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Michael Grömling / Thomas Schleiermacher IW-Kurzbericht Nr. 78 30. Juni 2020 Ergebnisse einer IW-Verbandsumfrage: Starke Belastung in allen Branchen

Das Institut der deutschen Wirtschaft hat aktuell Wirtschaftsverbände in Deutschland zu ihrer Einschätzung der Branchenkonjunktur befragt. Im zweiten Quartal 2020 ist die Produktion flächendeckend eingebrochen. Fünf von 31 Verbänden sprechen von Rückgängen von 50 Prozent und mehr, bei elf Branchen liegen sie zwischen 20 und 50 Prozent. Nicht alle Branchen erholen sich gleichermaßen im weiteren Jahresverlauf und nicht überall wird 2021 der Einbruch aufgeholt.

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Starke Belastung in allen Branchen
Michael Grömling / Thomas Schleiermacher IW-Kurzbericht Nr. 78 30. Juni 2020

Ergebnisse einer IW-Verbandsumfrage: Starke Belastung in allen Branchen

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Das Institut der deutschen Wirtschaft hat aktuell Wirtschaftsverbände in Deutschland zu ihrer Einschätzung der Branchenkonjunktur befragt. Im zweiten Quartal 2020 ist die Produktion flächendeckend eingebrochen. Fünf von 31 Verbänden sprechen von Rückgängen von 50 Prozent und mehr, bei elf Branchen liegen sie zwischen 20 und 50 Prozent. Nicht alle Branchen erholen sich gleichermaßen im weiteren Jahresverlauf und nicht überall wird 2021 der Einbruch aufgeholt.

Konjunkturorientierung mit der IW-Verbandsumfrage

Der Start in das zweite Quartal 2020 war für die deutsche Industrie ein bislang beispielloses Desaster. Im April 2020 unterschritt die Produktion das Niveau vom März, als bereits ein Rückgang in Höhe von 11 Prozent gegenüber Februar zu verkraften war, nochmals um 22 Prozent. Damit war der Einbruch allein in diesen beiden Monaten schon tiefer als während der gesamten Finanzmarktkrise von 2008/2009. Vor allem in der Automobilwirtschaft war der Einbruch gewaltig – die Produktion lag im April 2020 um 75 Prozent unter dem Märzniveau. Im Gegensatz zu früheren Konjunkturkrisen, die in Deutschland ausschließlich Industriekrisen waren, hat der Corona-Lockdown auch weite Teile des Dienstleistungssektors getroffen. Daten für viele Servicebereiche liegen allerdings erst mit größerer zeitlicher Verzögerung vor. Stimmungsindikatoren – wie etwa die IW-Konjunkturumfrage (Bardt/Grömling, 2020) – signalisieren, dass die Dienstleistungswirtschaft durch die Corona-Pandemie im ähnlichen Ausmaß beeinträchtigt wird wie die Industrie. Das weltweit wütende Virus trifft also die deutsche Wirtschaft in voller Breite, mit bislang ungekannter Schnelligkeit und mit hartem Schlag.

Um weitere Orientierung in diesem ökonomischen Desaster zu finden, haben das Institut der deutschen Wirtschaft und die IW Consult ausgewählte Wirtschaftsverbände in Deutschland nach ihren Erwartungen hinsichtlich der aktuellen und der weiteren Geschäftsentwicklung befragt. Dazu wurden knapp 50 Verbände angeschrieben, die in der Regel an der traditionellen IW-Verbandsumfrage zum Jahreswechsel teilnehmen (Grömling, 2019). An dieser außerplanmäßigen IW-Umfrage haben sich 31 Verbände beteiligt. Damit werden sowohl die Industrie, das Baugewerbe und der Primärsektor als auch große Teile der privatwirtschaftlichen Dienstleistungswirtschaft erreicht. Es wurden wenige kurze Fragen gestellt, um eine hohe inhaltliche Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Zudem wurde ein kurzes Zeitfenster verwendet, um auch eine hohe zeitliche Vergleichbarkeit der Antworten sicherzustellen.

Breiter Belastungsfächer

Gemäß der Einschätzung der Verbände ist die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal 2020 in fast allen Branchen zum Teil katastrophal eingebrochen. Die Abbildung zeigt die Produktionserwartungen für das zweite Quartal 2020, für das zweite Halbjahr 2020 und für das Gesamtjahr 2021. Dabei werden jeweils die Veränderungen gegenüber dem jeweiligen Vorjahreszeitraum ausgewiesen.

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  • Fünf der 31 Verbände gehen davon aus, dass die Produktion in ihrem Wirtschaftszweig im zweiten Quartal 2020 um mindestens 50 Prozent unter dem entsprechenden Vorjahresniveau liegen wird. Hierzu gehören sowohl Industriezweige wie die Automobil- sowie Luft- und Raumfahrtindustrie als auch Dienstleister wie das Hotel- und Gaststättengewerbe. Bei weiteren elf Wirtschaftsbereichen dürfte sich die Fallhöhe im Zeitraum April bis Juni auf 20 bis 50 Prozent belaufen. Auch hier finden sich sowohl Indus­triezweige als auch Dienstleister. Einzig im Finanzbereich gehen die Verbandsvolkswirte von einer derzeit höheren Geschäftstätigkeit aus. Durch die Bereitstellung der vielfältigen Finanzhilfen ist dieser Bereich stark gefordert.
  • Das Vorjahresergebnis wird im überwiegenden Teil der Volkswirtschaft – zumindest gemäß der vorliegenden Verbandsumfrage – ebenso in der zweiten Jahreshälfte 2020 mehr oder weniger deutlich verfehlt. Ähnliche Produktionsrückgänge wie im zweiten Quartal dürften allerdings nach Stand des derzeitigen Wissens nicht zu erwarten sein. Demnach sollte mit dem dritten Quartal im Großteil der Wirtschaft eine Erholung einsetzen. Diese fällt jedoch nicht überall gleich stark aus. Nicht alle Branchen, die derzeit besonders stark betroffen sind, erholen sich im Jahresverlauf 2020 entsprechend kräftig. Große Einbußen gegenüber dem Vorjahr werden im zweiten Halbjahr zum Beispiel noch im Hotel- und Gastgewerbe und in Teilen der Metallindustrie erwartet.
  • Einige der befragten Verbände konnten bereits eine erste, vorläufige Prognose für das kommende Jahr abgeben. Vereinzelt wird trotz der Rückgänge in diesem Jahr auch für das kommende Jahr ein Minus geschätzt. Dagegen wird in 20 Wirtschaftsbereichen zum Teil ein kräftiges Wachstum gegenüber dem Krisenjahr 2020 erwartet. Dabei ist aber der Einbruch von 2020 gegenzubuchen. Die Zuwächse werden nicht überall ausreichen, um auf das Vorkrisenniveau zurückzukehren. Das Produktionspotenzial dürfte in der Industrie und im Dienstleistungsbereich auch im Jahr 2021 vielfach deutlich unterausgelastet bleiben. Wie in früheren Konjunkturkrisen braucht es Zeit, bis sich eine neue Normalauslastung einstellt (Bardt/Grömling, 2020). Für Teile der Volkswirtschaft wird dies erst 2022 möglich sein.

Nachfrageeinbrüche im In- und Ausland

Die Corona-Pandemie stellt für die Unternehmen eine doppelte Belastung dar: Zum einen werden die Produktionsprozesse infolge fehlender Zulieferungen und fehlender Mitarbeiter blockiert. Zum anderen fallen sowohl im Inland wie auch im Ausland die Kunden aus. Die IW-Konjunkturumfrage, die seit März 2020 wöchentlich Unternehmen befragt (Bardt/Grömling, 2020), zeigt, dass die Nachfrageausfälle stärker zu Buche schlagen als die angebotsseitigen Restriktionen. Vor allem hat sich die Nachfrageschwäche hartnäckig festgesetzt. Dies spiegelt auch die IW-Verbandsumfrage wider. In den meisten Branchen werden die derzeitigen Nachfrageeinbrüche bei den Inlands- und Auslandskunden ähnlich dramatisch eingeschätzt. Das erklärt sich selbstverständlich aus der rasanten globalen Ausbreitung des Virus. Vielfach fallen die Nachfragerückgänge im Urteil der Verbände noch stärker aus als die gegenwärtigen Produktionseinbrüche, was auf eine nur schleppend vorankommende Erholung in den nächsten Monaten hindeutet.

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Erwartungen ohne „double hit“

Unter der Voraussetzung, dass im zweiten Quartal 2020 der konjunkturelle Tiefpunkt infolge der Corona-Pandemie erreicht wurde, werden sich die meisten Wirtschaftsbereiche im weiteren Jahresverlauf 2020 auf dem Weg zur Erholung befinden. Selbst dann gehen aber die Wirtschaftsverbände derzeit nicht davon aus, dass dieser Normalisierungsprozess im Jahr 2021 abgeschlossen sein wird. Dabei wird unterstellt, dass sich zum einen die Virusausbreitung in vielen derzeit noch stark betroffenen Volkswirtschaften eindämmen lässt und die Weltwirtschaft wieder anzieht. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass es nicht zu zweiten Infektionswellen rund um den Globus kommt, die wiederum mit großräumigen Lockdown-Maßnahmen verbunden wären und das Wirtschaftsleben ähnlich wie im zweiten Quartal lahmlegten. Ein solcher „double hit“ (OECD, 2020) würde den Erholungsprozess und die Rückkehr zu einer Normalauslastung des volkswirtschaftlichen Produk­tionspotenzials erheblich in die Länge ziehen.

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