Bei den Olympischen Spielen in Paris war jede für Deutschland gewonnene Medaille ein großer Erfolg. In der Gesamtbetrachtung hat das deutsche olympische Team mit Platz zehn die Vorgaben des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gerade so erfüllen können.
Olympia: Mehr Geld, weniger Ertrag
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Bei den Olympischen Spielen in Paris war jede für Deutschland gewonnene Medaille ein großer Erfolg. In der Gesamtbetrachtung hat das deutsche olympische Team mit Platz zehn die Vorgaben des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gerade so erfüllen können.
Doch dies hat auch seinen Preis: die Bundeszuschüsse für die olympischen Sportfachverbände pro Medaille sind in den vergangenen drei Olympiaden gestiegen – in Paris kamen im Durchschnitt auf eine Medaille knapp 3,7 Mio. Euro Bundeszuschüsse.
Mit den 33. Olympischen Sommerspielen in Paris ist am vergangenen Sonntag die zweite internationale Sportgroßveranstaltung in diesem Jahr zu Ende gegangen. Die deutschen Athleten gewannen insgesamt 12 Gold-, 13 Silber- und 8 Bronze-Medaillen. Damit setzt sich der langjährige Trend fort, dass die deutschen Sportler bei den Olympischen Spielen insgesamt weniger Medaillen mit nach Hause bringen. Bei den erfolgreichsten Olympischen Spielen der vergangenen 30 Jahre in Atlanta im Jahr 1996 hatten die deutschen Sportler noch 20 Gold-, 18 Silber- und 27 Bronzemedaillen gewonnen. Damals belegte Deutschland den dritten Platz hinter den USA und Russland. Bei den folgenden fünf Olympiaden lag Deutschland konstant auf dem fünften oder sechsten Platz. In Tokio 2021 belegte die deutsche Mannschaft nur noch den neunten Platz, in Paris wurde Platz zehn erreicht – das vom DOSB ausgerufene Minimal-Ziel.
So sehr jede gewonnene Medaille für Deutschland ein Erfolg darstellt und für Athleten oftmals ein Lebensziel bedeutet, so frappierend ist doch der Rückstand im Medaillenspiegel zu anderen Nationen geworden. Die Olympischen Spiele erhalten als eines der größten Sportevents der Welt eine besondere Aufmerksamkeit international wie national und insbesondere für kleinere Sportarten bilden die Olympischen Spiele eine wichtige Projektionsfläche, die auch für die Nachwuchsarbeit ausschlaggebend ist.
Zwar ist die Bedeutung des Rankings eines Landes im Medaillenspiegel für die internationale Reputation eines Landes komplex und durchaus umstritten (Haut et al., 2017), doch könnte der „Abstieg“ Deutschlands im olympischen Medaillenspiegel in den vergangenen Jahren auch mit der wirtschaftlichen Schwäche hierzulande zusammenhängen. So konnte für die Olympischen Spiele zwischen 1996 und 2020 ein starker positiver statistischer Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Stärke (gemessen anhand des BIP) und der Anzahl an Olympischen Medaillengewinnen eines Landes festgestellt werden (The Economist, 2021). Deutschlands Rückstand im Wirtschaftswachstum und Medaillenspiegel passt in dieses Bild.
Zum Erfolg der Sportler bei Olympia tragen zweifellos vielfältige Faktoren bei, doch ist die staatliche Sportförderung gerade in Sportarten mit vergleichbar niedrigem Zuschauerinteresse (außerhalb von Olympia) und mangelnder privatwirtschaftlich gewinnorientierter Organisation unverzichtbar. Die Förderung fängt häufig schon mit gezielter Nachwuchsförderung an und zielt auch auf die Unterstützung nach der sportlichen Laufbahn ab. Mehr als 95 Prozent der deutschen Olympia-Athleten in diesem Jahr wurden im Laufe ihrer Karriere von der Stiftung Deutsche Sporthilfe (DSH) gefördert (Sporthilfe, 2024).
Finanziell bedeutsamer ist die Förderung des Spitzensports durch das Bundesinnenministerium. Darunter fallen die direkte Athletenförderung, gezielte Olympiavorbereitung sowie die Gehälter des Leistungssportpersonals. Darüber hinaus fördert das BMI die Instandhaltung und den Neubau von Sportstätten, welche auch dem Breitensport zugutekommen. In Olympiastützpunkte und Trainingszentren flossen im Jahr 2023 beispielsweise über 54 Millionen Euro an Bundesmitteln (Bundeshaushalt, 2023). Zusätzlich zu den Fördermitteln für die Infrastrukturerhaltung fördert das BMI die Bundessportfachverbände, um die gezielte Vorbereitung auf Olympia und andere internationale Wettbewerbe zu unterstützen. Die Höhe der Leistungen variiert je nach Verband und wird bislang über ein bürokratisches Vergabeverfahren, bei dem zahlreiche Akteure ein Mitspracherecht halten, organisiert (PotAS).
Medaillen im Vergleich
Insgesamt sind die Fördergelder des Bundes an die Bundessportfachverbände in den vergangenen Jahren stetig angestiegen: die direkten Zuwendungen des Bundes für die Bundesfachverbände olympischer Sommersportarten umfassten im Jahr 2013 knapp 44 Mio. Euro, im Jahr 2023 gab der Bund fast 60 Mio. Euro aus (jeweils in Preisen von 2015). Diese Summen sind als Untergrenze der gesamten Olympia-Förderung in Deutschland zu verstehen, werden jedoch zur Vergleichbarkeit und Fokussierung auf olympische Sommersportarten zur Berechnung der Fördersumme pro Medaille verwendet. Gleichzeitig zu den steigenden Ausgaben des Bundes hat sich die Medaillenausbeute insgesamt nicht verbessert, wie der Medaillenspiegel im Vergleich der letzten drei olympischen Spiele zeigt (Abbildung).
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Somit haben sich die staatlichen Fördersummen, auf die Medaille heruntergerechnet, deutlich erhöht. Für eine Medaille in Rio de Janeiro (2016) flossen durchschnittlich knapp 2,2 Mio. Euro Bundesmittel. Für eine Platzierung auf dem Treppchen in Tokio wurden durchschnittlich 3,2 Mio. Euro an Bundeszuwendungen ausgegeben. Die vergangenen Olympischen Spiele in Paris waren umgelegt auf die Medaillensiege für den Bund die „teuersten“ Spiele: Die Bundeszuwendungen betrugen knapp 3,7 Mio. Euro pro Medaille.
Zur Berechnung der Bundeszuwendungen pro Medaille flossen die Fördersummen für die Bundessportfachverbände olympischer Sommersportarten im Dreijahreszeitraum jeweils vor den Olympischen Spielen ein und wurden anteilig mit der gewichteten Anzahl der erreichten Medaillenanzahl verrechnet. Wie viel mehr eine Gold-Medaille in der Berechnung wert ist (im Vergleich zu Platz zwei und drei), orientiert sich dabei an den diesjährigen Preisgeldern, die deutsche Olympiasieger je nach Farbe des gewonnenen Edelmetalls erhalten (20.000 Euro für Gold, 15.000 Euro für Silber, 10.000 Euro für Bronze). Bei der Berechnung nicht berücksichtigt wurden die Medaillen für Fußball, da unter den olympischen Fachverbänden der Deutsche Fußballbund keine Fördergeldes des Bundes erhält.
Der Deutsche Leichtathletikverband bekommt unter den Sportverbänden mit olympischer Beteiligung am meisten Geld. In der Vorbereitungszeit für Paris von 2021 bis 2023 erhielt der Bundessportfachverband Leichtathletik vom Bund insgesamt über 30 Mio. Euro. Fast die Hälfte dieser Fördersumme (16,5 Mio. Euro) erhielten jeweils der Deutsche Ruder- und Schwimm-Verband. In der Kategorie Leichtathletik wurden in Paris vier Medaille geholt, beim Schwimmen und Rudern gab es jeweils für Deutschland zwei Medaillen (jeweils Gold und Bronze).
Wichtige Reformen in der Sportförderung
Besserung allein durch mehr Geld ist somit nicht zu erwarten. Es braucht insgesamt ein Strategiewechsel in der Sportpolitik, zu bürokratisch, ineffektiv und unverständlich wirkt das Vergabeverfahren PotAS, das vor allem auf Selbsteinschätzung und Partikularinteressen der Verbände beruht (Becker, 2024). Auch scheint die Sportförderung nicht zur Mobilisierung sportbegeisterter Jugendlicher zu führen, was zentral für die Nachwuchsarbeit ist. Denn die Begeisterung der deutschen Bevölkerung für Sportkarrieren geht insgesamt zurück: die Sportschulen verzeichnen rückläufige Bewerberzahlen und können nicht einmal mehr alle verfügbaren Plätze belegen (Tagesspiegel, 2024). Die Nachwuchsförderung beginnt dabei schon ganz früh: sportliche Wettbewerbe sind eine gute Gelegenheit, Kindern den (olympischen) Wettkampfgedanken zu vermitteln, daher sollten auch die Bundesjungendspiele mit ihrem Leistungsprinzip weiter gefördert werden.
Dass eine schlechte sportliche Entwicklung eines Landes nicht unaufhaltsam sein muss, sondern sich auch umkehren kann, zeigt das Beispiel Großbritannien. Nach langen sportlichen Enttäuschungen bei Olympia wurde der Turnaround geschafft, vor allem durch die Priorisierung der Förderung auf die erfolgreichsten Disziplinen (Haut, 2017). Auch der Blick in andere Länder zeigt, dass die Bündelung von Ressourcen sowie die Zentralisierung der Sportförderung erfolgversprechend ist (Becker, 2024). Das geplante Sportfördergesetz der Bundesregierung könnte zu einer solchen Entwicklung beitragen – es soll entbürokratisieren und plant mithilfe einer Sportagentur Gelder effizienter einzusetzen und private Mittel zu akquirieren. Dies kann aber nur gelingen, sofern Beteiligte wie die Spitzenverbände und die Länder bereit sind, einige ihrer Mitspracherechte zugunsten einer Zentralisierung und Priorisierung aufzugeben.
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