Das Defizit im deutschen Warenhandel mit China ist seit Anfang 2020 stark gestiegen. Dabei spielen auch Preis- und Wechselkurseffekte eine Rolle.
Chinas Wechselkurs: Höchste Zeit für eine Aufwertung gegenüber dem Euro
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Das Defizit im deutschen Warenhandel mit China ist seit Anfang 2020 stark gestiegen. Dabei spielen auch Preis- und Wechselkurseffekte eine Rolle.
Obwohl die Erzeugerpreise in dieser Phase in Deutschland sehr viel stärker als in China gestiegen sind, hat der chinesische Yuan gegenüber dem Euro bis Mitte 2024 sogar leicht abgewertet, statt kräftig aufzuwerten. So kam es zu einer noch sehr viel stärkeren realen Abwertung des Yuan um über 25 Prozent. Die deutsche Politik sollte China daher mit Nachdruck dazu drängen, den Yuan gegenüber dem Euro deutlich aufzuwerten.
Ungleichgewichte im Warenhandel
Der deutsche Warenhandel mit China ist stark defizitär. Die deutschen Einfuhren übersteigen die deutschen Ausfuhren in diesem Jahr auf Monatsbasis um 4 bis 5 Milliarden Euro (im gleitenden Durchschnitt der letzten sechs Monate). Anfang 2020 – also noch vor der Corona-Krise – lag dieser Wert in einer weiten Spanne um rund 1,5 Milliarden Euro. Das ist ein Anstieg auf rund das Dreifache, der sich auf hohem Niveau stabilisiert hat. Ein solch anhaltendes Ungleichgewicht hat strukturelle Gründe. Chinas Autarkiestreben und wettbewerbsverzerrende staatliche Subventionen in China gehören dazu (Matthes, 2020). Aber auch Preis- und Wechselkurse können stark auf den Handel einwirken.
Große Preisdivergenzen …
Die Erzeugerpreise stiegen in Deutschland zwischen Ende 2020 und Herbst 2022 um über 50 Prozent (Abbildung). Im Jahr 2021 waren zunächst Lieferengpässe aufgrund der Corona-Krise wesentliche Preistreiber. Als sie allmählich abebbten, marschierte Russland in die Ukraine ein. Neue Lieferengpässe entstanden und Energie wurde zeitweise viel teurer. Nach dem Herbst 2022 kam es zwar zu einer gewissen Entspannung bei der Preisentwicklung, doch die Erzeugerpreise sind auch am aktuellen Rand fast 40 Prozent höher als Anfang 2020.
In China stiegen die Erzeugerpreise über den gesamten Zeitraum lediglich um 4 Prozent (Abbildung). Zwischenzeitlich war der Preisanstieg zwar etwas stärker – mit etwas über 10 Prozent zur Mitte des Jahres 2022. Doch aktuell sinken die Erzeugerpreise anhaltend im Vergleich zum Vorjahr. Dazu dürften auch erhebliche Überkapazitäten in China und der so entstehende Konkurrenz- und Preisdruck beitragen.
Die Relation der Erzeugerpreise entwickelte sich also ab 2020 zugunsten Chinas. Das Verhältnis der Erzeugerpreisindizes zwischen China und Deutschland sank auf rund 75 Prozent. Damit haben chinesische Produzenten inzwischen einen Preisvorteil von rund 25 Prozent oder deutsche einen Preisnachteil von knapp einem Drittel.
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… ohne Wechselkursanpassung
Eine so starke Preisdivergenz sollte eigentlich zu einer Yuan-Aufwertung führen, da die Nachfrage nach chinesischen Waren und damit nach Yuan steigt. Eine Aufwertung würde chinesische Waren umgerechnet in Euro wieder verteuern. Doch das ist nicht passiert. Im Gegenteil: Der Yuan hat zwischen Anfang 2020 und Juli 2024 sogar um etwas über 4 Prozent leicht abgewertet (Abbildung). Zwischenzeitlich kam es zwar bis Mitte des Jahres 2022 zu einer leichten nominalen Aufwertung des Yuan von rund 12 Prozent, doch seitdem hat er wieder deutlich abgewertet gegenüber dem Euro.
Das chinesische Wechselkursregime hat offensichtlich nicht adäquat auf die erheblichen Preisdivergenzen reagiert. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der chinesische Wechselkurs nicht flexibel ist, sondern von der chinesischen Zentralbank gesteuert und stabilisiert wird. Dabei orientiert sie sich am US-Dollar und an einem Korb wichtiger anderer Währungen (IMF, 2024). Das bilaterale Verhältnis zum Euro spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Zudem werden Wechselkurse nicht nur von Preis- und Handelsdivergenzen beeinflusst, sondern auch von Kapitalbewegungen.
… resultieren in starker realer Abwertung
Die nicht durch den Wechselkurs korrigierten großen Preisdivergenzen haben – in Euro gerechnet – zu massiven Preisvorteilen Chinas geführt. Dies lässt sich am realen bilateralen Wechselkurs zwischen China und Deutschland messen. Dabei wird der nominale Wechselkurs um unterschiedliche Preis- oder Kostenentwicklungen bei beiden Partnern bereinigt. Hier werden dazu die aufgezeigten Erzeugerpreise verwendet. Im Ergebnis ist es damit seit Anfang 2020 zu einer realen Abwertung des Yuan von über 26 Prozent gekommen (Abbildung). Die zwischenzeitliche leichte nominale Yuan-Aufwertung hatte den Effekt der divergierenden Erzeugerpreise nur zeitweise etwas abgemildert. Dagegen hat die leichte nominale Yuan-Abwertung seit Mitte 2022 die Preisvorteile Chinas noch weiter verstärkt.
… und steigendem Handelsbilanzdefizit
Spiegelbildlich dürften die entstandenen relativen Preisnachteile Deutschlands wesentlich dazu beigetragen haben, dass sich die deutsche Ausfuhr nach China in den letzten Jahren wesentlich schlechter entwickelt hat als die Einfuhr aus China. Tatsächlich nahm das deutsche Handelsbilanzdefizit gegenüber China zeitgleich mit dem Auseinanderdriften der Erzeugerpreise zwischen Mitte 2021 und Mitte 2022 stark zu.
Die reale Abwertung des Yuan dürfte ebenso großen Einfluss darauf haben, dass deutsche Industriefirmen gemäß einer IW-Umfrage vom Frühjahr 2024 einen sehr hohen Konkurrenzdruck durch chinesische Wettbewerber spüren (Matthes/Schmitz, 2024). Rund die Hälfte der Industrieunternehmen klagt dabei über Preisunterbietungen von über 30 Prozent.
Empfehlungen
Die Politik sollte auf diese enormen Herausforderungen mit verschiedenen Maßnahmen reagieren:
- Zunächst geht es darum, hierzulande die Kostenbelastung zu senken, sei es bei Energie, Arbeitskosten, Sozialabgaben oder überbordender Bürokratie. Doch da die Kostennachteile gegenüber China so groß geworden sind, kann dies nur eine notwendige und keine hinreichende Bedingung sein.
- Die Bundesregierung sollte in den regelmäßigen Wirtschaftsgesprächen mit China die Forderung nach einer deutlichen Aufwertung der chinesischen Währung gegenüber dem Euro ganz oben auf ihre Agenda setzen.
- Wenn China darauf nicht zeitnah reagiert, müssen auch Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen in den Blick genommen werden. Diese wären auf europäischer Ebene zu beschließen, wofür es eine gute Begründung gibt. Denn im Euroraum besteht das Problem der divergierenden Erzeugerpreise ohne Wechselkursanpassung ebenfalls, wie die EZB kürzlich gezeigt hat (Al-Hashimi et al., 2024).
- Auch generell drängt das Problem des sehr hohen und immer weiter steigenden chinesischen Überschusses (Matthes, 2024). Es ist daher sehr fragwürdig, dass China seinen Leistungsbilanzüberschuss künstlich kleinrechnet (Setser, 2024). Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die in China stattfindenden Geschäfte zwischen ausländischen und inländischen Firmen in der Zahlungsbilanz erfasst werden dürfen. Mit diesem Buchungstrick mindert ein vermeintlicher Importüberschuss im innerchinesischen Handel den ausgewiesenen Leistungsbilanzüberschuss.
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