, die bei 0,5 Prozent lag, während die Tariflöhne um durchschnittlich 2,2 Prozent stiegen.
Zum Gastbeitrag auf Focus Online.
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