Viele Kommentatoren diagnostizieren bereits pauschal ein Versagen des Projekts Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP). Tenor: Schon immer war zu ahnen, dass es am Ende doch teurer wird. Dafür wird eine Reihe von Argumenten angeführt, die einer näheren Überprüfung kaum standhalten. Anlass genug, diese Überprüfung erneut vorzunehmen.
Mythen und Fakten: Öffentlich-Private-Partnerschaften
IW-Kurzbericht
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Viele Kommentatoren diagnostizieren bereits pauschal ein Versagen des Projekts Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP). Tenor: Schon immer war zu ahnen, dass es am Ende doch teurer wird. Dafür wird eine Reihe von Argumenten angeführt, die einer näheren Überprüfung kaum standhalten. Anlass genug, diese Überprüfung erneut vorzunehmen.
Die drohende Insolvenz des Betreibers der Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP), der den Ausbau der A1 zwischen Hamburg und Bremen ausgeführt hat, und dessen anhängige Klage gegen den Bund befeuern die Debatte um öffentlich-private Partnerschaften. Obwohl der Ausgang des Verfahrens völlig offen ist, wird von vielen Kommentatoren bereits pauschal ein Versagen des Projekts ÖPP diagnostiziert. Tenor: Schon immer war zu ahnen, dass es am Ende doch teurer wird. Dafür wird eine Reihe von Argumenten angeführt oder auch aufgewärmt, die einer näheren Überprüfung kaum standhalten. Anlass genug, diese Überprüfung erneut vorzunehmen.
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„Am Ende zahlt der Steuerzahler.“
Zunächst einmal gilt: Eine Klage ist kein Urteil. Ob es am Ende eines möglichen Prozesses zu einer Zahlung kommen wird, kann heute niemand sagen. Momentan ist die Lage so, dass dem Bürger nach vier Jahren Bauzeit eine ausgebaute Autobahn zur Verfügung steht, die in der konventionellen Beschaffung zwölf Jahre Bauzeit benötigt hätte. Da die A1 zwischen Hamburg und Bremen vor dem Ausbau chronisch überlastet war, haben viele Steuerzahler bereits sehr von dem Projekt profitiert. Ob es nun zu einer Nachzahlung kommt, wird von der konkreten Vertragsgestaltung abhängen. Prinzipiell sieht das im Fall der A1 verwendete A-Modell aber vor, dass das Einnahmerisiko beim Lizenznehmer liegt. Die ÖPP-Verträge sind zudem so ausgestaltet, dass der Auftraggeber – also der Staat – ein Kündigungsrecht hat, welches insbesondere dann zum Tragen kommt, wenn der Auftragnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommt oder insolvent wird. Im aktuellen Fall der A1 ist der Ausbau bereits vollzogen und es geht lediglich um den Erhalt und Betrieb des Autobahnabschnitts zwischen den Hansestädten. In dieser Phase erhält der Betreiber erst nach und nach die finanziellen Mittel erstattet, die er bereits beim Ausbau ausgegeben hat. Für den Staat wäre es sogar ein gutes Geschäft, wenn er den Vertrag kündigen könnte. Und gleichzeitig ist dies der Grund für die Klage der Betreibergesellschaft, denn die möchte nicht auf ihren Kosten sitzenbleiben, sondern fordert die für die Restlaufzeit der 30-jährigen Konzession fälligen Beträge ein. Die Erfolgsaussichten sind bislang völlig unklar. Gerade hieran zeigt sich, dass der private Betreiber das Risiko übernommen hat.
„Privat ist immer teurer als staatlich.“
In diesem Zusammenhang wird häufig auf den Bundesrechnungshof verwiesen. Der hatte in einem vielbeachteten Gutachten 2014 dargelegt, dass die Erwartungen der Betreiber über die Mauteinnahmen viel höher lagen als die des Bundes. Der Rechnungshof zog daraus den Schluss, dass dem Staat damit Einnahmen entgingen. Im Nachhinein hat sich gezeigt: Die Erwartungen des Auftraggebers haben sich als zutreffend erwiesen und der Auftragnehmer hat sich verkalkuliert – und trägt dafür nun das Risiko. Ferner bezieht der Rechnungshof die volkswirtschaftlichen Effekte einer kürzeren Bauzeit nicht in seine Berechnungen mit ein. Die Aussagen des Rechnungshofs basierten auf der Annahme, dass die konventionelle Beschaffung ein qualitativ gleichwertiges Bauwerk in ähnlicher Zeit wie eine ÖPP erstellen kann. Allerdings bemerkte der Rechnungshof auch, dass die Verwaltung in ihrer heutigen Aufstellung dazu nicht in der Lage wäre.
Nur bei den ersten ÖPP-Projekten, zu denen der A1-Ausbau gehört, wurden die Auszahlungen an den Betreiber unmittelbar an die Einnahmen aus der LKW-Maut geknüpft. Ob der Betreiber seine Kosten decken konnte, war also maßgeblich vom Verkehrsaufkommen abhängig – einer Größe, die der Betreiber allerdings kaum beeinflussen kann. Deshalb werden bei aktuellen ÖPP-Projekten andere Kriterien für die Zahlungen an den Betreiber vereinbart. Nun geht es um die Geschwindigkeit des Ausbaus und die Einhaltung der Qualität. Das sind Faktoren, die die Betreibergesellschaft tatsächlich beeinflussen kann.
„Die Autobahnen dürfen nicht privatisiert werden.“
Auch ein Autobahnabschnitt, der im Rahmen eines ÖPP-Projekts ausgebaut und über einen Zeitraum von üblicherweise 30 Jahren von einem privaten Konzessionsnehmer bewirtschaftet wird, bleibt staatliches Eigentum. Auch bei einem staatlichen Autobahnausbau werden private Firmen mit den einzelnen Ausführungsprojekten beauftragt. Eine ÖPP privatisiert nicht einen ganzen Autobahnabschnitt, sondern übergibt die Ausführungsplanung an einen Privaten im Verbund mit der Finanzierung. Indem schon die Ausführungsplanung und anschließende Durchführung in einer Hand liegt, ergibt sich der Vorteil des privaten Betreibers: Er kann das gesamte Projekt koordinieren und die einzelnen Aufgaben besser aufeinander abstimmen. Hilfreich ist an dieser Stelle, dass der Lizenznehmer nicht unter das staatliche Vergaberecht fällt, welches die Behörden zwingt, sehr kleine Baulose auszuschreiben und zu koordinieren. Ferner ist er problemlos in der Lage, eine mehrjährige Finanzierung für ein mehrjähriges Bauprojekt aufzustellen. Da beim Staat die Haushaltserstellung jährlich erfolgt und das Budgetrecht das „Königsrecht“ der Parlamente darstellt, ist eine länger laufende Finanzierung für die öffentliche Hand deutlich problematischer. Da dem Lizenznehmer außerdem die Pflicht obliegt, den Straßenabschnitt über einen längeren Zeitraum zu betreiben, wird er beispielsweise dafür Sorge tragen, das Projekt nach den Lebenszykluskosten zu planen. Das bedeutet, er wird eher langlebige als auf den ersten Blick kostengünstige Materialien einsetzen, da er 30 Jahre an das Projekt gebunden ist. Bei der konventionellen Beschaffung endet die Bindung mit der Gewährleistungsfrist nach fünf Jahren.
Das bedeutet nicht, dass der Ausbau durch eine ÖPP immer effizienter ist als durch die öffentliche Hand. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, welches Verfahren eher geeignet ist. Zudem müssen die Verfahren verbessert werden. Das gilt für ÖPP-Projekte gleichermaßen wie für die öffentliche Verwaltung. Hier sind bei der Durchführungsgeschwindigkeit von Straßenbaumaßnahmen sowohl bei ÖPP- als auch bei konventionell durchgeführten Projekten Fortschritte festzustellen. Aus Fehlern wie der unmittelbaren Verknüpfung von Mauteinnahmen und Auszahlungen an den Betreiber lässt sich lernen. Die aktuellen ÖPP-Projekte gelingen deshalb besser als die ersten Projekte, zu denen der A1-Ausbau gehört.
In der Gesamtschau haben die bisherigen ÖPP-Projekte in etwa die Kosten verursacht, die auch veranschlagt waren (Abbildung). Der Bundesrechnungshof hat übrigens seine Kritik – allerdings wenig beachtet – inzwischen relativiert. Und für die Autofahrer und für den Straßengüterverkehr kommt ein entscheidender und kostenrelevanter Vorteil von ÖPP hinzu: Die Bauzeiten sind kürzer und damit steht der ausgebaute Streckenabschnitt schneller zur Verfügung als bei dem konventionellen Bau.
Thomas Puls / Thilo Schaefer: Öffentlich-Private-Partnerschaften: Mythen und Fakten
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